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Kontrollierte Echsensprünge

Mithilfe ihrer mathematischen Modelle bewiesen Forscher aus Berkeley, dass Eidechsen ihren Schwanz effektiv zur Kontrolle eines Sprunges nutzen. Die Technik hat einen prominenten Ur-Vater: den Velociraptor.

Von Michael Stang | 05.01.2012
    Siedleragamen leben vor allem im südlichen Afrika in felsigen Gegenden. Diese Eidechsen faszinieren Forscher nicht nur durch einen ausgeprägten Farbwechsel, an dem man die Stimmungslage der Tiere ablesen kann, sondern sie können auch exzellent springen. Besonders hinderlich scheint ihr langer Schwanz nicht zu sein, dachte sich Robert Full von der Universität von Kalifornien in Berkeley. Bei ersten Beobachtungen sah der Bioingenieur, dass die Tiere ihren Schwanz beim Sprung immer nach oben klappen. Die Frage war nur: Machen sie das lediglich, damit sie beim Landen nicht auf selbigem landen oder nutzen sie auch während eines Sprungs den Schwanz als eine Art Steuerruder?

    "Im Labor mussten die Eidechsen von einer Plattform in Richtung einer Wand springen und sich dort festkrallen. Dabei haben wir die Plattform beim Absprung immer ein wenig verändert, sodass es rutschig war und der Sprung vorerst unkontrolliert aussah. Die Bewegung des Schwanzes haben wir dann auf Video aufgenommen."

    Doch die Videoaufnahmen und die Berechnungen der Schwanzhaltung allein reichten nicht aus, um das Geheimnis des Echsensprungs zu lüften.

    "Um den Eidechsensprung wirklich zu verstehen, haben wir zusätzlich ein mathematisches Modell entwickelt. Außerdem haben wir das in der Praxis mit einem Roboter ausprobiert, den wir Schwanzbot getauft haben. Das war ein kleiner Wagen mit einem Schwanz, der lose nach unten hing, wie eine Deichsel. Wir ließen den Roboter eine Sprungschanze runterfahren und schauten, was danach passierte. Wie zu erwarten sank der Wagen beim Sprung sofort mit der Schnauze nach unten und zerbrach."
    Beim zweiten Versuch steuerten Robert Full und seinen Kollegen den Roboterschwanz, sodass dieser nach oben klappte, sobald der Wagen die Sprungschanze verließ. Das Ergebnis: Der Sprung war wesentlich stabiler und das Gefährt landete mit erhobener Schnauze. Roboter springen also kontrollierter, wenn sie über einen steuerbaren Schwanz verfügen. Die Berechnungen zeigten anschließend, dass sich die Eidechsen im Prinzip genauso verhalten. Zusätzlich können sie auch während des Sprungs die Lage des Schwanzes variieren und die Sprungrichtung somit korrigieren.

    "Nachdem wir dieses gute mathematische Modell entwickelt hatten, wollten wir wissen, wer diese Vermutung zuerst geäußert hatte. Dabei stießen wir auf den Paläontologen John Ostrom. Dieser hatte schon 1969 vermutet, dass der zweibeinige Dinosaurier Velociraptor seinen Schwanz als dynamischen Stabilisator benutzt hatte. Nachdem wir die anatomischen Daten dieses Sauriers in unser Modell eingegeben hatten sahen wir, dass Velociraptor seinen Schwanz damals tatsächlich derart nutze, sogar noch effektiver als unsere heute lebenden Eidechsen."

    Nachdem Robert Full und seine Kollegen diese mehr als 40 Jahre alte Theorie zu den kontrollierten Sprüngen von Velociraptor beweisen konnten, schauten sie sich spaßeshalber gemeinsam im Institut den Film Jurassic Park an. Darin gibt es eine Szene, in der dieser Dinosaurier von einem Balkon auf ein T-Rex-Skelett springt.

    Zu ihrer Überraschung hätten die Filmschaffenden zufällig die wissenschaftlich richtige Fortbewegung gewählt; der Schwanz von Velociraptor ging beim Sprung nach oben.