Dienstag, 16. April 2024

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Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
Keine Garantie, das Krankenhaus gesund zu verlassen

Laut einer britischen Studie gibt es sieben Todesfälle auf 1.000 Patienten, die innerhalb eines Monats nach der Operation sterben. Beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie wird über umfassende Maßnahmen und ein besseres Fehlermanagement diskutiert, um dafür zu sorgen, dass Patienten nach einer Operation gesund nach Hause gehen.

Von Veronika Bräse | 28.04.2015
    Ein Mediziner bekommt am 18.02.2014 in einer Klinik in Baden-Württemberg vor einer Operation ein Paar Handschuhe angezogen.
    Eine Garantie, das Krankenhaus nach einer OP gesund zu verlassen, gibt es auch im 21. Jahrhundert nicht (picture-alliance / dpa / Felix Kästle)
    Eine Blinddarmoperation gilt als simpler Eingriff, der aber trotzdem nicht immer gut ausgehen muss, erklärt Hans-Joachim Meyer von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie:
    "Ein hoch betagter Patient kommt in einem fortgeschrittenen Stadium mit Durchbruch und Bauchfellentzündung zur Operation, so ist das natürlich heute trotz Antibiotika und bei allen Möglichkeiten der Intensivmedizin, auch vor dem Hintergrund einer Blutvergiftung, einer Sepsis, möglich, dass ein solcher Patient verstirbt."
    Eine Garantie, das Krankenhaus gesund zu verlassen, gibt es auch im 21. Jahrhundert nicht. Ein Grund dafür ist das steigende Alter der Patienten. Auch 90-Jährige bekommen heute eine neue Hüfte eingesetzt, wenn nötig:
    "Die Patienten werden sehr viel älter, sie haben viele Begleiterkrankungen, angefangen von Bluthochdruck, kardiale Probleme, Probleme mit der Lunge und den Diabetes mellitus. Das heißt, das ist ein Riesenspektrum, das zu solchen Komplikationen führen kann."
    Es kann aber auch bei jüngeren Patienten kritisch werden. Meyer berichtet von Nahtbrüchen, die auftreten, wenn beispielsweise am Darm ein Stück herausgeschnitten wurde. Geht die Naht wieder auf, kann es zu einer Bauchfellentzündung kommen:
    "Es gibt verschiedenste Versuche, wie man die Rate reduzieren kann, sei es der Einsatz mechanischer Nahtgeräte im Vergleich zu der mit der Hand durchgeführten neuen Verbindungen, aber auch hier sind Komplikationen möglich."
    Gefahren durch Wundinfektionen und multiresistente Keime
    Ein weiteres Thema sind Wundinfektionen. Sie lassen sich reduzieren, wenn narbenfrei operiert wird. Also indem bei der Endoskopie natürliche Körperöffnungen genutzt werden, um im Inneren des Körpers zu operieren. Die minimal-invasive Chirurgie durch die Leiste oder den Nabel führt nur zu kleinen Wunden, die im Vergleich zu großen Schnitten meist schnell wieder verheilen. Doch selbst eine Operation am offenen Herzen überstehen die meisten recht gut. Die Statistik zeigt, dass die gewählte OP-Methode die Sterblichkeit nicht beeinflusst. Krebspatienten etwa versterben nicht aufgrund der vielleicht aufwändigen, großen Operation, sondern weil sie ihrem Leiden erliegen:
    "Die Vorgehensweise im Bauch, im Thorax, ist bei minimalinvasiv genauso wie bei offenem Vorgehen. Natürlich sind die Folgen, wenn sich lokalisiert auf 2cm ein Infekt bildet ist ein Unterschied als wenn ein Längsschnitt oder ein Querschnitt eröffnet werden muss. Aber sonst sollte es da keine Unterschiede geben."
    Problematisch ist, wenn Patienten durch multiresistente Keime geschwächt sind. Bei ihnen kann selbst ein Routineeingriff eine zu große Belastung darstellen. Deshalb wird beispielsweise an der Uniklinik in Greifswald jeder neue Patient genau durchgecheckt und gegebenenfalls sofort isoliert, erklärt der chirurgische Direktor Claus-Dieter Heidecke:
    "Umgekehrt ist es wichtig, dass der Patient auch dahingehend befähigt wird, dass er uns den Spiegel vorhält. Also es wurde eine Patientenuntersuchung gemacht, ohne dass der Arzt sich vorher die Hände desinfiziert hat usw. Diese Rückkopplung zwischen Arzt und Patient, das ist ganz wichtig, dass wir uns gegenseitig verbessern."
    Fehler passieren im Klinikalltag z.B. bei Schichtwechsel
    Experten schätzen, dass sich durch mehr Sorgfalt ein Viertel der gefürchteten Krankenhausinfektionen verhindern ließe. Auch strukturelle Probleme im Klinikalltag müssten verbessert werden. Sie entstehen vor allem durch den Schichtbetrieb. Derjenige, der die Erstdiagnose macht, ist meist nicht derjenige, der am Ende operiert. Grundsätzlich passieren mehr Fehler, je mehr Übergaben es gibt:
    "In der Regel ist es so, das ist eine Fehlerkette von unglücklichen Umständen, die mit Arbeitsverdichtung und anderen Dingen zusammenhängen können plus eins, was dann dazu geführt hat, dass am Ende eine gravierende Komplikation aufgetreten ist."
    Solche Fehler im System müssen die Beteiligten gemeinsam analysieren und ändern. Es braucht also Zeit für Austausch und Besprechungen. Und ein qualifiziertes Team aus Anästhesisten, Chirurgen, Physiotherapeuten und Pflegepersonal. Studien aus den USA und Kanada belegen, dass ein gelungenes Zusammenspiel aller Kräfte letztlich die beste Garantie dafür ist, dass Patienten Operationen gut überstehen.