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"Konzertierte Aktion Pflege"
Bedingungen in der Pflege besser - aber nicht gut genug

Mehr Lohn, mehr Personal, mehr Auszubildende. Mit der "Konzertierten Aktion Pflege" hatte sich die Bundesregierung vor einem Jahr viel vorgenommen. Jetzt ziehen die Minister Franziska Giffey (SPD), Hubertus Heil (SPD) und Jens Spahn (CDU) eine Zwischenbilanz und kündigen neue Regeln an.

Von Volker Finthammer | 04.06.2019
Eine Pflegekraft (l) begleitet am 22.02.2013 die Bewohnerin eines Altenheims mit Rollator beim Gang über den Flur.
Arbeitsbelastung für Pflegekräfte in Thüringen gestiegen (picture alliance / Oliver Berg)
Wie es der Name schon verrät, sollte die "Konzertierte Aktion* Pflege" alle Akteure, die professionell mit der Pflege zu tun haben, zusammenbringen, um in einem gemeinsamen Kraftakt die Bedingungen in der stark unterbesetzen Branche so zu verbessern, dass man auf der einen Seite wieder mehr Menschen für die Beruf gewinnen und auf der anderen Seite auch Ideen und Konzepte finden kann, um die konkreten Anforderungen und Arbeitsbedingungen in der Branche zu verbessern.
Neue Pflegeausbildung
So haben sich die fünf Arbeitsgruppen der Initiative im zurückliegenden Jahr um konkrete Bereiche gekümmert: Ausbildung und Qualifizierung ist eine davon in der bereits vor einem halben Jahr Verbesserungen beschlossen wurden, die dazu führen sollen, dass die Aussbildungszahlen bis zum Jahr 2023 um mindestens zehn Prozent erhöht werden können.
"Wir werden ab den nächsten Jahr eine neue Pflegeausbildung bekommen, die überall in Deutschland dafür sorgt, dass es eben kein Schuldgeld mehr gibt, dass überall eine Ausbildungsvergütung gesichert wird - auch in einer Größenordnung, wo Menschen sagen können, ich kann mir das leisten, Pflegefachkraft zu werden. Und das ist eine ganz wesentliche Gelingensbedingung."
Sagt Familienministerien Franziska Giffey. Die beiden großen und in wesentlichen Teilen noch umstritten Regelungen fallen jedoch unter das Ressort von Arbeitsminister Hubertus Heil. Er will mit gesetzlichen Vorgaben zumindest für höhere Mindestlöhne in der Pflege sorgen, sofern sich die bislang weitgehen tariflose Branche nicht selbst auf höhere tarifliche Mindeststandards verständigen kann.
Höhere Mindestlöhne
"Wir werden in einem Gesetz, das in diesem Sommer im Bundeskabinett beraten und beschlossen werden soll, das auf der Arbeitsebene zwischen unseren Häusern auch abgestimmt ist, dafür sorgen, dass wir zwei Wege eröffnen. Das Eine ist die Allgemeinverbindlichkeit eines entsprechenden Tarifvertrages einfacher zu machen und der andere Weg, den wie gehen, ist, dafür zu sorgen, dass wir gleichzeitig den Weg zu differenzierten Lohnuntergrenzen."
Doch genau da muss die Bundesregierung mit dem Widerstand aus der privaten Pflegebranche rechnen. Deren Verbandspräsident - der frühere FDP Wirtschaftsminister Rainer Brüderle - lehnt mögliche Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für die Tarife in der Branche ab. Sollte die Bundesregierung dennoch auf einen flächendeckenden Tarifvertrag hinarbeiten, werde sein Verband juristische Schritte nicht scheuen, sagte Brüderle. Die privaten Pflegeverbände fordern ihrerseits eine leichtere Fachkräftezuwanderung aus dem außereuropäischen Ausland, um den stetig wachsenden Bedarf an Fach- und Hilfskräften decken zu können. Da werde es auch absehbar zu Erleichterungen kommen, betonte Gesundheitsminister Jens Spahn.
"Fachkräfte aus dem Ausland sind eine Ergänzung. Natürlich. Das befreit nicht davon, die Arbeitsbedingungen im Inland zu verbessern: Die Bemühungen um mehr Ausbildungsplätze und mehr Pflegkräfte hier zu verbessern. Aber gleichzeitig ist eben auch klar: egal ob es 50, 70 oder 80.000 Pflegekräfte sind, die wir morgen sozusagen einstellen könnten. Ganz ohne Fachkräfte aus dem Ausland wird das nicht zu leisten sein."
Bessere Bedingungen
Und zu all dem kommt ein weiterer Punkt hinzu für den man über kurz oder lang wird Antworten finden müssen: Bessere Bedingungen in der Pflege treiben auf der anderen Seite auch die Kosten in die Höhe. Der Beitrag zur Pflegeversicherung wurde erst zum Jahresanfang angehoben. Aber da es sich dabei nur um eine Teilversicherung handelt, fällt von jeder anstehenden Kostensteigerung ein Teil auf die Angehörigen zurück, die steigende Zuschüsse leisten müssen. Auch da will Sozialminster Hubertus Heil eine Schranke einziehen.
"Konkret werden wir dafür sorgen, dass unterhalb von 100.000 Euro im Jahr es diesen Unterhaltsrückgriff nicht mehr gibt."
Dies sieht der Koalitionsvertrag so vor und dadurch sollen die Angehörigen spürbar entlastet werden. Doch die Gegenfinanzierung dieser Beteiligungsschranke ist zwischen den Koalitionspartnern noch nicht geklärt. Zumindest nicht die Frage, ob das allein über einen steigenden Steuerzuschuss finanziert werden soll oder nicht doch zum Teil über höhere Beiträge in der Pflegeversicherung. Ohnehin gibt es keine Zweifel darüber, dass die Ausgaben für die Pflege in den kommenden zwei Jahrzehnten deutlich steigen werden.
* Ein sinnentstellender Tippfehler wurde korrigiert.