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Konzernatlas 2017
Großkonzerne bestimmen den Markt

Bilder von Verpackungen im Supermarkt zeigen oft ein idyllisches Bild von glücklichen Kühen oder malerischen Bauernhöfen. Doch der Lebensmittelmarkt wird immer stärker von wenigen Großkonzernen dominiert. Wie stark, darüber berichten Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in ihrem sogenannten "Konzernatlas".

Von Anja Nehls | 10.01.2017
    Milchprodukte in einem Supermarkt.
    Viele Produkte, wenige Konzerne: Bei vielen Labels stecken die gleichen Konzerne dahinter. (imago / Jochen Tack)
    Fast weltweit prägen unter anderem Lidl, Aldi und Mc Donalds das Stadtbild. In den Regalen so gut wie aller Supermärkte finden sich die Produkte von Nestle oder Unilever, sagt Barbara Unmüßig von der Heinrich Böll Stiftung:
    "Uns wird vorgegaukelt, als gäbe es 20 Angebote für Joghurt, de facto ist aber überall das gleiche drin. Und auch wenn die Labels verschieden aussehen, sind meistens die gleichen Konzerne dahinter."
    Massiver Erzeugerpreisdruck
    Nur noch ganz wenige Unternehmen haben das Sagen im weltweiten Handel und bei der Erzeugung von Lebensmitteln. Mit dem Konzernatlas 2017 zeigen unter anderem die Heinrich-Böll und die Rosa-Luxemburg-Stiftung und der BUND die Konzentration in der weltweiten Lebensmittelindustrie und welche Folgen das für die Verbraucher hat. Hubert Weiger vom BUND:
    "Und das ist nur scheinbar im Interesse des Konsumenten, weil er billigere Lebensmittel bekommt, es führt vor allem zu einem massiven Erzeugerpreisdruck. Wir entfernen uns zunehmend in der Landwirtschaft von der Produktion von Lebensmitteln hin zu Rohstoffen, weil der größte Teil der Wertschöpfung dann im Verarbeitungssektor stattfindet."
    Während die Bauern früher 16 Prozent von Erzeugerpreis bekamen, sind es heute nur noch 6 Prozent. Den größten Anteil am Gewinn machen die Konzerne und Supermärkte und die vergrößern stetig ihren Einfluss. Im globalen Süden kaufen sie z.B. riesige Flächen auf und bestimmen, was dort produziert wird. Dort und auch bei uns sterben die kleinen Höfe und es entwickeln sich Monokulturen. In Deutschland decken vier Supermarktketten 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels ab, und üben Druck auf die Erzeuger aus. Der Zusammenschluss von Kaisers und Tengelmann verschärft die Situation zusätzlich. Lediglich vier Großkonzerne kontrollieren rund 70 Prozent des Welthandels mit Agrarrohstoffen. Aus dem Zusammenschluss von Bayer und Monsanto entsteht der weltweit größte Saatgut- und Pestizidkonzern, auch das mit Folgen für die Erzeuger, sagt Dagmar Enkelmann von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
    "Das heißt, sie haben zu billigen Preisen den Bauern das Saatgut angeboten und als es dann darum ging, nachzuliefern, neues Saatgut zu liefern, waren die Bauern in dieser Abhängigkeit von den Unternehmen und durch die Zusammenschmelzung mit Monsanto hat die Frage von Gentechnik und gentechnisch verändertem Saatgut inzwischen eine völlig andere Dimension bekommen und die Produzenten selbst haben kaum noch Einfluss auf das Saatgut, was sie tatsächlich verwenden."
    Dabei haben gerade die Verbraucher in den westlichen Industrieländern ein zunehmendes Interesse daran, genau zu erfahren, woher ihre Lebensmittel kommen, und wie und unter welchen Bedingungen für die Bauern sie produziert werden. Eine ähnliche Entwicklung wie in der Textilindustrie.
    Deutschland hat sich auf Druck der Verbraucher zur Gentechnikfreiheit bekannt. Ausgerechnet hier entsteht jetzt durch den Zusammenschluss von Bayer und Monsanto einer der weltweit wichtigsten Lieferanten für gentechnisch verändertes Saatgut – und wird dann auch Druck auf die Politik ausüben, vermutet Hubert Weiger vom BUND:
    "Es wird dann thematisiert werden, ja wenn wir nicht endlich gentechnisch verändertes Saatgut in Deutschland auch anwenden, riskieren wir den Verlust von 5-10.000 Arbeitsplätzen und dann geht wahrscheinlich fast jede Politik in Deutschland in die Knie und das ist dann das Ergebnis einer solchen Konzentration."
    Verbraucher könnten mehr Druck ausüben
    Gefordert werden also Regularien und Gesetze, die die Entstehung von riesigen Global Playern verhindern. Angesprochen sind die Bundesregierung die EU, aber auch die UN. Dem Verbraucher könnte außerdem ein Lebensmittellabel helfen, das nicht nur eine biologische oder faire Produktion vorgegaukelt, sagt Dagmar Enkelmann:
    "Wo ich tatsächlich auch den Nachweis erbringen kann, über die gesamte Kette, wie ist es produziert, ist es tatsächlich fair produziert, ist es tatsächlich bis zum Ende der Kette auch Öko, oder ist es nur ab einem bestimmten Abschnitt dieser Kette, das fordern die Verbraucher und das fordern wir auch."
    Denn letztlich könnte der Verbraucher natürlich noch viel mehr Druck ausüben. Allerdings kaufen bei uns erst 6 Prozent der Bevölkerung ökologisch ein, weil das natürlich wieder eine Preisfrage ist. Und das spielt wiederum den Großkonzernen in die Hände. Dabei heißt Marktwirtschaft eigentlich Vielfalt und wir erleben im Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie derzeit genau das Gegenteil.