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Kongo
Präsident Tshisekedi muss sich beweisen

Trotz Unruhen und Vorwürfen des Wahlbetruges ist Félix Tshisekedi zum neuen Präsident des Kongo vereidigt worden: Er löst seinen Vorgänger Joseph Kabila ab, der das zentralafrikanische Land lange autokratisch beherrscht hat. Was kommt nun auf den noch unbekannten Tshisekedi zu?

Linda Staude im Gespräch mit Britta Fecke | 26.01.2019
    Nach den Präsidentschaftswahlen im Kongo zum Sieger erklärt: Félix Tshisekedi
    Nach den Präsidentschaftswahlen im Kongo zum Sieger erklärt: Félix Tshisekedi (AFP / John Wessels)
    Britta Fecke: Dieser rohstoffreiche Kongo, ist auch flächenmäßig ein großes Krisengebiet zwischen Warlords und Ebola, seit zwei Tagen gibt es nun einen neuen Präsidenten steht der auch für einen Neuanfang?
    Linda Staude: Die Kongolesen hoffen das natürlich. Sie haben seit zwei Jahren auf die Durchführung dieser Wahl gewartet, weil Joseph Kabilas Amtszeit eigentlich Ende 2016 schon geendet hätte, er sich aber geweigert hat, Wahlen zu organisieren. Mit den wildesten Begründungen. Also das ist einmal Krieg gewesen, Bürgerkrieg in verschiedenen Landesteilen. Dann war auf einmal kein Geld mehr für die Wahl da. Also so zog sich das hin. Und, dass die Wahl jetzt stattgefunden hat, ist für die Kongolesen schon ein riesen Erfolg überhaupt. Und, was auch keiner erwartet hat, das ein Oppositionspolitiker mit Félix Tshisekedi gewonnen hat. Das ist auch etwas, was Hoffnung gibt. Was aber natürlich noch nicht heißt, dass dieser Präsident jetzt auch die gewünschten Reformen einleiten wird.
    Fecke: Er hatte ja noch nie ein öffentliches Amt. Glauben Sie, er ist der richtige Mann an diesem Ort?
    Staude: Félix Tshisekedi zeichnet sich vor allem durch eines aus. Er ist Sohn. Und da hat er etwas gemeinsam mit Joseph Kabila, dem bisherigen Präsidenten, denn auch er ist als Sohn an die Macht gekommen, als sein Vater, der vor ihm Präsident war einem Attentat zum Opfer gefallen ist. Félix Tshisekedi ist der Sohn von Etienne Tshisekedi, der ist auf natürlichem Wege vor zwei Jahren gestorben. Und Félix hat diese Parteiführung nach einigen innerparteilichen Kämpfen übernommen. Die Partei war nicht so hundertprozentig überzeugt, dass Félix Tshisekedi der richtige Mann dafür ist, weil Sie sagten es schon, er ist eigentlich kein Politiker. Er hat lange Zeit seines Lebens in Belgien verbracht, hat dort ein Geschäft gehabt. Es gibt Gerüchte, dass er sich auch als Lebemann betätigt hat. Das sind alles noch keine Anzeichen dafür, dass er ein riesiges Land, wie die Demokratische Republik Kongo tatsächlich führen kann.
    Wahlfälschung relativ wahrscheinlich
    Fecke: Sie haben ja gerade schon diese Parallele angesprochen, Sohn und Erbe des Postens des Vaters. Es gibt hartnäckige Gerüchte, dass dieser neue Präsident, dieser Oppositionspolitiker mit Hilfe des etablierten und korrupten Vorgängerregimes an die Macht gekommen ist. Wieviel glauben Sie, ist an diesen Gerüchten.
    Staude: Also es ist schon relativ wahrscheinlich. Es sind einfach schon die Zahlen, die das sagen. Es hat wenige Meinungsumfragen vor der Wahl gegeben, aber es hat welche gegeben und da lag ganz klar der andere Kandidat der Opposition, nämlich Martin Fayulu vorne. Tshisekedi war auf dem zweiten Platz. Er war bis zuletzt auf dem zweiten Platz, und auf einmal hat er die Wahl doch mit einem respektablen Ergebnis gewonnen. Das macht misstrauisch, auch weil Wahlbeobachter - internationale Wahlbeobachter ware n nicht zugelassen - aber lokale Wahlbeobachter, unter anderem von der katholischen Kirche, die in der Demokratischen Republik Kongo eine große Rolle spielt, 40.000 von denen haben gesagt, unsere Zählung, die sieht völlig anders aus. Also den Wahlbetrug kann man natürlich nicht nachweisen, nachdem das Verfassungsgericht selbst geurteilt hat, da ist alle sauber gelaufen. Aber es ist schon sehr wahrscheinlich und warum jetzt plötzlich Félix Tshisekedi? Es wird vermutet, dass der Kandidat, den Kabila selbst ins Amt heben wollte, nämlich der Kandidat der Regierungspartei so wenig Stimmen bekommen hätte, dass eine Wahlfälschung zu seinen Gunsten überhaupt nicht funktioniert hätte. Das hätte keiner geglaubt. Und da lag es nahe, den einen Oppositionskandidaten, der möglicherweise bereit ist zu einem Deal dann eben zum Wahlsieger zu erklären.
    Fecke: Was hat denn Kabila davon?
    Staude: Nun, wenn es diesen Deal gegeben hat, hat Kabila davon eine Menge. Zum einen hat er befürchtet, wie das in anderen afrikanischen Ländern schon geschehen ist, dass sobald er nicht mehr im Amt ist, dass er dann vor Gericht gestellt wird. An aller erster Stelle für Korruption, aber möglicherweise auch noch für andere Dinge. Das wollte er um jeden Preis vermeiden. Und das zweite ist, er hat natürlich seine Geschäfte, die er als Präsident gemacht hat, er und seine Familie und sein Clan, die laufen ja immer noch. Das heißt also, er hat sehr profitiert von den reichen Rohstoffen, von den Mienenaktivitäten und es ist zu vermuten, wenn es diesen Deal gegeben hat, dass das dann auch so weiter laufen wird und das heißt nichts Gutes für den Kongo, denn dann ist diese Korruption, die ihm ja den Menschen das Leben zur Hölle gemacht hat, die ist damit nicht bekämpft.
    Ebola als Vorwand, um nicht wählen zu lassen
    Fecke: Die Wahlen wurden ja in einigen größeren Bezirken ausgesetzt wegen der Ebola Epidemie, oder des Ebola-Ausbruchs vielmehr. Wie steht es denn damit?
    Staude: Also zunächst einmal, dieses Aussetzen, das war die offizielle Begründung, Ebola ist in diesen Städten, deswegen können wir da nicht wählen. Es wird allgemein vermutet, dass das ein Vorwand war, weil das waren Hochburgen der Opposition und in diesem Fall ganz speziell des Kandidaten des Gegenkandidaten, Fayulu. Und die Menschen dort haben ganz klar gesagt, 'Moment mal, wieso dürfen wir nicht wählen wenn trotz Ebola unser öffentliches Leben hier eigentlich ganz normal funktioniert? Es hat Wahlkampf bei uns stattgefunden, also sämtliche öffentliche Versammlungsplätze sind nicht geschlossen. Aber Wählen ist auf einmal gefährlich.' Man hat da sehr stark vermutet, dass Ebola der Vorwand war, um diese Oppositionshochburgen nicht wählen zu lassen. Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Ebola-Epidemie nicht hochgefährlich ist. Es ist gerade heute gemeldet worden, dass neue Fälle aufgetreten sind, weiter im Süden, Richtung Goma, einer großen Stadt an der ruandischen Grenze. Wir reden von insgesamt mittlerweile von über 700 Infizierten und mehr als 400 Menschen sind an dieser Epidemie bereits gestorben.
    Das ist eine hochbrisante Zahl, weil der Ost Kongo, einfach anders als da, wo Ebola sonst aufgetreten ist, eine völlig andere Landschaft bietet. Weil Équateur, die Nordprovinz, wo Ebola eigentlich herkommt, das ist Busch, das ist Dschungel, das heißt also, da gibt es eigentlich eine natürliche Quarantänezone. Der Ost Kongo hat das nicht, der ist sehr dicht besiedelt. Es gibt Flüchtlingsbewegungen, es gibt Handelsbewegung. Also da ist ein großer Austausch von Menschen, sehr viel mehr Menschen, und da ist die Ansteckungsgefahr sehr viel größer und die Bekämpfung der Krankheit wird erschwert, das dort eben auch eine Konfliktzone ist. Da sind dutzende von Rebellengruppen, die um diese Rohstoffe kämpfen, die Bevölkerung terrorisieren, immer wieder angreifen, auch medizinische Helfer angreifen. Und das macht diese Bekämpfung der Krankheit dort so, so sehr viel schwieriger.
    Fecke: Kongos neuer Präsident Tshisekedi ist seit zwei Tagen im Amt. Was auf ihn zukommt zwischen Warlords und Ebola, das schilderte uns die Zentralafrika Korrespondentin Linda Staude.