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Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin
Mehr Schutz für Flüchtlinge

Wie kann man Viren wie Ebola oder Zika Einhalt gebieten? Und das in Zeiten von großen Flüchtlingsbewegungen, in denen Krankheiten über Grenzen getragen werden? Diese Fragen diskutierten Mediziner auf dem 13. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin in Würzburg. Sie fordern: Es braucht eine bessere Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen.

Von Patrick Obrusnik | 21.06.2016
    Ein Mediziner untersucht in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen (Baden-Württemberg) zusammen mit einem Dolmetscher die Kinder einer Syrerin. Foto: Stefan Puchner/dpa
    Ein Mediziner untersucht in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen (Baden-Württemberg) zusammen mit einem Dolmetscher die Kinder einer Syrerin. (picture alliance / dpa / Stefan Puchner)
    Der Kampf gegen lebensgefährliche Infektionserkrankungen ist schwer, kann aber gewonnen werden. Diese Botschaft überbrachte Marylyn Addo, die Leiterin der Tropenmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf den 1.200 Kongressteilnehmern. Der Ausbruch des Ebola-Virus 2014 in Westafrika hatte noch über 11.000 Menschenleben gefordert. Nun gebe es Hoffnung, dass eine solch hohe Opferzahl zukünftig nicht mehr zu beklagen sein wird:
    "Wir haben in Hamburg einen Ebola-Impfstoff getestet. Der ist auf Wirksamkeit getestet worden, letztes Jahr in Guinea. Und hat in den vorliegenden Daten 100 Prozent Wirksamkeit gezeigt. Und dieser Impfstoff wird für 2017 zugelassen werden."
    Der letzte Ebola-Ausbruch war auch Anlass für die Weltgesundheitsorganisation, zu handeln. Ein Expertengremium hat im Auftrag der WHO eine Liste von acht Infektionserkrankungen zusammengestellt, die zu einem globalen Gesundheitsnotstand führen könnten. Gelder wurden bereitgestellt, um möglichst schnell Impfstoffe und Therapeutika für diese Viruserkrankungen zu entwickeln.
    "Ebola und das Marburg-Virus gehören dazu. Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fieber gehört dazu. MERS, SARS, das Rift-Valley-Fieber gehören dazu. Und das Nipah-Virus. Es ist aber auch so vorgesehen, dass Viren, die als 'public health emergency of international concern' deklariert werden, auch in die Impfstoffentwicklung und Therapieentwicklung mit einsteigen."
    Zika: Empfehlungen für Brasilien-Reisende
    Das gilt aktuell für das Zika-Virus, das sich seit Oktober vergangenen Jahres vor allem in Brasilien ausbreitet. Das Virus wird durch Stechmücken übertragen und ist verantwortlich für Schädelfehlbildungen bei Neugeborenen. Die möglichen Folgen: geistige Behinderungen, aber auch Fehl- und Totgeburten. Sorgen, dass das Virus im August durch die Olympischen Spiele in Rio Janeiro weltweite Verbreitung finden könnte, hat Tropenmedizinerin Addo aber nicht. Sportler und Touristen sollten sich dennoch schützen:
    "Es gibt klare Empfehlungen für Frauen, die schwanger werden wollen und Schwangere. Die sollen in Gebiete, in denen Zika auftritt, nicht reisen. Für alle anderen empfiehlt man Mückenschutz. Kondome benutzen, weil Zika kann auch sexuell übertragen werden. Und wenn man mit Fieber zurückkehrt, dann in ärztliche Behandlung begeben."
    Eine weitere wichtige gesellschaftliche Aufgabe ist die gesundheitliche Versorgung der über eine Million Flüchtlinge in Deutschland. August Stich, Leiter der Tropenmedizin der Missionsärztlichen Klinik Würzburg, ist seit zehn Jahren in der medizinischen Flüchtlingsversorgung tätig:
    "Wir sehen natürlich schon bei Flüchtlingen eine vermehrte Rate von Infektionskrankheiten. Auch von Tuberkulose, auch von ansteckenden Erkrankungen. Aber die Ansteckung erfolgt nicht hin zur allgemeinen deutschen Bevölkerung. Sondern wenn überhaupt findet sie statt in der Gemeinschaftsunterkunft, innerhalb der Flüchtlinge selber. Flüchtlinge sind nicht die Gefährder. Sie sind die Gefährdeten."
    "Niederschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung für Geflüchtete"
    Die Unterschiede in der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen seien regional sehr groß, kritisiert Stich. So erhielten beispielsweise in Hamburg Flüchtlinge sofort eine Versichertenkarte, mit der sie zum Arzt gehen könnten. In Bayern kläre zuerst ein Amtsarzt den Behandlungsbedarf - und verweigere auch schon mal einen Behandlungsschein, der für einen Arztbesuch notwendig sei. Der Würzburger Tropenmediziner fordert dagegen einen niederschwelligen Zugang für Flüchtlinge zu medizinischen Leistungen. Zusammen mit gleichgesinnten Medizinern organisiert Stich seit zehn Jahren die Gesundheitsversorgung in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft:
    "Das bedeutet, dass es dort eine Anlaufstelle gibt. Jeder, der meint, er braucht medizinische Hilfe, kann da hingehen. Dort sitzt eine Krankenschwester oder medizinisches Hilfspersonal, was zunächst einmal den Bedarf erfasst und dann ärztliche Sprechstunden vorbereitet. Je länger wir dieses Modell machen, umso geringer ist die Zahl der Notarzteinsätze oder irgendwelcher Akutsituationen."
    Stich will aber nicht, dass sein "Würzburger Modell" Schule macht - denn es basiert auf ehrenamtlichem Engagement:
    "Wir substituieren eigentlich nur ein Defizit. Wir möchten eigentlich, dass solche Modelle wie das unsrige verschwinden - zugunsten einer viel besseren und breiteren Versorgung: niederschwelliger Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Geflüchteten und in Migrantenmedizin ausgebildetes medizinisches Personal."