"Konzertierte Aktion Pflege"
Hilfeplan für jene, die helfen

Mehr Geld, mehr Ausbildungsplätze, mehr Anerkennung: Das wollen drei Bundesministerien für Menschen in Pflegeberufen erreichen. 2018 ging ein großes Projekt an den Start, nun wurde ein Zwischenbericht vorgelegt. Was sich getan hat und welche Ziele genau verfolgt werden - ein Überblick.

13.11.2020
    Eine Krankenpflegerin versorgt einen sterbenskranken Hospiz Bewohner, der im Bett liegt.
    Die Suche nach neuen Pflegekräften ist schwierig - der Beruf ist anstrengend, zeitaufwendig und nach wie vor nicht gut bezahlt (picture aliiance / dpa / Tobias Hase)
    Es wurde geklatscht, gejubelt und sogar auf Töpfe geschlagen - mit Beginn der Coronakrise wurden Menschen in Berufen wie Krankenschwester oder Altenpfleger quasi über Nacht zu Heldinnen und Helden. Finanziell merken die meisten Betroffenen aber nicht viel von ihrer Bedeutung für die Gesellschaft: 3.100 Euro brutto beträgt das Durchschnittsgehalt im Pflegebereich und das bei einer enormen Arbeitsbelastung. Auch um diese Diskrepanz zwischen Lohn und Relevanz zu ändern wurde schon im Juli 2018 die "Konzertierte Aktion Pflege" vorgestellt.
    Wer steckt hinter dem Vorhaben?
    Die "Konzertierte Aktion Pflege" ist ein gemeinsames Projekt des Bundesfamilienministeriums unter Franziska Giffey (SPD), des Bundesgesundheitsministeriums unter Jens Spahn (CDU) und des Bundesarbeitsministeriums unter Hubertus Heil (SPD).
    Zusammen mit den Ländern, der Bundesagentur für Arbeit, den Sozialpartnern, sowie verschiedenen Verbänden aus dem Bereich der Pflege wurden im Juli 2018 fünf Arbeitsgruppen eingerichtet, um konkrete Schritte für das Vorhaben zu formulieren. Dabei ging es unter anderem um die Ausbildung, den Arbeitsschutz, die Entlohnung, aber auch um den Aspekt der Digitalisierung und wie sie im Pflegebereich genutzt werden kann.
    Im Juni 2019 legten die Arbeitsgruppen ihre beschlossenen Vereinbarungen vor.
    Pflegekräfte: Ringen um bessere Arbeitsbedingungen und Löhne
    Anerkennung, Applaus und Aussicht auf einen steuerfreien Bonus: Die Arbeit von Pflegekräften wird in der Coronakrise hoch geschätzt. Aber der Weg zu besserer Bezahlung ist schwierig.
    Was sind die Ziele?
    Kurz gesagt: Mehr Pflegepersonal, mehr Ausbildungsplätze in der Pflege, mehr Geld für die Beschäftigten in diesem Bereich und weniger Bürokratie. Die Details:
    Geld
    Besonders in der Altenpflege sollen über Tarifverträge und Mindestlöhne die Entlohnungsbedingungen verbessert werden. Beim Pflegemindestlohn soll die Ost-West-Differenzierung aufgegeben werden. Um die höheren Löhne für Angestellte im Pflegebereich zu stemmen, soll die finanzielle Ausstattung der Pflegeversicherung verbessert werden. Pflegebedürftige sollen nicht durch höhere Eigenanteile finanziell überlastet werden.
    Ausbildung
    Bis 2023 soll die Zahl der Auszubildenden und der ausbildenden Einrichtungen bundesweit um jeweils zehn Prozent steigen. Zur Nachqualifizierung von Pflegehelferinnen und Pflegehelfern sollen mindestens 5.000 Weiterbildungsplätze eingerichtet werden. Mit einer großangelegte Informations- und Öffentlichkeitskampagne soll für Pflegeberufe geworben werden. Mit der "Ausbildungsoffensive Pflege" sollen Pflegeberufe attraktiver gemacht werden.
    Personal
    Für die Besetzung von Pflegeheimen und Krankenhäusern mit Pflegekräften sollen verbindlichere Regeln eingeführt werden. Für Pflegeheime sollte dafür bis Juni 2020 ein Personalbemessungsverfahren entwickelt und erprobt werden.
    Für Krankenhäuser soll ein eigenes Konzept für die Personalbemessung eingeführt werden. Die Gewinnung von Pflegefachkräften aus dem Ausland soll erleichtert werden, unter anderem über den Aufbau einer zentralen Servicestelle für die berufliche Anerkennung und die Entwicklung eines Gütesiegels für private Vermittler ausländischer Pflegekräfte.
    Um die Arbeitsbedingungen von Pflegenden zu verbessern wurden Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser dazu aufgefordert, verlässliche Dienstpläne sowie eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu schaffen.
    Digitalisierung
    Damit den Pflegerinnen und Pflegern mehr Zeit für ihren eigentlichen Beruf bleibt, soll der hohe Dokumentationsaufwand abgeschafft und am Ende komplett auf elektronische Datenverarbeitung umgestellt werden - beispielsweise durch elektronische Pflegeakten.
    Ambulante Pflegedienste sollen Leistungen der Pflegeversicherung ab 1. Oktober 2022 nur noch auf elektronischem Weg mit den Kassen abrechnen, ab 1. April 2023 soll dies auch für Leistungen der häuslichen Krankenpflege gelten.
    Zur Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen soll der Bereich der Telepflege weiter entwickelt werden. Zur Unterstützung der Arbeit des Pflegepersonals sollen spezielle robotische Systeme, intelligente Pflegewagen und Systeme zur Risikovermeidung eingesetzt werden.
    Was hat sich seit 2018 getan?
    Die zuständigen Bundesminister ziehen in ihrem Umsetzungsbericht im November 2020 ein positives Fazit: Es würden mehr Stellen in Heimen und Kliniken geschaffen, die Ausbildung verbessert und die Entlohnung erhöht. Es gebe eine bessere Refinanzierung der Pflege durch die  Krankenversicherungen, Personaluntergrenzen und die Personalbemessung sei das nächste Projekt. 
    Aber die Suche nach neuen Pflegekräften gestalte sich mühsam und schwierig. Von den 13.000 von Bundesgesundheitsminister Spahn organisierten zusätzlichen Stellen in der Altenpflege sind nach seinen Worten erst 3.600 besetzt: "Der Arbeitsmarkt ist leergefegt".
    Mitarbeiterinnen der Pflege in Schutzausrüstung betreuen einen Corona-Patienten auf der Intensivstation.
    Aktionsplan für die Pflege: Der gewünschte Umbruch bleibt aus
    13.000 zusätzliche Pflegekräfte als Sofortmaßnahme, höhere Gehälter und Mindestlöhne - das sollte der Aktionsplan von Bundesgesundheitsministerium, Familienministerin und Arbeitsminister bringen. Doch es hakt an vielen Stellen.
    Familienministerin Giffey bezeichnete die zum Januar inkraft getretene Reform der Pflegeausbildung, mit der das Schulgeld für Auszubildende abgeschafft wurde, als Erfolg. Es zeige sich ein positiver Trend bei den Ausbildungszahlen. Zudem sei mit inzwischen mehr als 30 neuen Studiengängen für angehende Pflegekräfte auch der Weg ins Studium erleichtert worden.
    Auf erste Schritte zu einer besseren Bezahlung wies Bundesarbeitsminister Heil hin: "Zu den ersten Erfolgen gehört, dass die Pflegelöhne bis April 2022 bundesweit einheitlich steigen." Ab Juli 2021 gebe es zudem erstmals einen Mindestlohn für Pflegefachkräfte von 15 Euro. Darüber hinaus werde die tarifliche Entlohnung gestärkt, der Entwurf für einen bundesweiten Tarifvertrag in der Altenpflege liege schon vor.
    Bei der Digitalisierung erhielten Pflegeeinrichtungen mehr finanzielle Unterstützung und die Pflegefachkräfte auch mehr Befugnisse, so die Minister. Zugleich gehe es darum, die elektronische Pflegeakte mit der elektronischen Patientenakte zusammenzulegen. 2021 soll über den weiteren Fortschritt der "Konzertierten Aktion Pflege" berichtet werden.
    Welche Probleme gibt es?
    Den erheblichen Personalbedarf in der Pflege gibt es schon lange: 40.000 Vollzeitstellen fehlten allein 2019. Mit den geplanten Bemessungsgrenzen für die Personalausstattung werden das rechnerisch deutlich mehr. Der Beruf ist anstrengend, zeitaufwendig und nach wie vor nicht gut bezahlt. Doch nicht nur fehlendes Geld, auch Personalmangel lässt Menschen an ihrem Job zweifeln und führt zu hohen Krankenständen, hohem Teilzeitanteil oder einer hohen Zahl an Kündigungen.
    Nicht zu vergessen: Die "Konzertiere Aktion Pflege" wurde deutlich vor der Coronakrise gestartet. Diese verschärft die Probleme, erklärte Bundesgesundheitsminister Spahn. "Diese Pandemie hat in der Pflege eine schwierige, oft unzureichende Lage noch weiter verstärkt. Sie ist ein Problem-Beschleuniger für die Pflege."
    Volker Finthammer
    Volker Finthammer: "Verbesserungen für die Pflege bleiben schwierige und langwierige Aufgabe" Die Lage in der Pflegebranche habe sich trotz einiger gesetzlicher Maßnahmen bislang nicht wirklich deutlich verbessert, erklärt Dlf-Hauptstadtkorrespondent Volker Finthammer.
    Zwischenzeitlich war Gesundheitsminister Spahn in Mexiko und auf den Philippinen, um dort Pflegekräfte an- und abzuwerben. Doch durch die Coronakrise ist das ins Stocken geraten.
    Auch Bemühungen, die Bezahlung zu verbessern, gestalten sich schwierig, so Dlf-Hauptstadtkorrespondent Volker Finthammer: "Zwar gibt es jetzt einen verbindlichen Mindestlohn für Pfleger und für Hilfskräfte, aber immer noch keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Pflegekräfte. Das liegt an der zersplitternden Branche und an der Weigerung der privaten Arbeitgeber."
    Frühestens Anfang des kommenden Jahres rechnet Arbeitsmister Hubertus Heil mit diesem Schritt.
    (Quelle: Volker Finthammer, Nastassja Shtrauchler, Olivia Gerstenberger, dpa, afp, epd, Bundesministerium für Gesundheit)