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Kongo Virunga Nationalpark
Ermittlungen gegen Vize-Parkchef

Der Vize-Parkchef im kongolesischen Virunga Nationalpark Innocent Mburanumwe gilt vielen als Held des Umweltschutzes. Doch bei den Einwohnern des Parks ist er gefürchtet: Sexuelle Belästigung, Drohungen und Gewalt gehen auf sein Konto, berichten nun einige von ihnen. Mittlerweile läuft ein Prozess.

Von Simone Schlindwein | 04.07.2019
Hütte der Parkranger des Virunga-Nationalparks am Fuße des Vulkans Mikeno
Lange haben die Bewohner des Virunga-Nationalparks über Mburanumwes Machenschaften geschwiegen (picture alliance / dpa / imageBROKER / Heiko Beyer)
Das Dorf Rumangabo besteht aus armseligen Hütten mit Wellblechdächern. Es liegt inmitten des Virunga Nationalparks im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Hier hat die Parkverwaltung ihr Hauptquartier: Büroräume, der Fuhrpark für die Patrouillenfahrzeuge, eine Fünf-Sterne Luxus-Lodge sowie ein Freilichtgehege für Gorilla-Waisen, deren Familien im Krieg getötet wurden.
Die Einwohner sind vom Nationalpark abhängig. Die Männer arbeiten als Parkwächter, die Frauen kochen Touristen das Essen, machen ihre Betten. Die Kinder gehen auf die vom Nationalpark gebaute Schule. Dies mag der Grund sein, warum in Rumangabo die Menschen so lange geschwiegen haben - über die Machenschaften des Vize-Parkchefs Innocent Mburanumwe.
"Es war am Abend, schon nach Einbruch der Dunkelheit. Ich hatte mich mit einem Freund getroffen nahe der Eingangsstation des Parks. Ich wohne direkt daneben. Plötzlich hören wir eine Stimme rufen. Es war der Vize-Parkchef Innocent Mburanumwe. Dann fallen Schüsse. Eine Kugel flog direkt über meinen Kopf. Die andere traf mich ins Bein."
Die 20-jährige Denise Serubongo ist ein hübsches Mädchen. Wenn sie von jenem Abend Ende Mai berichtete, zittert sie noch immer wie Espenlaub. Sie steht unter Schock. Denn die Schüsse sind nur der Höhepunkt einer jahrelangen Leidensgeschichte.
"Es war dieser Vize-Chef des Parks, der mich entjungfert hat. Seit ich 14 Jahre alt bin, hat er mich immer wieder vergewaltigt. Er hat mich sogar drei Mal geschwängert - und sogar zwei Mal Abtreibungen organisiert. Bis auf einmal - diese Tochter ist nun vier Jahre alt. Er hat noch nie auch nur einen Dollar für sie bezahlt. Ich musste die Schule aufgeben, um mich um sie zu kümmern - und jetzt hat er versucht mich zu töten und hat mich verletzt. Ich kann nun nicht mehr arbeiten".
Ausgezeichnet von der EU
Innocent Mburanumwe ist ein Held des Naturschutzes im Kongo. Erst im vergangenen Jahr hat ihm die Europäische Union den Schuman-Preis für Biodiversität verliehen. Im 2014 produzierten, mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm "Virunga" über den schwierigen Schutz der bedrohten Berggorillas hat Mburanumwe die Hauptrolle. Seitdem wird der Kongolese weltweit gepriesen als derjenige, der die letzten Gorillas mit Leib und Leben schützt. Doch im Kongo ist er gefürchtet.
"Was ich jetzt erzähle, davor haben alle hier Angst, es auszusprechen. Denn er steckt in so vielen schlechten Sachen tief drin. Er ist hier nicht sehr beliebt, denn er führt sich auf wie der große Retter. Er belästigt Frauen und Mädchen. Es gibt noch mehr minderjährige Mädchen, die von ihm Kinder haben. Er ist sehr aggressiv. Er verhält sich als wäre er unantastbar. 2012 hat er seinen Rangern befohlen, auf Jugendliche zu schießen, die gegen den Park protestierten. Einer wurde schwer verwundet und starb später. Ich habe einen anderen Fall dokumentiert, wo ein junger Mann von ihm festgenommen und gefoltert wurde. Er steht über dem Gesetz und benutzt dann sein Geld, um alle ruhig zu stellen. Er hat selbst mich bedroht".
Journalist Aimable Gafurura kennt Vize-Parkchef Mburanumwe seit seiner Kindheit. Nur wenige Stunden nach unserem Interview in Rumangabo erhält er Drohanrufe. Zwei Tage später wird er festgenommen. Der Haftrichter erklärte ihm, Mburanumwe habe Anzeige erstattet wegen Verleumdung. Zu diesem Zeitpunkt steht der Vize-Parkchef bereits unter Hausarrest. Die Militärstaatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Doch selbst unter Hausarrest gelingt es ihm noch, Menschen einzuschüchtern.
Jetzt klärt die Justiz auf
Denise Serubongos Eltern wurden 3.000 Dollar angeboten - wenn sie die Anzeige fallen lässt. Doch Denise Serubongo bleibt tapfer. Sie zieht die Anzeige nicht zurück. Mittlerweile hat endlich der Prozess gegen den mächtigen Vize-Parkchef begonnen. Journalist Gafurura wird auf Kaution freigelassen, aber der Prozess soll ihm trotzdem gemacht werden.
Weitere Journalisten, die über den Vizechef des Parks recherchieren, werden bedroht. Es gibt Indizien, dass er in die Geiselnahme der beiden britischen Touristen verwickelt war, die im Mai 2018 von Rebellen im Park verschleppt wurden und erst gegen Lösegeld freikamen.
Die Bereitschaft aufzuklären ist offenbar gering: Für die Parkbetreiber steht bei so einem Skandal viel auf dem Spiel. Seit 1988 wird der Virunga-Nationalpark mit vielen Millionen Euro von der Europäischen Union finanziert.