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Kompromissvorschlag für EU-Spitzenämter
"Dieses Paket hat eine ganze Latte von Schwächen"

Sozialdemokrat Frans Timmermans als EU-Kommissionspräsident, der Konservative Manfred Weber als Parlamentspräsident? EU-Parlamentarier Markus Ferber (CSU) hält diesen Vorschlag für unausgewogen. So stünden die Gewinner der Europawahl als Verlierer da, sagte er im Dlf.

Markus Ferber im Gespräch mit Christine Heuer | 01.07.2019
Der CSU-Abgeordnete im Europäischen Parlament Markus Ferber spricht am 19.05.2014 bei einer Pressekonferenz von CDU/CSU in Berlin über den gemeinsamen Wahlaufruf zur Europawahl. Foto: Christoph Schmidt/dpa | Verwendung weltweit
Markus Ferber ist EU-Abgeordneter und CSU-Parteikollege des EVP-Spitzenkandidats Manfred Weber (Christoph Schmidt / picture alliance)
Christine Heuer: Es sind ganz offensichtlich äußerst, äußerst schwierige Verhandlungen, die da gerade in Brüssel laufen. Am späten Abend wurden sie unterbrochen und in Einzelgesprächen fortgesetzt – die ganze Nacht hindurch. Zum Frühstück um acht trafen sich die Staats- und Regierungschefs dann wieder in großer Runde. Sie versuchen, weiter ein Personalpaket mit den Spitzenposten in den europäischen Institutionen zu schnüren.
In Straßburg erreichen wir Markus Ferber, CSU-Politiker, Mitglied in der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, also in jeder Hinsicht ein Parteigänger von Manfred Weber. Guten Tag, Herr Ferber.
Markus Ferber: Grüß Gott, Frau Heuer.
Heuer: Sie haben gerade mitgehört um dieses Szenario, das Peter Kapern uns auseinandergesetzt hat , mit den verschiedenen Positionen und Besetzungen. Stimmen Sie im Europaparlament für diese Lösung? Können Sie sich das vorstellen?
Ferber: Ich denke, dieses Paket hat eine ganze Latte von Schwächen, und darüber muss man auch sehr offen reden. Erstens: Ich halte es für unangemessen, dass die Staats- und Regierungschefs darüber befinden, wer Vorsitzender oder Präsident des Europäischen Parlaments wird. Das ist eine souveräne Entscheidung, die das Parlament zu treffen hat, und nichts, was die Staats- und Regierungschefs zu verteilen haben. Wir mischen uns ja auch in die Frage des Ratspräsidenten nicht ein. Das ist eine Entscheidung, die der Rat für sich allein zu treffen hat.
"Die großen Gewinner sind die Liberalen"
Zweitens: Die großen Gewinner sind die, die hier im Europaparlament mit Abstand nur die drittgrößte Fraktion sind, nämlich die Liberalen, und es kann ja nicht sein, dass jemand, der bei den Wahlen nicht gewinnt, aber im Kreis der Staats- und Regierungschefs ein paar mächtige Vertreter hat, dass der als strahlender Sieger hervorgeht, und die, die die Wahlen gewinnen, als Verlierer dastehen. Dieses Paket ist unausgewogen und dass der, der als zweiter durchs Ziel geht, den wichtigsten Posten bekommt, und der, der als erster durchs Ziel geht, einen nicht unwichtigen, aber nicht den wichtigsten Posten bekommt, da stimmt irgendetwas nicht. Und ich habe noch nicht verstanden, was die Logik dahinter ist.
Heuer: Das heißt, die EVP oder Sie zumindest würden Nein sagen im Parlament? Das muss ja zustimmen. Und gilt das dann auch für die EVP?
Ferber: Zunächst mal muss natürlich uns auch erklärt werden, warum wir letzte Woche noch in der Fraktionssitzung uns alle einstimmig hinter Manfred Weber gestellt haben und dass das im Rat nicht gegolten hat, sondern dass sich Frans Timmermans als der strahlende Sieger herausstellt, der jetzt vier Wochen abgetaucht war, bei dem unklar ist, ob er jetzt sein Parlamentsmandat angenommen hat, oder doch in der Kommission noch tätig ist. Wenn ich das mal sagen darf: Manfred Weber hat da immer eine klare Linie gefahren.
Und zum Zweiten: Ich halte es für unangemessen, dass der Rat auch über die Frage entscheidet, wer in zweieinhalb Jahren vielleicht Parlamentspräsident werden könnte. Das sind Dinge, die wirklich vom Parlament souverän zu entscheiden sind. Da braucht man keine Tipps von außen.
"Das ist kein berauschendes Ergebnis"
Heuer: Das haben Sie schon gesagt, Herr Ferber. Aber was mir jetzt nicht klar ist: Sind Sie gesprächsbereit über dieses Paket, oder lehnen Sie das ab mit all der Kritik, die Sie daran vortragen?
Ferber: Ich denke, dass jetzt schon mal die, die das ausgehandelt haben, auch in die EVP-Fraktion kommen müssen und erklären müssen, warum das für die EVP ein gutes Paket ist. Ich erwarte schon, dass hier der EVP-Parteivorsitzende Joseph Daul, natürlich unser Spitzenkandidat Manfred Weber, aber vielleicht auch der eine oder andere EVP-Vertreter aus dem Rat zu uns kommen und uns erklären, was die Logik hinter dem ist.
Heuer: Und vielleicht auch die deutsche Bundeskanzlerin, Herr Ferber? Denn wir haben ja gerade gehört: Da steckt viel in dem Paket drin, was sie wollte.
Ferber: Ich glaube schon, dass es Sinn machen würde, dass die Bundeskanzlerin auch mindestens zur CDU/CSU-Gruppe kommt und für diesen Vorschlag wirbt und uns mal diese Logik erklärt, die sich mir wie gesagt bisher nicht erschlossen hat. Wir haben Wahlkampf für Manfred Weber gemacht und nicht für Frans Timmermans, und wir sind als stärkste Fraktion hervorgegangen und sollen jetzt mit dem Parlamentspräsidenten abgespeist werden, vielleicht nur für eine halbe Wahlperiode. Das ist kein berauschendes Ergebnis.
Macron als "Verhinderer transparenter Strukturen"
Heuer: Herr Ferber, wenn Sie die Möglichkeit haben, Angela Merkel zu sagen, was Sie denken, was sagen Sie ihr denn dann im geschlossenen Kreis, dass sie gerade ihre Parteienfamilie verrät?
Ferber: Nein. Ich glaube nicht, dass sie verrät, dass sie versucht, eine Lösung zu finden. Aber ich kann mir einfach nicht erklären, warum der, der in Frankreich als zweiter Sieger durch das Ziel gegangen ist, hinter dem Front National, der, dem es nicht gelungen ist, in der Mitte des Europäischen Parlaments eine riesengroße Fraktion zu bilden, was er ja alles angekündigt hat, dass ein Emmanuel Macron, der als großer Europäer mal gestartet ist, jetzt der große Verhinderer von demokratischen Strukturen und transparenten Strukturen ist.
Das ist eigentlich die Frage, die zu stellen ist: Wie mächtig ist Macron in den Hinterzimmern und wie mächtig ist er bei den Bürgerinnen und Bürgern? Er hat sich doch wieder auf die Hinterzimmer kapriziert und scheint, da jetzt als strahlender Sieger hervorzugehen.
Heuer: Aber zu den Realitäten gehört ja nun auch, dass Manfred Weber nicht nur im Rat, wie man jetzt merkt, keine Mehrheit hat, sondern sie auch im Europaparlament nicht für sich organisieren konnte.
Ferber: Aber Herr Timmermans ja auch nicht. Die Frage hat mir ja noch keiner beantwortet, wo die Mehrheit von Herrn Timmermans herkommen soll. Wenn Sie die Sozialdemokraten, die Liberalen und die Grünen zusammenzählen, ist das keine Mehrheit.
"Hier ist viel Überzeugungsarbeit notwendig"
Heuer: Wird das Europaparlament gegen einen solchen Plan vielleicht geschlossen Sturm laufen?
Ferber: Das werden jetzt die Gespräche zeigen. Wir treffen uns heute Nachmittag zu einer Fraktionssitzung. Ich gehe davon aus, dass Manfred Weber dann da ist, und da werden bis zur Konstituierung des Parlaments, was ja erst am Mittwoch stattfinden soll, noch eine Vielzahl von Gesprächen stattfinden.
Aber wie gesagt, hier ist viel Überzeugungsarbeit notwendig, weil wir sind mit dem Parteitag in Helsinki, wo wir Manfred Weber zu unserem Spitzenkandidaten gewählt haben, von ganz anderen Prämissen ausgegangen. Herr Timmermans muss auch erst mal nachweisen, dass er im Europäischen Parlament über eine Mehrheit verfügt. Diesen Beweis hat er ja bisher auch nicht erbracht.
Heuer: Aber wenn er diese Mehrheit organisieren kann, dann geht das für Sie klar?
Ferber: Wenn er die Mehrheit organisieren kann, dann geht das ja nur entweder, indem er rechts von uns diese Mehrheit sucht – da wünsche ich ihm viel Vergnügen -, oder dass er es mit der EVP macht, und das heißt, da muss Herr Timmermans auch inhaltlich auf die EVP zugehen. Davon habe ich bisher nichts gehört.
"Würde ihn lieber zum Kommissionspräsidenten wählen"
Heuer: Am Mittwoch wählt das Europaparlament einen neuen Präsidenten. So ist es zumindest geplant. Das Amt könnte Manfred Weber ja haben, vielleicht auch nur für zweieinhalb Jahre. Würden Sie ihm zuraten, da überhaupt zu kandidieren?
Ferber: Das ist eine ganz schwere Frage. Die muss Manfred Weber jetzt für sich entscheiden. Wenn er dort antritt, werde ich ihn selbstverständlich wählen, aber ich würde ihn lieber in 14 Tagen zum Kommissionspräsidenten wählen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.