Freitag, 19. April 2024

Archiv

Konzertkritik Flying Colors
Größtenteils geschmackvoll

Die Band Flying Colors startete vor knapp zehn Jahren als Projekt von Ex-Dream Theater-Schlagzeuger Mike Portnoy. Die musikalischen Parameter sind vergleichsweise konservativ, dennoch flogen beim Kölner Konzert Funken. Eine Kritik.

Von Kai Löffler | 05.01.2020
    Ein Mann im roten Hemd steht auf einer Bühne und spielt Gitarre.
    Casey McPheason, Sänger und Gitarrist der Band Flying Colors beim Kölner Konzert 2019 (Deutschlandradio/ Kai Löffler)
    Der Kalender der Herren ist voll, daher ist das Konzert in Köln einer von nur vier Terminen in Europa. Vorband sind die holländischen Prog-Veteranen Dilemma, und die stehen vor einem ebensolchen als kurz vor dem Auftritt ihr Sänger ausfällt. Sein Ersatz, rund 30 Jahre jünger als der Rest der Band, ist stimmlich solide und gibt sich redlich Mühe, hatte aber offenbar keine Zeit, mit den anderen Musikern zu einer Band zu verwachsen und wirkt deshalb etwa so deplaziert wie Slayer auf einer Kaffeefahrt. Dafür passt die Musik, eine Mischung aus Marillion und Queensryche, stilistisch gut zum Headliner und das Publikum ist höflich.
    Musik: "Blue Ocean"
    Flying Colors hat dagegen ab dem ersten Ton des Openers "Blue Ocean" den Saal fest in der Hand. Der besteht vor allem aus Männern in den besten Jahren. Die Alters- und Geschlechterverteilung im Saal entspricht also grob der auf der Bühne. Am Schlagzeug sitzt Mike Portnoy, der seit seinem Ausstieg bei Dream Theater auf vielen musikalischen Hochzeiten tanzt, auf einigen davon mit Ex-Spock's Beard-Keyboarder und Sänger Neal Morse - so auch hier. Gitarre spielt Steve Morse, nicht mit Neal verwandt, seit den 70ern legendär für seine Gitarrentechnik und seit mehr als zwei Jahrzehnten bei Deep Purple. Ebenfalls technisch brilliant ist Bassist Dave LaRue, den Steve Morse aus seiner Band Dixie Dregs mitgebracht hat.
    Musik: "Forever in a Daze"
    Das wohl wichtigste Bandmitglied ist aber gleichzeitig das am wenigsten bekannte: Casey McPhearson, der charismatische Sänger des Pop-Rock Projekts Alpha Rev.
    Musik: "Kayla"
    Meist geschmackvoll serviert
    Etwas wirklich Neues ist die Musik nicht, die amerikanische All-Star Band verwendet vor allem vertraute Zutaten: Hardrock, Classic Rock, Pop und Prog-Elemente sind allerdings gekonnt aufbereitet und geschmackvoll serviert. Das Ganze ist auch größtenteils geschmackssicher, mit einem Ausrutscher: 2017 hat Hurricane Harvey das texanische Houston überflutet und Casey McPhearson selbst hat mitgeholfen, mit dem Boot Menschen aus dem Wasser zu ziehen. An dieser Rettungsaktion lässt er das Publikum jetzt teilhaben: seine Handy-Aufnahmen davon flimmern über die Leinwand, während McPhearson die Ballade "You Are Not Alone" schmettert.
    Musik: "You Are Not Alone"
    Das immer wiederkehrende Motiv des Abends ist aber nicht Wasser sondern Feuer - vielleicht ja weil die Band weiß wie wichtig in den dunklen Wintermonaten Licht ist. Auf der Leinwand sprühen mal Funken, mal brennt ein Feuerwerk ab, mal zieht ein Heißluftballon vorbei und bei einem Song scheint sogar im Saal die Sonne.
    Musik: "Cosmic Symphony"
    Viel Spontaneität hat dieser Abend, von den inspirierten Ansagen abgesehen, nicht zu bieten: Die Improvisation beschränkt sich auf ein paar Takte der Gitarrensoli, ansonsten klingen die Songs ziemlich exakt wie im Studio, mit Abstrichen beim etwas zu dumpfen Sound, der manchmal den Gesang schluckt.
    Dramaturgisch stimmig
    Ansonsten gibt es aber nichts am Konzert auszusetzen, ganz im Gegenteil. Die Setliste ist dramaturgisch stimmig, abwechslungsreich und vor allem angenehm lang. Die Musiker sind ebenso gut gelaunt wie das Publikum und die Präsentation der gediegenen Musik ist perfekt. Die fünf Mitglieder von Flying Colors stehen selten gemeinsam auf der Bühne, aber wenn sie sich für ein Konzert zusammenfinden, dann sind nicht nur vier Jahrzehnte Musikgeschichte würdig vertreten - es fliegen auch Funken.