Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Konversionstherapie
Wie Homosexuelle in den USA umgepolt werden sollen

In kaum einem Land haben Homosexuelle so viele Rechte und Freiheiten wie in den USA. Dennoch gibt es immer noch konservative Regionen, in denen Homosexuelle mithilfe fragwürdiger Methoden wie Elektroschocks "umgepolt" werden sollen. Geschätzte 700.000 Menschen haben in den USA eine sogenannte Konversionstherapie mitgemacht.

Von Claudia Sarre | 08.04.2019
Demonstranten in Los Angeles setzen sich für die Rechte von Homosexuellen ein. Sie tragen Plakate mit Aufschriften wie "Trump liebt den Hass".
Homosexuelle haben in den USA zwar viele Rechte, für viele Evangelikale ist Homosexualität aber eine Sünde (AFP / Robyn Beck)
Adam Trimmer ist heute 29. Er wuchs in der Gegend von Richmond im US-Bundesstaat Virginia auf, dem streng religiösen "Bible Belt" – dem Bibelgürtel – der USA.
"Ich war ein perfekter, super-christlicher Mann. Aber in mir drin war ich verängstigt und gebrochen. Ich habe mich jede Nacht in den Schlaf geweint und gebetet: Lieber Gott, bitte mach mich anders."
Als Adam 17 war – berichtet eine CBS-Fernsehreportage – wandte er sich an seine Mutter und gestand: Ich bin schwul. Mutter Pauline reagierte zutiefst schockiert.
"Er sagte, ich weiß, dass ich schwul bin. Mir liefen Tränen übers Gesicht. Ich sagte zu ihm: Adam, ein Mann sollte nicht mit einem anderen Mann zusammen sein. Er fing an zu weinen, aber ich wollte, dass er weiß, dass es so in der Bibel steht."
Viele Kinder und Jugendliche betroffen
Nachdem Adam Trimmer einen Selbstmordversuch unternommen hatte, schlug ein Pastor seiner Gemeinde eine Konversionstherapie vor. Eine Behandlung, die davon ausgeht, dass Homosexualität eine Störung ist, die man therapieren kann.
Geschätzte 700.000 Menschen in den USA haben sich einer solchen grausamen Behandlung unterzogen. Rund die Hälfte davon als Kinder oder Jugendliche. Kinder fürchteten sich davor, anders zu sein als die anderen, erklärt Pastor Stan Mitchell, der sich mittlerweile – wie viele andere - vehement gegen diese umstrittenen Therapieformen einsetzt.
"Diese Kinder haben Angst, durch unendliche Folter gehen zu müssen. Nur wegen ihrer natürlichen Neigung. Wenn man sie fragt, wollt ihr schwul sein, stellt man sie im Prinzip vor die Frage: Wollt ihr durch die Hölle gehen?"
Kostenpflichtige Konversionstherapien verboten
Viele Evangelikale, fügt Stan Mitchell hinzu, glaubten immer noch daran, dass Homosexualität eine Sünde sei, die man wieder "aberziehen" könnte. Zum Beispiel mittels Gesprächstherapien, Umerziehungscamps, oder Kursen, in denen man lernen soll, sich "nicht-schwul" zu verhalten. Aber es gibt noch weit fragwürdigere Methoden: Aversionstherapien, mit bewusst herbeigeführtem Erbrechen oder Elektroschocks, während derer sich die Teilnehmer homosexuelle Pornos ansehen müssen. In vielen US-Staaten gibt es inzwischen Gesetze, die derartige kostenpflichtige Konversionstherapien verbieten. Häufig jedoch bieten streng religiöse Einrichtungen Behandlungen an, die kostenlos und daher nicht illegal sind.
Adam Trimmers Geschichte - erzählt der Fernsehbericht auf CBS – ist glimpflich ausgegangen. Er hat die Therapie damals abgebrochen, seinen Heimatort verlassen und kann heute seine Homosexualität offen leben.
"Heute haben meine Mutter und ich wieder eine gute Beziehung. Die Konversionstherapie hätte sie fast zerstört. Es war sehr kraftvoll, wieder mit ihr in Kontakt zu treten."