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"Konzert für Orchester"- Premiere vor 75 Jahren
Béla Bartóks Tragik in Tönen

Geschrieben hat der Komponist Béla Bartók sein "Konzert für Orchester" unter schwierigsten Lebensumständen. Er war vor den Nazis in die USA geflüchtet und hatte Leukämie - zudem boykottierten viele Orchester seine Musik. Trotzdem zählt das Werk zu seinen versöhnlichsten und erfolgreichsten Kompositionen.

Von Wolfgang Schreiber | 01.12.2019
    Der ungarische Komponist und Pianist Bela Bartok, aufgenommen in New York am Klavier in einer undatierten Aufnahme. Bartok wurde am 25. März 1881 im rumänischen Nagyszentmiklos (Sinnicolau Mare) geboren und starb am 26. September 1945 in New York.
    Das "Konzert für Orchster" ist Bartóks letzte große Orchestermusik (picture alliance / dpa / epa MTI)
    Der Komponist Béla Bartók schrieb das "Konzert für Orchester", seine letzte große Orchestermusik, fern seiner ungarischen Heimat im amerikanischen Exil. Schon vor seiner Flucht vor dem europäischen Faschismus und dem Weltkrieg hatte er, von Krankheit und dem Boykott seiner Musik zermürbt, allen Grund zu tiefster Resignation.
    "Meine Komponistenlaufbahn ist so gut wie beendet. Die Verfemung meiner Werke durch die führenden Orchester hält unvermindert an, und weder ältere noch neuere Kompositionen werden aufgeführt. Es ist eine Schande, freilich nicht für mich."
    Zeugnis persönlichen Schicksals
    Eine Tragik in Tönen. Béla Bartóks "Konzert für Orchester", am 1. Dezember 1944 in Boston aus der Taufe gehoben, ist ein Zeugnis persönlichen Schicksals - und auch der Zeitgeschichte, entstanden aus menschlicher Not und politischer Angst. Und doch waltet in seiner Musik eine innere Klarheit, eine geordnete Kraft und Leidenschaft. Die zerrüttete Gesundheit – Klinikärzte verheimlichten ihm seine Leukämie -, die finanzielle Notlage und der Kampf um die künstlerische Integrität hatten Bartók in eine verzweifelte Lage geführt. Umso mehr erscheint die brillante Konzeption des "Konzerts für Orchester", etwa das tänzerische Spiel kontrastierender Instrumentenpaare, fast wie ein Wunder.
    Die Idee und Entstehung eines solchen "Konzerts für Orchester" war überhaupt erst möglich geworden, weil der Russe Sergej Kussewitzky, seit zwei Jahrzehnten Chefdirigent und Patriarch des Boston Symphony Orchestra, Bartók mit einem großzügigen Dollarbetrag den Kompositionsauftrag dazu erteilt hatte. Kussewitzky dirigierte die Uraufführung. Das Orchesterkonzert gleicht einer großen Symphonie, doch es sind die Instrumente der Klanggruppen, die hier konzertant, als Solisten, hervortreten. Die Entwicklung des fünfsätzigen Stücks hat Béla Bartók selbst in aller Kürze zusammengefasst.
    "Die Grundstimmung des Werks stellt einen stufenweisen Übergang vom Ernst des ersten und dem Klagelied des dritten zur Lebensbejahung des Finales dar."
    Werk zählt zu Bartóks erfolgreichsten Kompositionen
    Im Zentrum von Bartóks "Konzert für Orchester" steht tatsächlich eine herbe, sehnsuchtsvoll trauernde, ja erschütternde Elegie. Sie ist für Mariss Jansons, den aus Lettland stammenden, in Russland ausgebildeten Dirigenten, das Herz der Komposition.
    "Das ist ein wichtiger Moment, dort ist schon sehr viel Mysterisches, Gespenstermoment, so was ganz Unklares. Dann kommen wir zurück zu einer Positive und auch Humor und Groteske."
    Das "Konzert für Orchester" gehört, obwohl in einer schweren Lebenskrise entstanden, zu Béla Bartóks versöhnlichsten, erfolgreichsten Kompositionen. Er selbst nannte sein Exil einen "Sprung ins Ungewisse aus dem gewusst Unerträglichen", und das hatte sein Künstlertum nicht zerstören können. Der strahlende, auf ein ironisches Intermezzo folgende Presto-Finalsatz in dem Konzert für Orchester, ein Feuerwerk des unaufhörlichen Lebens, legt davon virtuos Zeugnis ab.