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Koppelin: Am 7. Mai wussten wir von nichts

Beim Euro-Hawk-Projekt hätten schon die Sozialdemokraten nicht auf die Zulassung geachtet, sagt Jürgen Koppelin, FDP-Obmann im Bundestags-Haushaltsausschuss. Die Verträge seien falsch geschlossen worden. Wichtiger sei jetzt die Frage, wie man künftig solche Probleme verhindern könne.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Silvia Engels | 08.06.2013
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. (Deutscher Bundestag)
    Silvia Engels: Am Telefon ist nun Jürgen Koppelin, er ist der Obmann der FDP im Bundestags-Haushaltsausschuss, und er hat immer viel mit der Euro-Hawk-Finanzierung zu tun gehabt, hat auch am Mittwoch Herrn de Maizière zugehört. Guten Morgen, Herr Koppelin!

    Jürgen Koppelin: Ja, guten Morgen!

    Engels: Wie sich der Minister verteidigt hat, haben wir eben gehört: Er habe schon vorher von den Problemen des Eurohawk gehört, aber sie seien noch nicht als unlösbar eingestuft gewesen. Überzeugt Sie diese Verteidigung?

    Koppelin: Ja, so ganz ist Ihre Darstellung ja nicht, Sie haben ja eben den Minister selber gehört. Erst mal muss man Folgendes sagen: Die ganze Bestellung oder die Entwicklung der Drohnen ist ja aus der Zeit der rot-grünen Koalition entstanden. Herr Scharping hat sich damals als Verteidigungsminister für einen Weg entschieden, erst mal entwickeln zu lassen, um dann zu entscheiden, ob wir überhaupt anschaffen. Das ist ja – viele äußern sich, auch Frau Nahles, die dieses ganze System überhaupt nicht begriffen haben, es sind ja auch unglaublich viele Unterlagen. Und wenn Sie jetzt mal genau hingehört haben, auch bei Herrn de Maizière, das muss man ja mal deutlich machen, dann ist es so: Er ist gefragt worden, ob die Drohnen beschafft werden sollen, und da hat er gesagt, im Augenblick sieht er das nicht. Das haben wir aber öffentlich diskutiert, das heißt: Die Entwicklung ist die eine Sache, die Beschaffung ist die andere Sache. Und bei der Entwicklung, das muss man eben sagen, hat es Probleme gegeben bei der Zulassung. Weil in der Zeit der rot-grünen Koalition, als man den Auftrag gegeben hat, Entwicklung von Drohnen, nicht drauf geachtet hat, oder sich halt nicht hat vorstellen können, dass die Zulassung in Amerika eine völlig andere ist als die Zulassung in Deutschland.

    Engels: Dann bleiben wir doch mal aber jetzt bei dem, was bekannt war und was nicht bekannt war. Sie haben es gerade so dargestellt, als ob das jetzt nicht so überraschend gewesen sei, …

    Koppelin: Nein, überhaupt nicht, ist überhaupt nicht überraschend..

    Engels: … was am 7. Mai beim "Donaukurier" gesagt wurde. Hatten Sie die Information, wonach es eher nicht nach Anschaffung der Drohnen aussehe, um mal Herrn de Maizière zu zitieren, auch schon am 7. Mai als Haushälter?

    Koppelin: Noch mal, es gibt zwei Abschnitte: Es gibt einmal die Entwicklung, und da gibt es die Probleme bei der Zulassung. Und das andere ist dann, eine Entscheidung zu treffen, und die hatten wir ja noch nicht getroffen, schaffen wir dann diese Drohnen auch an, oder entwickeln wir in Europa weiter. All diese Dinge sind auch laufend mit anderen Fraktionen, auch mit den Verteidigern besprochen worden. Das ist überhaupt nichts Unbekanntes.

    Engels: Aber so konkret, dass möglicherweise die gesamte Anschaffung der Drohnen auf der Kippe stehe, hätten Sie diese Auskunft nicht gerne auch schon am 7. Mai gehabt?

    Koppelin: Nein, wir haben uns doch öffentlich dazu geäußert, da müssen Journalisten dann auch mal ein bisschen hinhören, wenn man sich äußert. Denn wir haben gesagt, bei der Anschaffung – auch als FDP, aber auch andere Fraktionen –, bei der Anschaffung von Drohnen wollen wir eine umfassende Diskussion haben zum Beispiel auch über Ethik. Es geht ja nicht nur um unbewaffnete Drohnen – in diesem Falle sind das unbewaffnete Drohnen –, es geht auch um das Thema bewaffnete Drohnen. Sie haben ja auch gemerkt, dass mal selbst in Amerika der Präsident Obama plötzlich anfängt, über das Thema Drohnen zu diskutieren, und da haben wir gesagt, wir müssen über das Thema Drohnen diskutieren, auch mit Blick auf Ethik.

    Engels: Jetzt stelle ich aber fest, dass Sie anfangen, ein wenig breit zu diskutieren. Wir sind hier doch bei einer sehr konkreten Geschichte, nämlich der Frage, …

    Koppelin: Ja, Sie haben mich dazu gefragt, da müssen Sie mich gezielter fragen.

    Engels: Dann frage ich Sie gerne gezielter: Wussten Sie am 7. Mai zum Zeitpunkt, als der Termin des Ministers beim "Donaukurier" war, im Haushaltsausschuss, dass die Drohnen so auf der Kippe stehen, dass das ganze Projekt – konkret Eurohawks – scheitert?

    Koppelin: Nein, das wussten wir nicht, und ich sage noch mal, wenn man richtig hinhört. Man muss dann auch schon mal richtig hinhören und nicht hier sein eigenes Ziel vor Augen haben, vielleicht diesen Minister anzugreifen. Dann hat er da von der Anschaffung gesprochen, er ist nach der Anschaffung gefragt worden, er ist nicht nach der Entwicklung gefragt worden. Da muss man schon ein bisschen unterscheiden, aber das können natürlich nur Leute, die sich intensiv damit beschäftigt haben. Frau Nahles und andere haben sich da anscheinend überhaupt nicht mit beschäftigt. Aber ich sage noch mal: Das Problem stammt aus der Zeit des Verteidigungsministers Rudolf Scharping – ich werfe ihm das nicht vor, aber da hat man sich bestimmte Dinge einfach nicht vorstellen können, unter anderem, dass diese Drohnen anscheinend in Deutschland so nicht zugelassen werden können, wie sie in Amerika zugelassen sind, und es kommen noch andere Dinge dazu, und das habe ich ja auch deutlich gemacht bei der Debatte am Mittwoch im Bundestag. Für den Haushälter: Sämtliche Vorlagen, die wir bekommen haben zum Thema Drohnen, kamen von Sozialdemokraten, die kamen aus dem Finanzministerium Steinbrück, das waren der Staatssekretär Dille, das war ein Staatssekretär Gatzer, die uns das zugeleitet haben. Da war vom Thema Zulassung in Deutschland überhaupt nicht die Rede. Und ich meine, das jetzt alles Herrn de Maizière in die Schuhe zu schieben, wo man selber als Sozialdemokraten versagt hat – ich komme da wieder auf Frau Nahles und andere zurück –, das finde ich schon ein starkes Stück.

    Die Opposition sorgt dafür, dass der Minister "persönlich Schaden nimmt"
    Engels: Na ja, aber immerhin seit dem Regierungswechsel zur schwarz-gelben Koalition führt immerhin ein Unionspolitiker das Verteidigungsministerium, auch wenn es dort auch einen Wechsel gab. Aber schauen wir darauf: Sie sind also an dem Punkt, dass Ihrer Ansicht nach de Maizière nicht gelogen habe, bleibt aber die Frage, haben Sie auch immer noch Fragen? Muss weiter hier de Maizière Antworten geben?

    Koppelin: Viel wichtiger als Fragen zu beantworten ist doch, wie so was zukünftig verhindert wird, denn alle Verteidigungsminister, ob sie nun Sozialdemokraten waren oder Christdemokraten waren, und das begann schon bei einem Verteidigungsminister Hans Apel vor über 30 Jahren, sind in solche Fallen getappt. Es hat immer wieder diese Probleme gegeben, und es muss endlich in diesem Verteidigungsministerium aufgeräumt werden, wie sind dort die Entscheidungsabläufe, da gibt es Vorschläge mit der Bundeswehrreform, das muss nur umgesetzt werden. Und der einzige Vorwurf, den ich Herrn de Maizière machen kann, ist, dass er das nicht entsprechend umgesetzt hat, noch nicht umgesetzt hat. Das darf einfach so in dieser Form nicht wieder vorkommen. Aber jeder Verteidigungsminister hat mit solchen Problemen zu tun gehabt, die Sozialdemokraten und andere sollten sich dran erinnern. Ich finde es nur so einfach, mal eben schnell zu sagen, ach, der muss zurücktreten, der hat gelogen, das lässt sich so einfach sagen. Das ist ein Riesenministerium, da gibt es viele Probleme, und jetzt sage ich mal etwas: Der Herr de Maizière ist ein hochanständiger Mann im menschlichen Umgang, auch mit der Opposition, immer gewesen, auch mit den Sozialdemokraten gerade. Ihn jetzt in dieser Weise anzugreifen, hat doch nur mit Wahlkampf was zu tun, aber …

    Engels: Herr de Maizière …

    Koppelin: … man nimmt … man sorgt auch dafür, dass ein Mensch vielleicht auch persönlich Schaden nimmt, und das finde ich unanständig.

    Engels: Herr de Maizière gilt allerdings, oder galt bislang auch immer als das Beispiel für einen sehr, sehr gut organisierten Minister. Sie selbst werfen ihm nun vor oder halten ihm vor, dass in der Tat es doch Versäumnisse auch unter seiner Regentschaft, was das Organisatorische angeht, gab, da müsse aufgeräumt werden. Inwieweit ist das doch eine Belastung des Wahlkampfes für Sie?

    Koppelin: Nein, überhaupt nicht. Er wird da sehr gut wieder bei rauskommen, denn er hat ja Konsequenzen gezogen, indem er einen Riesenkatalog aufgestellt hat, was sofort geändert werden muss. Wir haben zusätzlich etwas gemacht, im Haushaltsausschuss zusätzliche Beschlüsse gefasst. Sie müssen sich einfach mal vorstellen, das ist ja den Meisten überhaupt gar kein Begriff, dass man Verträge geschlossen hat bei Rot-Grün mit den Amerikanern, um es zu entwickeln, wo wir als Deutsche keinen Einblick in die Unterlagen, in die Dokumente dort haben bei denjenigen, die diese Drohne erstellen, das muss man sich mal vorstellen, dass da …

    Engels: Dann hätte man es ja früher stoppen können.

    Koppelin: Nein, kann man doch nicht, es gab doch Verträge, die man einhalten musste, die sind auch von Herrn Scharping und anderen geschlossen worden, die mussten sie doch einhalten, diese Verträge. Da liegt schon das Übel drin, dass diese Verträge falsch geschlossen wurden. Und wir haben jetzt im Haushaltsausschuss auf meinen Vorschlag hin beschlossen, dass wir keine Großprojekte mehr machen, auch nicht mit den Amerikanern, wenn wir nicht selber auch Einblick in Dokumente und Papiere bekommen, denn sonst laufen uns die Kosten auch davon, und dann haben wir wieder so einen Ärger.

    Engels: Das Euro-Hawk-Thema und die Rolle von Thomas de Maizière bleiben in der Diskussion. Wir sprachen mit Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Bundestags-Haushaltsausschuss. Vielen Dank für das Gespräch!

    Koppelin: Ja, bitte schön! Schönen Tag!

    Engels: Schönen Tag!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.