Konsum und Kultur

Ein Besuch auf dem Polenmarkt Hohenwutzen

43:47 Minuten
Verkaufsstände auf dem Polenmarkt Hohenwutzen
Auf dem Polenmarkt gibt es über 700 Stände, Gastronomie und Dienstleistungsanbieter © Tanja Krüger
Von Johanna Rubinroth · 15.04.2020
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Von der polnischen Wurst bis zum chinesischen Klodeckel – auf dem Polenmarkt Hohenwutzen findet man fast alles. Zehntausende Deutsche strömen wöchentlich hierher. Es wird gegessen, gebummelt, geshoppt – und das Hauptsache billig. Doch Möglichkeiten zum Austausch gibt es auch.
Drei Mal täglich fährt ein Shuttle-Bus von Marzahn zum Polenmarkt, der eigentlich zum polnischen Ort Osinów Dolny, Niederwutzen, gehört – aber das nimmt hier keiner so genau. Samstags ist der Andrang so groß, dass Zusatzbusse eingesetzt werden. Viele Deutsche kommen aber auch mit dem eigenen PKW oder gleich mit dem Wohnmobil über die Grenze.
In den Verkaufsgassen auf dem Polenmarkt Hohenwutzen finden sich Namen von Berliner Straßen
In den Verkaufsgassen auf dem Polenmarkt Hohenwutzen finden sich Namen von Berliner Straßen © Deutschlandradio / Tanya Krüger
Auf dem Gelände einer alten Zellstoff- und Papierfabrik, das laut Nicolas Gesch, dem Geschäftsführer, circa 50 Fußballfelder groß ist, erfüllen polnische Händler die Wünsche der deutschen Kunden. Es gibt eine Tankstelle, bei der es sich günstig tanken lässt, Verkaufshallen und Außenbereiche mit über 700 Ständen, Gastronomie und Dienstleistungsanbieter. Am Rande des Geländes befinden sich eine Minigolfanlage und ein Campingplatz. Ein Schießplatz ist noch geplant und eine Shoppingmall. "Erlebnismarkt ist die Vision", sagt Geschäftsführer Gesch.
Campen zwischen Markt und Oder
Direkt neben dem Fabrikgelände fließt die Oder. Hier haben sich einige Leute mit ihren Wohnmobilen niedergelassen. Sie genießen die Ruhe, das Bier fließt in Strömen, es wird geangelt – und wenn nichts gefangen wird, kauft man sich eben seinen Fisch auf dem Markt.
Herr Tomek steht jeden Tag von neun bis 17 Uhr an seinem Stand, sieben Tage die Woche, seit zehn Jahren. Er verkauft Hundekörbe, die auch individuell nach den Wünschen der Kunden angefertigt werden können. Die meisten Kunden erwarten von ihm, dass er sie versteht und auch auf deutsch antwortet. Selten fragt mal jemand nach, bevor er oder sie zu sprechen anfängt. Anders als in Deutschland ist es hier durchaus üblich, dass gehandelt wird. Während manche Besucher mit dem Feilschen fremdeln, begreifen andere es als Herausforderung und Spaß.
Der Reiz des Halblegalen
Aufgrund der Lage des Marktes, direkt an der Grenze auf polnischem Boden, gilt hier polnisches Recht. Das zeigt sich deutlich im Angebot der Waren: So kann man hier neben Waffen, gefälschten Markenartikeln, "Polenböllern" für die Silvester-Nacht auch Briefmarken mit Hitlers Konterfei kaufen. Geschäftsführer Gesch sieht darin nichts Verwerfliches: "Das ist halt jedem überlassen und immer Geschmackssache." Hundewelpen, die hier vor ein paar Jahren noch angeboten wurden, sind allerdings inzwischen verboten - das Tierwohl spielte hier vorher keine Rolle.
Während die Männer tanken und Zigaretten kaufen, lassen sich die Ehefrauen frisieren und die Nägel machen. Hier erzählen sie dann von ihren Enkeln oder Haustieren – Politik spiele hier keine Rolle. Oft würden sich die deutschen Frauen für knallige Farben entscheiden. Von Neon-Pink bis Mintgrün sei alles dabei, erzählt die Nagelstylistin im Salon "Valentino". "Bei uns sind nur die Kinder so bunt", ergänzt die Friseurin etwas verwundert.
Kurioses Sortiment an billigen Plastikfiguren auf dem Polenmarkt Hohenwutzen.
Der Polenmarkt Hohenwutzen bietet ein kurioses Sortiment© Deutschlandradio / Tanya Krüger
Adam Gusowsky, Mitglied im "Club der polnischen Versager" in Berlin, erklärt sich dieses Phänomen so: "Polenmärkte sind eine absolute Ausnahmesituation. Das sind so besondere Orte wie zoologische oder botanische Gärten, wo man einfach nur staunt."
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