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Konservative wittern Morgenluft

Wenige Tage nach der Abschiedsvorstellung Tony Blairs auf dem Labour-Parteitag in der einstigen Arbeiterstadt Manchester sind die konservativen Tories im vornehmen Süden Englands zusammengekommen. Ihr Parteitag in Bournemouth begann gleich mit einem Höhepunkt: der Rede von David Cameron, dem jungdynamischen Vorsitzenden. Martin Zagatta berichtet vom Tory-Parteitag.

02.10.2006
    Die gute Stimmung wollen sie sich auch von den jüngsten Umfragen nicht verderben lassen. Die Tories liegen danach zwar nur Kopf an Kopf mit der Labour-Partei von Tony Blair. Die britischen Konservativen geben sich aber dennoch zuversichtlich - mit Blick auf den Machtkampf im Regierungslager. "Blair und sein Rivale Schatzkanzler Brown sind doch nur noch mit sich selbst beschäftigt, statt sich um die Problemen im Gesundheitswesen zu kümmern, um den Irak oder Afghanistan. Die", so Parteichef David Cameron, "die verbringen ihre Zeit damit, sich gegenseitig zu bekämpfen."

    Der 39-Jährige schien bei seiner ersten Parteitagsrede als Tory-Chef vor Selbstbewusstsein nur so zu strotzen gestern Abend. Kein Wunder auch: Unter seiner Führung ist es der Partei, die drei Wahlen in Folge verloren hat und zuletzt vier Vorsitzende verschlissen, nun gelungen, wieder auf Augenhöhe mit der Labour-Partei zu kommen. Cameron hat das erreicht, indem er versucht, die älteste Partei der Welt nicht nur zu modernisieren, sondern völlig umzukrempeln. Eine neue Richtung - so lautet auch das Parteitagsmotto. Die Tories versuchen, ihr tief sitzendes Image als "nasty party", als hässliche, rücksichtslos auf Marktwirtschaft setzende Partei loszuwerden. Cameron spricht jetzt von einem "verantwortlichen" oder "mitfühlenden" Konservatismus", setzt auf Sozialpolitik und Umweltschutz. Ein Kurswechsel, der jetzt auch mit einem neuen Parteilogo zum Ausdruck kommt. Die blaue Fackel, das traditionelle Tory-Symbol, wird ersetzt durch einen lässig grün gezeichneten Eichenbaum.

    Die Partei komme so offen und flexibel daher nicht mehr so starr, erläutert der Werbefachmann Andy Payne. Der neue Tory-Chef Cameron zeigt sich am liebsten auf dem Fahrrad und hat sein Haus auf alternative Energie umrüsten lassen. Er will die als altmodisch und überaltert abgewertete Partei in die politische Mitte führen, mit einer Politik, die die von Tony Blair (in vielem) fast kopiert. Dazu hat Cameron innerhalb kürzester Zeit Positionen seiner eigenen Partei über den Haufen geworfen. Den staatlich organisierten Gesundheitsdienst stellt er nicht mehr in Frage, mit der so heftig umstrittenen Erhöhung von Studiengebühren hat er sich abgefunden, und er erinnert Unternehmen an ihre soziale Verantwortung.

    Die Parteiführung hat sogar ihren Widerstand gegen den von Labour eingeführten Mindestlohn aufgegeben, eine Neuausrichtung, die dem Traditionsflügel der Tories bitter aufstößt. Aus dem Umfeld von Margaret Thatcher wird Cameron sogar vorgeworfen, wie ein "Pol Pot der Tories" das Erbe der Eisernen Lady zu verspielen.

    "Man kann doch nicht die grundsätzlichen Prinzipien und die Politik der Konservativen Partei völlig in Frage in Stellen", kritisiert Robin Harris, einst der Redenschreiber von Margaret Thatcher. Ihn stört vor allem, dass Cameron sich weigert, Steuersenkungen zu versprechen. Eine Politik, die der Tory-Chef jetzt in Bournemouth aber ausdrücklich verteidigt hat.

    Ein stabiler Haushalt sei wichtiger als Steuersenkungen, erteilt Cameron solchen Forderungen eine Absage, wohl wissend, dass die Wirtschaftspolitik der Labour-Regierung, Wachstum und niedrige Arbeitslosigkeit, von den Wählern geschätzt wird. Da die Tories unter seiner Führung sehr erfolgreich waren bei den Kommunalwahlen im Mai, muss er die Kritik aus den eigenen Reihen nicht sonderlich fürchten. Und im Umgang mit dem Regierungslager scheint seine Taktik schon jetzt zu fruchten. Cameron verzichtet auf scharfe Töne gegen Tony Blair, lobt den zum Rücktritt innerhalb eines Jahres gezwungenen Premierminister sogar hin und wieder - und schießt sich schon jetzt auf Schatzkanzler Brown ein, Blairs wahrscheinlichen Nachfolger. Der 56-Jährige betreibe eine altbackene Politik. Der Schotte - so spottet David Cameron, wo er nur kann - Gordon Brown sei eine "Straßensperre für Reformen".