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Konsequente Aufklärung gefordert

Mindestens 132 Kinder und Jugendliche sind in den 70er- und 80er-Jahren an der südhessischen Odenwaldschule sexuell missbraucht worden. Seit zweieinhalb Jahren versucht das bekannte Reform-Internat, diese dunkle Geschichte aufzuarbeiten. Doch für viele Missbrauchsopfer und Politiker ist die Aufklärung nicht konsequent genug.

Von Ludger Fittkau | 06.10.2012
    Zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchskandals an der Odenwaldschule weigert sich das Jugendamt des Kreises Bergstraße weiterhin, wieder Jugendliche aus zerrütteten Familien in das Internat einzuweisen. Der Grund: Aus Sicht der Behörden der Region, in der die Odenwaldschule liegt, hat die Schule den Skandal noch nicht glaubwürdig aufgearbeitet. Matthias Wilkes, Landrat des Kreises Bergstraße formuliert die Bedingungen dafür, dass sein Jugendamt wieder mit der Odenwaldschule kooperiert:

    "Eine klare Aufklärung aller Verbrechen und Straftaten, zweitens die Notwendigkeit der adäquaten Opferentschädigung und damit auch die Möglichkeit der Versöhnung mit den Menschen, an denen diese Verbrechen begangen worden sind."

    Der Trägerverein der Odenwaldschule räumte bei dem gestrigen Krisentreffen mit Politikern der Region und den Vertretern der Missbrauchsopfer ein, dass es mit der wissenschaftlichen Aufklärung der Taten tatsächlich hapert. Gerhard Herbert, Vorsitzender des Trägervereins:

    "Da ist etwas dran. Es gab personelle Veränderungen in sehr hohem Maße die letzten beiden Jahre. Ich selber bin erst seit einem halben Jahr im Amt als Vorstandvorsitzender des Trägervereins der Odenwaldschule und erkenne jetzt erst bruchstückhaft, was auch teilweise für Versäumnisse in der Vergangenheit waren nach diesen schrecklichen Ereignissen, dass man das konsequenter angehen muss."

    Nun soll ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat für die Odenwaldschule gebildet werden, der Forschungsprojekte zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals ausschreiben wird. Vertreter der Opfer-Selbsthilfe-Organisation "Glasbrechen" zeigten sich gestern enttäuscht darüber, dass bereits so viel Zeit ungenutzt verstrichen sei.

    Ebenso kritisierten sie, dass die Schule die Betroffenen nicht in die Entscheidung einbezogen habe, wie Entschädigungen auszuzahlen seien. Jochen Weidenbusch, Missbrauchsopfer und Vorstandsmitglied der Selbsthilfeorganisation "Glasbrechen" fordert künftig eine bessere Kooperation der Odenwaldschule mit den Betroffenen:

    "Dann kann die Odenwaldschule wie auch der Betroffenenverein zeigen, wie man in Zukunft bei anderen Schulen oder bei anderen Problemen, die auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauches passieren können, wie man da besser arbeiten kann. Ich glaube, wir sind da ein Modell, und ich hoffe, dass sich das noch zum Guten verwirklichen wird."