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Konflikt zwischen Hochschulen und Elsevier
"Wissenschaftsbetrieb wird dadurch erheblich behindert"

Rund 200 Hochschulen hatten aus Protest gegen angeblich überhöhter Forderungen ihre Verträge mit dem Wissenschaftsverlag Elsevier auslaufen lassen. Der geforderte Übergang auf das Open-Acess-Modell sei jedoch bisher an den Preisvorstellungen der Hochschulen gescheitert, sagte Hannfried von Hindenburg von Elsevier im Dlf.

Hannfried von Hindenburg im Gespräch mit Michael Böddeker | 08.08.2018
    Eingangsschild vor einem Bürogebäude von Elsevier und anderen Unternehmen
    Eingangsschild vor einem Bürogebäude von Elsevier und anderen Unternehmen (imago / Richard Wareham)
    Michael Böddeker: Seit zwei Jahren wird verhandelt: Auf der einen Seite unter anderem die deutschen Hochschulen, auf der anderen Seite die großen Wissenschaftsverlage, die sind essenziell für die wissenschaftliche Community, denn die Währung, in der an den Hochschulen gemessen wird, sind Publikationen, und der Zugriff auf neueste wissenschaftliche Veröffentlichungen, der ist wichtig, um auch auf dem Laufenden zu bleiben. Viele Einrichtungen haben seit letztem Monat keinen direkten Zugriff mehr auf die Fachzeitschriften aus dem Elsevier-Verlag. Sie hatten ihre Verträge auslaufen lassen, und nach dem vorläufigen Scheitern der Verhandlungen hat Elsevier dann schließlich auch den Zugang gesperrt. Über den Abbruch der Verhandlungen haben wir berichtet. Gesprochen hatten wir darüber vor ein paar Wochen mit Günter Ziegler, er ist Präsident der FU Berlin, und er sagte uns Folgendes:
    Günter Ziegler: Wenn die nicht zu einer Einigung kommen, dann kommen sie eben auch nicht an das Geld ran, und das ist völlig klar, dass damit, dass die Bibliotheken eben jetzt im Moment das Geld auch nicht ausgeben, ist immer die Gefahr, dass sie es dann irgendwann für was anderes und für was Besseres verplanen und, dass sozusagen die Möglichkeit für Elsevier, an das Geld ranzukommen, was sie bisher bekommen haben, immer kleiner werden, also der Druck auf Elsevier steigt.
    Böddeker: Und darüber sprechen wir jetzt mit einem Vertreter von Elsevier, Hannfried von Hindenburg. Schönen guten Tag!
    Hannfried von Hindenburg: Guten Tag!
    Böddeker: Der Stand der Dinge also, die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die mit Ihnen verhandeln, die hat im Juli die Verhandlungen abgebrochen. Von deren Seite hieß es, das liege an den überhöhten Forderungen seitens Elsevier, das habe sie gezwungen, die Verhandlungen zu unterbrechen. Sie sehen es anders.
    Hindenburg: Ja. Forderungen haben wir im letzten Treffen gar keine gestellt. Vielmehr ging es darum, schrittweise zu einer Lösung zu kommen und sich erst mal über die Rahmenbedingungen zu unterhalten. Das haben wir auch getan, und wir hatten uns da auch sogar weitestgehend geeinigt. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass wir zusammen einen Weg sehen zu dem sogenannten 100-Prozent-Open-Access-Modell, dass wir auch zusammen die Transformation hin zu Open Access in Deutschland verstärken wollen. Auf solche Art Rahmenbedingungen hatten wir uns schon geeinigt. Wir waren eigentlich ganz optimistisch in diese letzte Runde gegangen.
    Bezahlmodell soll umgestellt werden
    Böddeker: Und warum ist es dann doch nicht dazu gekommen, dass Sie produktiv weiter verhandeln?
    Hindenburg: Man muss sich, glaube ich, erst mal zunächst vorstellen, worum es geht hier. Es ist so, dass dieses Projekt DEAL oder die Hochschulrektorenkonferenz das Bezahlmodell umstellen möchte. Sie möchte nicht mehr das Abonnementmodell haben, wo die Bibliotheken für die Zeitschriften zahlen, wenn sie sie denn bekommen, sondern dass vielmehr jeder Forscher zahlt, wenn er veröffentlicht wird. Das Letztere wird Open Access genannt. Der Forscher zahlt dafür, dass er veröffentlicht wird, und dann kann danach jeder Leser umsonst und frei Zugang zu dieser Literatur haben. Weltweit wird immerhin noch das Abonnementmodell bevorzugt, aber wir in Elsevier sind sehr bereit, auch uns diesem Open-Access-Modell zu verschreiben und gemeinsam mit der HRK mit Projekt DEAL das anzubieten. Darauf hatten wir uns, wie gesagt, schon geeinigt. Worum es dann am Ende ging, war, wie schnell man vorwärts schreiten kann und wie man diesen Übergang von dem einen Modell auf das andere Modell gewinn- und erfolgversprechend bewerkstelligen kann.
    Böddeker: Und das ist letzten Ende wahrscheinlich eine Frage des Geldes, und da muss man sich dann am Ende auf eine Summe einigen, nehme ich an.
    Hindenburg: Es ist eine Frage des Geldes, aber das hat auch Herr Professor Ziegler in seinem Interview mit Ihnen angedeutet, das ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch, was man sich unter einer Einigung vorstellt. Stellen wir uns mal Folgendes vor beziehungsweise nicht nur vorstellen, sondern es ist so, dass die HRK Projekt DEAL folgende Vorstellung hat, wie eine Einigung aussehen soll: Sie wollen, dass sie, die deutschen Universitäten, für ungefähr sechs Prozent des weltweiten Gesamtvolumens bezahlen. Sechs Prozent, das ist der deutsche Ausstoß. Das heißt, sie wollen das bezahlen, was die deutschen Autoren veröffentlichen. Gleichzeitig aber wollen sie freien Zugang zu den verbleibenden 94 Prozent aus den weltweiten Inhalten, nicht aus Deutschland. Die wollen sie auch noch erhalten. Dann wollen sie die Zahl der Institutionen – ungefähr sind es ein Drittel von deutschen Universitäten gegenwärtig, die wir beliefern –, das wollen sie erhöhen auf alle Institutionen und alle Universitäten, ohne extra dafür zu bezahlen, und dann wollen sie den Zugang zu fast allen Zeitschriften, die Elsevier anbietet, und all das möchten sie gerne zu einem Preis haben, der geringer ist als die Gesamtsumme, die die deutschen Universitäten bisher bezahlen. Das ist deren Vorstellung, und das, können Sie sich vorstellen, ist eine relativ schwierige Vorstellung, und darüber muss man sich über eine Weile unterhalten. Das haben wir natürlich auch schon getan, aber was wir vorgeschlagen haben, ist, dass man sich stückweise dieser Einigung, die wir natürlich beide wollen, annähert und zunächst mal sich über die Rahmenbedingungen einigt, und das war eben, die Rahmenbedingungen waren, wir unterstützen Open Access, wir wollen diese Transformation in Deutschland beschleunigen, das machen wir zusammen, und dabei gleichzeitig bringen wir auch die Universitäten, die die Verträge gekündigt hatten mit uns, bringen wir die vorübergehend wieder an Verträge heran, bis dann eine nationale Lizenz an Ort und Stelle ist.
    HRK hat Gespräche abgebrochen
    Böddeker: Sie sagen es: An ungefähr 200 Standorten gibt es im Moment keinen Zugriff auf die Fachzeitschriften von Elsevier. Unter welchen Bedingungen können Sie sich den vorstellen, den Zugriff dann wieder freizugeben vielleicht in Zukunft?
    Hindenburg: Na ja, wie gesagt, diese Institutionen hatten zum großen Teil auf andere Arten der HRK diese Verträge gekündigt. Wir haben, um auszudrücken, wie sehr wir der deutschen Wissenschaft verpflichtet sind, diese Zugänge weiterhin offengehalten. Obwohl sie die Verträge gekündigt hatten und unsere Dienste abbestellt hatten, haben wir die Zugänge offengehalten, damit es nicht der deutsche Forscher ist, auf dessen Rücken dieser Konflikt ausgetragen wird. Das fanden wir selber nicht richtig. Wir haben das gemacht, solange im guten Vertrauen die Gespräche gelaufen sind. Dann hat die HRK einseitig diese Gespräche abgebrochen. Wir mussten jetzt da leider reagieren, aber die Situation ist nicht gut, lassen Sie mich da ganz klar sein. Keiner will, dass die deutsche Forschung leidet, und deswegen denken wir auch, dass es ganz wichtig ist, dass die deutschen Forscher, die deutschen Rektoren, dass die deutschen Bibliothekare sich einmischen und Fragen stellen, was passiert da eigentlich, wie wird da verhandelt, worum geht es eigentlich genau in diesen Verhandlungen, denn man muss ja wissen, was das für die deutsche Wissenschaft langfristig auch bedeutet, wenn man nicht mehr Zugang hat zu der höchsten Qualität an Forschung und nicht mehr zu der aktuellen Literatur, jedenfalls nicht nur einfachen und normalen Zugang zu dieser Literatur hat.
    "Diese Situation ist nicht gut"
    Böddeker: Sie sagen es: Es gibt ja die Möglichkeit der Fernleihe, die jetzt dann wahrscheinlich auch an den Bibliotheken wieder verstärkt genutzt wird. Das heißt, so dringend ist das vielleicht aus Sicht der Bibliotheken auch gar nicht, dass es jetzt dringend wieder den direkten Zugriff geben muss.
    Hindenburg: Was wir von den deutschen Wissenschaftlern hören mit denen wir sprechen – und das tun wir intensiv natürlich gerade im Moment –, ist, dass es sehr schwierig ist für sie, reibungslos auf legale Art und Weise an die Inhalte zu kommen, die sie brauchen, vor allen Dingen die neuesten Inhalten und diese hochqualitativen Inhalte, die Elsevier anbietet, dass die Wissenschaft und der Wissenschaftsbetrieb dadurch erheblich behindert wird und dass diese Situation nicht gut ist, vor allen Dingen nicht langfristig gut ist für sie, die Forscher, und daher denke ich schon, dass wir uns einigen müssen – und das hat ja Herr Professor Ziegler auch gesagt im Interview mit Ihnen, dass er Möglichkeiten für eine Einigung sieht, das sehen wir auch noch –, aber beide Seiten müssen sich aufeinander zubewegen, müssen flexibel sein, müssen nicht mit Ultimaten operieren, sondern vielmehr mit Flexibilität und echten Verhandlungen darauf hinzuarbeiten, dass wir für die deutschen Wissenschaftler das hinkriegen.
    Böddeker: Sagt Hannfried von Hindenburg von Elsevier. Wir haben über den Stand der Verhandlungen um die Lizenzgebühren gesprochen. Es geht um die Lizenzen für den Zugriff auf Veröffentlichungen, die bei Elsevier erscheinen und erschienen sind. Vielen Dank für das Interview!
    Hindenburg: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.