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Kompromiss bei der Erbschaftssteuer
Eine Klage, und alles fällt in sich zusammen

Der Kompromiss zwischen Bund und Ländern im Streit um die Erbschaftssteuer steht – und könnte auch gleich wieder fallen, meint der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP). Im Deutschlandfunk äußerte er Bedenken, dass die Lösung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat.

Volker Wissing im Gespräch mit Christine Heuer | 22.09.2016
    Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende der FDP, Volker Wissing, sitzt am 30.03.2016 in Mainz (Rheinland-Pfalz) auf einer Pressekonferenz über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen.
    Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP). (dpa / picture alliance / Andreas Arnold)
    Für den Wirtschaftsminister und FDP-Landesvorsitzenden Wissing ist der ausgehandelte Kompromiss eine Enttäuschung. Da erstmals privates Vermögen bewertet werden müsse, sei die neue Erbschaftssteuer ein Einstieg in eine Vermögenssteuer.
    "Einstieg in eine Vermögenssteuer"
    Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Wissen: "Ich habe erhebliche Bedenken, dass wir damit eine verfassungsfeste Lösung gefunden haben. Damit sind wir wieder genau da, wo wir waren. Es muss nur geklagt werden, und dann fällt das Ganze wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammen." Von Rechtssicherheit und Planungssicherheit für Familienunternehmen könne keine Rede sein.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Es gibt in Deutschland eine ganze Reihe 14-jähriger Multimillionäre. Die Kinder von Familienunternehmern, die dem Nachwuchs recht früh zu ihren Lebzeiten die eigene Firma schon mal verschenkt haben - aus Angst vor der anstehenden Erbschaftssteuer-Reform, heißt es. Denn das Bundesverfassungsgericht möchte Ausnahmen von der Erbschaftssteuer für Familienunternehmen beschränken.
    SPD und Grüne wollen das auch, Teile der CDU sogar. Nur die CSU, die war strikt dagegen. Weil Karlsruhe eine Frist gesetzt hatte, musste schnell eine Einigung gefunden werden. Das ist geglückt bei der nächtlichen Sitzung heute im Vermittlungsausschuss.
    Am Telefon begrüße ich Volker Wissing, Landesvorsitzender der FDP in Rheinland-Pfalz, und er ist dort auch Wirtschaftsminister. Guten Morgen, Herr Wissing.
    Volker Wissing: Guten Morgen, Frau Heuer.
    "Man hat in vielen Punkten die Dinge noch verschlechtert"
    Heuer: Der Kompromiss ist da, wir haben gerade die Einzelheiten gehört. Hätten Sie zugestimmt?
    Wissing: Ich bin nicht zufrieden mit diesem Kompromiss, um das gleich vorweg zu sagen, und ich finde es auch eine Enttäuschung, dass am Ende die Bedenken gegen den Entwurf des Bundestages nicht gehört worden sind, man in vielen Punkten die Dinge ja noch verschlechtert hat.
    Heuer: In welchen?
    Wissing: Was wir hier vorliegen haben, sieht ganz nach einem Einstieg in eine Vermögenssteuer aus. Erstmals muss privates Vermögen bewertet werden. Das heißt, es wird eine Verwaltung aufgebaut, die sich mit der Bewertung von Privatvermögen befasst. Damit wird die Grundlage für den Einstieg in eine Vermögenssteuer geschaffen. Das ist ja wahrscheinlich auch der Grund, warum von einigen Ländern auf diese Form gedrängt worden ist.
    "Erhebliche Bedenken, dass wir eine verfassungsfeste Lösung gefunden haben"
    Heuer: Nun hat ja Rheinland-Pfalz mitverhandelt im Vermittlungsausschuss. Doris Ahnen von der SPD ist in Ihrem Bundesland die Finanzministerin und sitzt mit Ihnen im Kabinett. Wie stimmt denn Rheinland-Pfalz am Ende im Bundesrat ab, wenn Sie sich so uneins sind?
    Wissing: Das Abstimmungsverhalten wird jetzt natürlich zunächst im Ministerrat festgelegt. Ich will der Ministerratsberatung nicht vorgreifen. Aber ich denke, aus meiner Äußerung ist schon klar geworden, dass die Freien Demokraten sehr enttäuscht sind über dieses Vermittlungsergebnis. Und ich habe auch erhebliche Bedenken, dass wir damit eine verfassungsfeste Lösung gefunden haben.
    Heuer: Wieso?
    Wissing: Nun, es gab ja einen klaren Hinweis in dem Urteil, dass die Gestaltungsanfälligkeit einer Erbschaftssteuer-Regelung zur Verfassungswidrigkeit führen kann. Und was man hier auf den ersten Blick sieht, muss jetzt noch genau geprüft werden, ist ein extrem gestaltungsanfälliges Erbschaftssteuerrecht, und damit sind wir wieder genau da, wo wir waren. Es muss nur geklagt werden und dann fällt das Ganze wieder wie ein Kartenhaus zusammen.
    "Ich gehe davon aus, dass das vom Verfassungsgericht wieder aufgehoben wird"
    Von Rechtssicherheit und verlässlicher Planungssicherheit für Familienunternehmen kann vor diesem Hintergrund ja überhaupt nicht gesprochen werden. Es wird jetzt der Kompromiss gelobt mit der Begründung, man habe eine verfassungsfeste Lösung gefunden und man brauche Planungssicherheit, ansonsten würde das Verfassungsgericht entscheiden.
    Ich gehe davon aus, dass das demnächst vom Verfassungsgericht wieder aufgehoben wird, und nun stellt sich halt die Frage, wie soll denn ein Familienunternehmen sicher in die Zukunft geführt werden, wie sollen Arbeitsplätze gesichert werden, wenn die Dinge so unsicher gestaltet werden.
    Heuer: Was das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, war ja unter anderem, dass die Ausnahmen, die Privilegien für die Familienunternehmen bei der Erbschaftssteuer zurückgefahren werden sollen. Das ist passiert. Wenn wir übers Grundsätzliche reden, Herr Wissing: Was haben Sie denn dagegen?
    Wissing: Noch mal: Das Bundesverfassungsgericht hat auch gesagt, dass ein gestaltungsanfälliges Erbschaftssteuerrecht mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar ist und deswegen verfassungswidrig ist, und ich sehe jetzt schon wieder ein extrem gestaltungsanfälliges Recht. Und ich habe auch grundsätzlich ein Problem damit, dass wir diese Planungsunsicherheit für Familienunternehmen schaffen.
    Wir haben hier in Rheinland-Pfalz viele Familienunternehmen, die ihren Sitz, ihre Produktionsstätte nur aus einem Grund hier in Rheinland-Pfalz haben, und das ist die enge Bindung der Familienunternehmer an das Land. Wenn das überführt werden würde in kapitalmarktfinanzierte Unternehmensstrukturen, wären diese Unternehmen weg, und dieses Argument wird immer wieder übersehen und überhört, weil man sich nicht damit auseinandersetzen will.
    "Wir sollten ein einfaches Modell haben, das eine klare Regelung schafft"
    Heuer: Aber ich dreh das jetzt mal um. Ich versuche es mal von der anderen Seite, Herr Wissing. Sie sagen im Grunde, das Gesetz, wie es jetzt beschlossen ist, ist es einfach zu kompliziert. Gegen eine höhere Erbschaftssteuer, die etwas einfacher gestaltet ist, indem man den Steuersatz anhebt, da hätten Sie nichts einzuwenden?
    Wissing: Ich habe nichts einzuwenden gegen ein Flat-Tax-Modell. Ich habe immer gesagt, wir sollten ein einfaches Modell haben, das eine klare Regelung schafft. Das ist auch die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, das gesagt hat, Gleiches muss gleich besteuert werden.
    Da sieht aber die Politik offensichtlich keine Lösung, wie man einerseits ein klares, einfaches Erbschaftssteuerrecht schafft und andererseits Arbeitsplätze sichert, und da scheint mir der Schlüssel der Vorschlag des Sachverständigenrates zu sein, der zu einem einfachen Flat-Tax-Modell geht.
    Heuer: In welcher Höhe? Wo würden Sie die ansetzen, die Erbschaftssteuer in einem Flat-Tax-Modell?
    Wissing: Wenn Sie auf ein Flat-Tax-Modell gehen und natürlich die Ausnahmetatbestände streichen, dann kommen Sie zu einem niedrigeren Steuersatz. Aber der Steuersatz ist ja nicht gleichbedeutend mit dem Steueraufkommen.
    "Es wäre viel sinnvoller sinnvoller, sich mit der konkreten Situation von Familienunternehmen auseinanderzusetzen"
    Heuer: Herr Wissing, sagen Sie doch mal eine Zahl bitte.
    Wissing: Entschuldigen Sie! Wir können ja von Länderseite darüber reden, wie hoch das Aufkommen insgesamt sein soll, und dann muss man den Steuersatz entsprechend festlegen. Aber Sie können jetzt nicht abstrakt sagen, ich will den Steuersatz X haben, denn es kommt am Ende darauf an, dass einerseits die Finanzierung gesichert ist, aber auf der anderen Seite muss auch ein einfaches Modell gefunden werden, das verfassungsfest ist.
    Heuer: Herr Wissing, aber es ist doch so: Wenn wir zum Beispiel mehr Erbschaftssteuer einnehmen würden - das ist ja nun das erklärte Ziel aller Parteien, die diesen Kompromiss ausgehandelt haben -, dann könnte man zum Beispiel im Gegenzug den Mittelstand entlasten. Da sind Sie doch auch für?
    Wissing: Das eine gegen das andere auszuspielen, ist überhaupt nicht notwendig. Wir haben ein Rekord-Steueraufkommen. Wir haben massive Aufblähungen von Staatsausgaben, die überhaupt nicht notwendig sind, erlebt in den letzten Jahren. Es wäre viel sinnvoller, sich mal mit der konkreten Situation von Familienunternehmen auseinanderzusetzen.
    Und ich sage noch mal: Wir haben hier bei uns in Rheinland-Pfalz viele Unternehmen, die familiengeführt sind, familienfinanziert sind. Die haben nur einen einzigen Grund, hier zu produzieren: Das ist die Bindung der Familie an das Land. Wenn Sie die familiengeführten Unternehmen jetzt in vom Kapitalmarkt finanzierte Unternehmen überführen, haben die mit der Erbschaftssteuer kein Problem mehr. Das ist ganz einfach!
    "Ich bin enttäuscht darüber, wie wenig Verständnis die Union für Familienunternehmen hat"
    Wenn DAX-Unternehmen vererbt werden, belastet dies das Unternehmen mit null Cent. Und dann werden aber die Unternehmen sich den günstigsten Produktionsstandort auf diesem Globus aussuchen, und das ist dann eben nicht mehr Deutschland in seinen Flächenländern. Das muss man diskutieren und das wird überhaupt nicht angesprochen.
    Heuer: Herr Wissing, kurze Frage zum Schluss, weil das ist ja ein Kompromiss, für den wird am Ende die Regierung in Berlin stehen. Da regiert die CDU mit Angela Merkel, mit der saßen Sie mal in einer Koalition. Das würden Sie nicht noch mal machen, oder?
    Wissing: Ich bin enttäuscht, dass die Union - - Seehofer sagt ja auch noch, er sei sehr zufrieden mit diesem Kompromiss. Ich bin enttäuscht darüber, wie wenig Verständnis die Union für die Familienunternehmen in Deutschland aufgebracht hat bei dieser Reform.
    Heuer: Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Wissing, haben Sie vielen Dank.
    Wissing: Ich danke Ihnen!
    Heuer: Einen guten Tag!
    Wissing: Das gleiche!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.