Dienstag, 19. März 2024

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Konsum- und Wegwerfgesellschaft
"Man muss Bequemlichkeit und Komfort aufgeben"

Black Friday und die Vorweihnachtszeit verführen zum Konsumrausch. Neues wird gekauft, Altes landet auf dem Müll. Das Bewusstsein dafür sei da, aber um von einer Wegwerfgesellschaft wegzukommen, müssten Konsumenten ihr Verhalten ändern, sagte der Historiker Wolfgang König im Dlf.

Wolfgang König im Gespräch mit Kathrin Hondl | 24.11.2019
Einkaufende auf der Schildergasse in Köln
"Je mehr gekauft wird, desto mehr wird weggeschmissen", sagte Historiker Wolfgang König im Dlf (dpa / Henning Kaiser)
Kaufen, kaufen, kaufen - so lautet die Devise am Black Friday, dem großen Einkaufstag zum Beginn des Weihnachtsgeschäfts. Und wo viel gekauft wird, gibt es auch viel Müll. Das unterstreichen Zahlen des Umweltbundesamtes. In Deutschland ist die Menge an Verpackungsmüll 2017 auf ein Rekordhoch gestiegen: 107 Kilogramm Müllmenge pro Kopf waren es bei den privaten Wegwerfern - insgesamt sogar fast 230 Kilogramm Müll pro Person.
Trotz gelobter Plastikvermeidung und Pappbecher-Bashing lebt Deutschland weiter in einer Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Zur Geschichte dieses Phänomens hat Technikhistoriker Wolfgang König ein Buch veröffentlicht. "Je mehr gekauft wird, desto mehr wird weggeschmissen", sagte König im Dlf. "Und am schlimmsten ist es an Tagen, wo geschenkt wird. Da kriegt man Dinge, die man sich vielleicht nicht unbedingt gewünscht hat. Da fällt das Wegwerfen vermutlich noch leichter."
Erste Wegwerfprodukte: Hygieneartikel und Pappbecher
Bei der Forschung zu seinem Buch habe ihn überrascht, dass viele der Wegwerfprodukte schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt worden seien - wie zum Beispiel Pappbecher. "Dass die eine weite Verbreitung gefunden haben, ist ein Phänomen der Nachkriegszeit, also der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das hat was mit dem Wohlstand und der entwickelten Konsum- oder Überflussgesellschaft zu tun."
Zu den ersten Wegwerfartikeln zählten auch Hygieneartikel - wie Toilettenpapier. "Toilettenpapier ist natürlich viel angenehmer zu benutzen, als wenn ich Zeitungspapier zerreiße, wie es früher üblich gewesen ist." Konsumenten und Produzenten hätten zusammengewirkt, dass diese Wegwerfgesellschaft überhaupt entstanden sei. "Der Industrie ging es um eine Erhöhung der Umsätze. Den Konsumenten ging es um ein bequemes Leben", erklärte der Historiker.
Bewusstseinswandel versus Tätigkeitswandel
Deutschland sieht sich mittlerweile als Recycling-Weltmeister und setzt sich mit diesen Themen auseinander. Es finde schon ein Wandel statt, so König. Bisher sei es aber noch ein Bewusstseinswandel und kein Tätigkeitswandel. "Alle sprechen sich für Mülltrennung aus, aber viele trennen den Müll nicht, oder nicht in der nötigen Sorgfalt. Das haben wir im ganzen Ökologiebereich."
Der beste Weg sei es, Abfall zu vermeiden. "Er soll erst gar nicht entstehen, indem man weniger konsumiert, weniger Verpackung und so fort. Das Zweitbeste ist das Recyceln. Und darüber hinaus kann man thermisch verwerten, also verbrennen und deponieren."
Zudem wäre es gut, wenn Dinge länger genutzt werden. "Wenn sie aufgehoben werden, damit sie mal wieder wichtig werden. Oder dass man sich sehr gute Kleidung kauft und wenn die zerschlissen ist, trägt man sie nur noch zu Hause. Wenn sie weiter zerschlissen ist, macht man daraus Putzlappen."
Man müsse Bequemlichkeit und Komfort aufgeben, wenn man von der Wegwerfgesellschaft wegkommen wolle. "Das müssen keine großen Verluste sein, aber es sind Verhaltensänderungen."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.