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Kontrollierte Fäkaltherapie

Clostridium difficile ist ein gefürchteter Krankenhauskeim, der chronischen Durchfall hervorruft. Wenn in schlimmen Fällen alle Antibiotika versagen, bleibt den Ärzten als letztes Mittel eine Fäkaltransplantation: Der Stuhl eines gesunden Spenders wird in den kranken Darm eingebracht, in der Hoffnung, dadurch die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Kanadische Forscher wollen diese Therapieform nun standardisieren. Sie erzeugen künstlichen Stuhl, der eine definierte Zusammensetzung von Darmbakterien enthält.

Von Lucian Haas | 16.01.2013
    Das Labor von Emma Allen-Vercoe an der Universität von Guelph in Kanada ist ein etwas gewöhnungsbedürftiger Ort. Ständig liegen dort unangenehme Darmgerüche in der Luft. Sie stammen aus dem sogenannten Robogut. Das Gerät aus diversen Glaskolben, Stahlrohren, Heizelementen, Sensoren und Ventilen simuliert einen menschlichen Darm. Im Robogut züchtet die Mikrobiologin Bakterienkulturen, die sie zuvor aus Stuhlproben von Probanden isoliert hat.

    "Jeder, der in mein Labor kommt, sollte Humor und einen nicht besonders guten Geruchssinn besitzen. Ich erzähle meinen Studenten, dass die Gerüche, die aus dem Robogut kommen, tatsächlich von den Mikroben stammen. Das macht es psychologisch irgendwie erträglicher."

    Dabei können die Erzeuger solcher Gerüche sogar lebensrettend sein. Wenn beispielsweise eine Infektion mit dem Bakterium Clostridium difficile eine gefährliche Darmentzündung mit chronischem Durchfall auslöst. In manchen Fällen helfen dann nicht einmal mehr Antibiotika, den Keim in den Griff zu bekommen. Allerdings werden in solchen Fällen immer wieder gute Ergebnisse mit einer ungewöhnlichen Therapie erzielt: der Fäkaltransplantation. Dabei wird die frische Stuhlprobe eines gesunden Spenders mit einer Salzlösung verdünnt und in den Darm eines Patienten geleitet. Die auf diese Weise übertragene, gesunde Mikrobenflora verdrängt die krankmachenden Keime. Allerdings birgt dieses Verfahren neue Risiken.

    "Der Spender wird normalerweise daraufhin getestet, ob er mit dem Stuhl verschiedenste Krankheitskeime übertragen könnte. Aber im Stuhl kommen so viele unterschiedliche Bakterienarten vor, dass wir gar nicht alle erkennen. Es könnte sogar Pathogene geben, die wir bisher noch nicht einmal beschrieben haben. Da sind also viele Unbekannte im Spiel."

    Emma Allen-Vercoe arbeitet daran, die Fäkaltransplantation zu einer sicheren und standardisierten Therapieform für Darmkrankheiten zu machen - mit Hilfe von synthetischem Stuhl aus dem Robogut. Dafür kultiviert sie verschiedenste Darmbakterien erst einmal in Reinform. Anschließend führt sie diese zusammen und erzeugt so einen definierten, künstlichen Mikrobenmix. Derzeit sind darin 33 Bakterienarten enthalten. Es sind all jene Exemplare, die die Forscherin aus der Stuhlprobe einer gesunden Spenderin isolieren und kontrolliert im Labor vermehren konnte.
    "Wenn wir wissen, welche Darmbakterien wir dem Patienten übertragen, dann haben wir auch die Möglichkeit, sie wieder zu entfernen, etwa mit spezifischen Antibiotika. Wir stellen sicher, dass alle Bakterienarten in unserem künstlichen Stuhlmix auf bestimmte Antibiotika ansprechen, die wir als Sicherheitsnetz nutzen könnten, sollten irgendwelche Probleme auftreten."

    Bei den kürzlich präsentierten, ersten klinischen Versuchen mit dem künstlichen Stuhl gab es allerdings keine Probleme. Im Gegenteil: Zwei Patienten mit chronischer Clostridium difficile Infektion, die das Fäkalkeim-Präparat in ihren Darm transplantiert bekamen, waren schon nach wenigen Tagen geheilt. Auch in den folgenden sechs Monaten erlebten sie keinen Rückfall mehr. Solche Erfolge wecken Hoffnungen unter den Forschern, diese Therapieform in Zukunft vielleicht auch auf weitere entzündliche Darmkrankheiten wie etwa Colitis ulcerosa übertragen zu können.

    "Noch können wir nicht sagen, ob der Bakterienmix, den wir jetzt haben, eine auf alles passende Strategie darstellt. Oder ob wir davon ausgehen sollten, wahrscheinlich noch andere Mikrobengemeinschaften finden zu müssen, um andere Krankheiten zu behandeln."

    Emma Allen-Vercoe will nun erst einmal in einer Reihe von Tierversuchen klären, wie eine Fäkaltransplantation dazu beiträgt, eine gestörte natürliche Darmflora wieder aufzubauen. Ohne die standardisierten Stuhlproben aus dem Robogut wären solche systematischen Experimente gar nicht möglich.