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Kopfgesteuert

In einer alternden Gesellschaft könnten Roboter Dementen und Pflegebedürftigen ein selbstständigeres Leben ermöglichen. Eine zentrale Frage dabei: Woher weiß die Maschine, was der Mensch will? Wissenschaftler in Tokio arbeiten an einer Mensch-Maschine-Schnittstelle, die direkt am Gehirn ansetzt.

Von Thomas Reintjes | 31.01.2011
    Ein schönes Bild ist es nicht. Eine weiße Ratte, festgeschnallt in einem kleinen, aber dennoch grobschlächtigen Vehikel, eher ein Gestell mit kleinen Rädern, wie ein winziger rollbarer Tisch. Einige Akkus sind darauf erkennbar, an der Seite ein Keilriemen, der das Gefährt vorantreibt.

    Die Ratte könne das Wägelchen steuern, erklärt Osamu Fukayama von der Universität Tokio.Elektroden greifen die Steuersignale direkt im Gehirn der Ratte ab.

    Die Signale, die die hauchdünnen Sensoren wahrnehmen, sind elektrische Potenziale von Nervenzellen. Diese Nervenzellen bewegen die Extremitäten der Ratte . Osamu Fukayama hat die Ratte aber so in das Gefährt eingespannt, dass sie sich nicht selbst fortbewegen kann. Stattdessen senden die Elektroden im Gehirn der Ratte die Bewegungssignale weiter an einen Computer. Der erkennt daran, wohin sich das Tier bewegen möchte. Das elektrisch betriebene Wägelchen setzt sich darauf hin in Bewegung. Die Ratte scheint das Fahrzeug tatsächlich steuern zu können. Ob das tatsächlich so ist, wissen die Wissenschaftler aber noch nicht.

    Sie hätten die Ratte aus dem Gespann herausgenommen und neben das Gefährt gesetzt, sagt Osamu Fukayama. Die Kabel blieben dran. Als sich die Ratte somit frei bewegen konnte, bewegte sich das Vehikel nebendran synchron zur Ratte. Ein Anzeichen dafür, dass die Steuerung per Neuronen funktioniert.

    Wie sich Nervensignale in Bewegungen übersetzen lassen hat der Computer, der das Fahrzeug steuert, praktisch von selbst gelernt. Anfangs konnte die Ratte das Fahrzeug mit ihrer Muskelkraft ziehen. Eine Kamera blickte von oben auf das Versuchsfeld und zeichnete die Bewegungen auf, gleichzeitig registrierten die Elektroden, was sich in der motorischen Hirnrinde tat. Im Rechner liefen Bewegungsprofil und Neuro-Signale zusammen. Aus ihrer Verknüpfung entstand ein Rechenmodell, das Nervensignale in Bewegungen übersetzen kann. Mit acht Ratten haben die Forscher experimentiert, bei sechs von ihnen hat es funktioniert wie geplant.

    Im Moment arbeiten die Japaner daran, das System von Kabeln zu befreien, die Ratte, Fahrzeug und Computer zu verbinden..

    Und in ferner Zukunft solle die Technik dann für Rollstühle nutzbar sein, für körperlich behinderte Menschen. Bis dahin muss aber längst nicht nur das Problem mit den Kabeln gelöst sein. Die Elektroden müssten dauerhaft im Gehirn bleiben. Und das Aufzeichnen und Auswerten der Signale könnte besonders schwierig werden, weil ein gelähmter Mensch anders als die Versuchstiere seine Gliedmaßen nicht bewegen kann. Zudem ist es heikel, Elektroden ins Gehirn zu implantieren.

    Bei den Tieren hat Fukayama keine Ausfallerscheinungen festgestellt. Aber bevor Elektroden Menschen implantiert werden, müssten die Geräte und die Technik noch weniger invasiv werden, weniger Schaden anrichten. Bis Menschen einen Rollstuhl über eine Gehirn-Maschine-Schnittstelle steuern können, wird es laut den Forschern in Tokio noch Jahrzehnte dauern.

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