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Koordination
Synchron wie ein Streichquartett

Psychologie. - Damit ein Streichquartett genau zusammenspielt, müssen die vier Musiker ihre Bewegungen synchronisieren. Spielt einer schneller oder langsamer, ist die Abweichung hörbar und er muss sein Tempo korrigieren. Das haben sich Forscher aus München und Birmingham zunutze gemacht, um zu untersuchen, wie mehrere Akteure sich am effektivsten aufeinander einstellen.

Von Magdalena Schmude | 23.05.2014
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    Die Koordination innerhalb einer Formation wie dem Kölner Asasello Quartett könnte bei der Koordination zwischen Mensch und Maschine helfen. ( Thomas Kujawinski / Deutschlandradio)
    Ein Ausschnitt aus Haydns Streichquartett Opus 74 Nummer 1 in C-Dur. Die 24 Takte sind in gleichmäßigen Achtel-Noten geschrieben. Alle vier Stimmen haben den gleichen Rhythmus. Für ein eingespieltes Quartett aus zwei Geigen, einer Bratsche und einem Cello keine große Herausforderung, doch für diese Aufnahmen sollten die Musiker das Stück spontan spielen, ohne sich vorher über das Tempo abzusprechen.
    "Wir haben die Musiker einfach gebeten, das Stück wieder und wieder und wieder zu spielen. Aber was wir eigentlich wollten, war eine bestimmte Art von Fehlern auszulösen. Die Musiker sollten Fehler in der Synchronisation machen, denn wir wollte wissen, wie sie diese Fehler korrigieren."
    Satoshi Endo, der am Institut für Informationstechnische Regelung der Technischen Universität München arbeitet, hat die Aufnahmen begleitet. Entstanden sind sie bei einem Musikfestival in England, bei dem die teilnehmenden Musiker sich auch bereiterklärt hatten, für die Wissenschaft zu spielen. Die Musikprofis wussten nicht, worum es bei den Versuchen ging. Trotzdem spielen sie von Anfang an fast synchron, Die Abweichungen liegen zwischen 20 und 50 Millisekunden. Nach wenigen Tönen sind keine Unterschiede mehr hörbar. Die Wissenschaftler zeichneten die verschiedenen Versionen des Stückes auf und berechneten anschließend für jeden einzelnen Ton den zeitlichen Versatz zwischen den Instrumenten.
    "Wir bekamen zwölf Datensätze für die Unterschiede im Timing der vier Musiker. Die erste Geige verglichen mit der zweiten Geige. Die erste Geige verglichen mit Bratsche und Cello. Das ist eine ziemlich komplexe Situation."
    Anhand der Unterschiede zwischen den einzelnen Instrumenten konnten die Forscher nachvollziehen, welcher Musiker sein Tempo wann wie stark verändert hatte. Sie konnten außerdem ableiten, welches Maß an Anpassung optimal ist, damit die Musiker möglichst schnell wieder synchron spielten. Die Ergebnisse übertrugen sie anschließend in ein mathematisches Modell, das die Anpassungsstrategie innerhalb der Gruppe mit einer Formel beschreibt. Diese Formel könnte auch in der Robotik genutzt werden; immer dann, wenn Mensch und Roboter synchron zusammenarbeiten sollen. Bisher passte sich in solchen Situationen der Mensch an den Roboter an, weil der sein Verhalten nicht aktiv synchronisieren kann.
    Endo: "Wenn man gemeinsam mit einem Roboter einen Tisch oder ein anderes großes Objekt anheben will, muss der Roboter das Timing verstehen. Denn die Koordination des Timings ist das Entscheidende bei solch einer Interaktion. Mithilfe des Modells können wir jetzt menschliche Timing-Strategien anwenden.
    Mithilfe der Formel können die Forscher simulieren, wie eine Gruppe sich am besten aufeinander einstellt. Dabei lässt sich berücksichtigen, wie viele Akteure an einer Interaktion teilnehmen, ob demokratisch gehandelt wird, dass heißt, jeder auf jeden reagiert, oder ob ein Mitglied der Gruppe das Tempo vorgibt. Am wichtigsten bleibt aber das richtige Maß der gegenseitigen Anpassung. Denn wenn jeder permanent auf Unterschiede im Timing reagiert, führt das auch nicht zum Ziel. Wenn zu viel korrigiert wird, hört sich Haydns Streichquartett so an: