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Kopfsteuer für Unternehmen
Seattles Kampf gegen die Wohnungsnot

Künftig zahlen Unternehmen, die mehr als 20 Millionen Dollar im Jahr verdienen, pro Mitarbeiter 275 Dollar im Jahr an die Stadt Seattle. Die neue Kopfsteuer ist die höchste in den USA. Das trifft vor allem Amazon, den größten Arbeitgeber. Das Unternehmen hatte sich lange gegen die Besteuerung gewehrt.

Von Marcus Schuler | 15.05.2018
    Skyline von Seattle im Bundesstaat Washington im Nordwesten der USA
    Skyline von Seattle im Bundesstaat Washington im Nordwesten der USA (ARD / Wolfgang Stuflesser)
    Seit Tagen hatte es in Seattle Proteste gegeben. Die Wohnungsnot hat sich in der 700.000 Einwohner Stadt in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Vor allem Arbeiter-Familien, die zur klassischen Mittelschicht gehören, können sich Wohnraum in der Stadt kaum noch leisten. Es gibt rund 12.000 Obdachlose, Seattle belegt damit einen traurigen dritten Platz in den USA. Vor allem der größte Arbeitgeber der Stadt, Amazon, hatte sich bis zuletzt gegen die Kopfsteuer gestemmt, obwohl das Unternehmen Milliarden Gewinne macht.
    Einnahmen bis zu 49 Millionen Dollar
    Eigentlich wollte ein Teil des Stadtrats rund 500 Dollar pro Jahr pro Mitarbeiter eines Unternehmens erheben, das mehr als 20 Millionen Dollar verdient. Doch mit diesem Vorschlag konnte sich Stadträtin Kshamna Sawant nicht durchsetzen. Sie hält den jetzt ausgehandelten Kompromiss für zu Amazon-freundlich:
    "Die Bürgermeisterin hat heute klar gemacht, auf welcher Seite sie mit diesem Bezos-Durkin Deal steht."
    Gemeint sind damit Bürgermeisterin Jenny Durkan und Amazon Chef Jeff Bezos. Zwischen 45 und 49 Millionen Dollar pro Jahr will die Stadt mit der neuen Steuer nun einnehmen. Außer Seattle hat nur noch Denver im US-Bundesstaat Colorado eine ähnliche Steuer. Vor allem erschwinglicher Wohnraum soll geschaffen werden und die Obdachlosen, besser versorgt werden. Bürgermeisterin Jenny Durkan hat bereits angekündigt, das neue Gesetz unterschreiben zu wollen. Es soll zunächst für fünf Jahre gelten.
    "Neun Stadträte haben sich für die Vorlage ausgesprochen, weil sie glauben, das Gesetz ist gut für Seattle. Dem stimme ich zu."
    Stadträtin Lorena Gonzalez betont, ein Teil des Stadtrates habe sich nicht überzeugen lassen, einer Kopfsteuer von mehr als 275 Dollar zuzustimmen.
    Amazon, Starbucks, T-Mobile und andere
    Am stärksten von der neuen Regelung ist Amazon betroffen. Das Unternehmen scheint mit dem nun gefundenen Kompromiss halbwegs zufrieden zu sein. Ein Bauvorhaben für einen Büroturm in der Innenstadt, das man vor zwei Wochen aus Protest gestoppt hat, soll nun fortgesetzt werden, teilte Amazon Vize-Präsident Drew Herdener mit. Er betonte jedoch, die neue Steuer schade der örtlichen Wirtschaft. In einem anderen Bauprojekt will sich der Konzern erst noch entscheiden.
    Das Unternehmen sucht seit Herbst nach einem zweiten Firmensitz in Nordamerika. Der in Seattle gegründete Konzern hat sich vor allem in der Innenstadt stark ausgebreitet, es sind Tausende hoch bezahlte Jobs entstanden. Andere Unternehmen wie Starbucks, T-Mobile sowie die Kaufhauskette Nordstrom sind von der neuen Steuer ebenfalls betroffen.