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Koppelin: De Maizière muss sich nicht verstecken

Am Scheitern des Rüstungsprojekts Euro Hawk trägt nicht Verteidigungsminister de Maizière Schuld, sagt der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin. Das Projekt sei von Rot-Grün und Schwarz-Rot in der Vergangenheit begleitet worden. Er sieht außerdem das Unternehmen EADS in der Verantwortung.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Peter Kapern | 21.05.2013
    Jürgen Koppelin ist Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages
    Jürgen Koppelin ist Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages (Deutscher Bundestag)
    Peter Kapern: Das nächste Problem hat eine linguistische und eine monetäre Komponente. Heiße das Ding Euro Hawk oder Euro [gespr.: juro] Hawk? Das ist das linguistische Problem, das aber fast nur Radiomoderatoren beschäftigen dürfte. Das andere Problem aber ist von allgemeinem Interesse: Wie viele Euros oder Euros [juros] wurden eigentlich versenkt, als dieses unbemannte Fluggerät entwickelt wurde, von dem seit Jahren klar war, dass es nie eine Flugzulassung bekommen würde? Und wer hält dafür nun den Kopf hin? Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin wirft Verteidigungsminister de Maizière im Zusammenhang mit dem Drohnendebakel nun einen Rechtsbruch vor.
    Bei uns am Telefon ist nun der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin. Guten Tag!

    Jürgen Koppelin: Guten Tag!

    Kapern: Herr Koppelin, ich sagte es vorhin schon einmal: Der Bund der Steuerzahler fordert, im Verteidigungsministerium müssen Köpfe rollen. Wie viele und welche?

    Koppelin: Das ist natürlich leicht dahergesagt. Nun wollen wir erst mal hören, wie der ganze Ablauf gewesen ist. Und ich muss noch etwas zu Ihrem Beitrag eben sagen: Das, was Herr Trittin sich da gerade leistet, ist schon ein starkes Stück, denn Herr Trittin saß im Bundeskabinett bei Rot-Grün und hat gerade diese Drohne im Bundeskabinett mit beschlossen. Die ist ja unter Rot-Grün im Jahre 2004 beschlossen worden, und da war bereits, hört man heute, von Mängeln die Rede, und davon soll Herr Trittin nichts gewusst haben. Würde ich heute einen Untersuchungsausschuss einberufen – wir sind leider am Ende der Legislatur, sonst hätten wir das machen müssen -, wäre Herr Trittin einer meiner ersten Zeugen, den ich laden würde.

    Kapern: Auf der Zeugenliste stünden dann auch all die FDP-Politiker, die seit 2009 im Kabinett sitzen und den Euro Hawk auch nicht blockiert haben.

    Koppelin: Ja nun warten Sie mal ab, auf die kommen wir noch. Denn ich bin auch der Auffassung, dass mehrere Regierungen, auch an der wir jetzt beteiligt sind, vielleicht nicht alles korrekt gemacht haben. Die nächste Geschichte ist, dass bei Schwarz-Rot das Bundesfinanzministerium (Finanzminister war Steinbrück) im Haushaltsausschuss Vorlagen geliefert hat zu diesem Projekt, um die Mittel freigegeben zu bekommen. Das waren Sozialdemokraten, die das unterschrieben haben. Die müssen das ja alles überprüft haben, das kann ja nicht der einfache Abgeordnete.

    Und jetzt kommt unsere Verantwortung. Von 2011 an hat de Maizière, und zwar alle Fraktionen, bei den Berichterstattergesprächen – ich bin der Vorsitzende davon -, das sind dann die fünf Fraktionen, also von uns Abgeordneten, angedeutet, dass es Probleme gibt. Und deswegen war zum Beispiel auch seine Entscheidung, wenn wir Drohnen bekommen, sollen die zum Flughafen Jagel in Schleswig-Holstein und eventuell Rostock-Laage, weil sie in der Lage sind, dann über der Ostsee zu üben. Das hatte schon mit den Problemen zu tun, mit denen wir jetzt auch zu tun haben.

    Kapern: Aber dann gibt es doch gar kein Problem, wenn man die Drohnen einfach über die Nord- und Ostsee abfliegen lassen kann.

    Koppelin: Es gibt natürlich Probleme, das wissen Sie ja auch als Journalist, das haben Sie ja nun auch zur Kenntnis genommen. Das ist insgesamt die Zulassung und diese Zulassung wird inzwischen so teuer und das ist das Problem, dass die Reißleine gezogen wurde. Und dann habe ich noch weitere Fragen. Ich habe natürlich auch Fragen an ein Unternehmen wie EADS, das jetzt an diesem Projekt beteiligt ist, genauso an der europäischen Drohne beteiligt ist. Was wusste EADS? Hat EADS rechtzeitig das Verteidigungsministerium aufmerksam gemacht? Also auf Ihre Frage, müssen Köpfe rollen, muss ich auch mal fragen, was ist denn da bei EADS gewesen?

    Kapern: Aber lassen Sie mich doch mal bei meiner Frage bleiben, denn ich beharre da eigentlich schon auf einer Antwort. Ist es denkbar, dass in den Zeiten der Schuldenkrise eine halbe Milliarde oder mehr verbrennt und versenkt wird und am Ende niemand Konsequenzen ziehen muss?

    Koppelin: Das habe ich leider lernen müssen. Allein beim Flughafen Brandenburg-Berlin habe ich das lernen müssen. Man fasst sich wirklich nur an den Kopf. Und deswegen sage ich ja auch immer: Eigentlich hat der Staat genug Geld, er geht nur nicht vernünftig damit um, wenn andere Leute kommen und wollen Steuererhöhungen.

    Kapern: Aber beim Flughafen gibt es noch Hoffnung auf eine Eröffnung. Der Euro Hawk wird niemals abheben.

    Koppelin: Ja. Es gibt aber die Hoffnung oder das ist ja die Diskussion, dass es geplant ist, Drohnen, bemannte und unbemannte, zu erwerben auf europäischer Ebene, auf NATO-Ebene, vielleicht unter Einbeziehung der Israelis, wobei ich da schon gesagt habe, dass wir erst eine Ethikdiskussion haben wollen. Aber wenn auch Journalisten mal ein bisschen Acht gegeben hätten, dann hätten sie zum Beispiel feststellen können, dass meine Fraktion noch vor wenigen Monaten, als der Luftwaffeninspekteur verlangt hat, dass wir in Amerika weitere Drohnen kaufen, gesagt haben, das kommt überhaupt nicht infrage. Das war schon ein Ergebnis dessen, was de Maizière angedeutet hat, dass wir Probleme mit dieser Drohne haben.

    Kapern: Bis dahin waren aber auch schon ein paar Hundert Millionen verbrannt?

    Koppelin: Ja, das ist ja richtig. Nur die kann ich ja nicht zurückholen, wenn Rot-Grün und Schwarz-Rot die vorher schon ausgegeben haben.

    Kapern: Aber trotzdem bleibt die Frage: Gibt es so was wie politische Verantwortung in Ihrem politischen Weltbild? Muss Verteidigungsminister de Maizière zurücktreten?

    Koppelin: Das kann man heute nicht beantworten. Wir haben als Koalition heute entschieden – das habe ich mit meinem Kollegen Norbert Barthle gemacht von der CDU als Obleute -, dass wir selbstverständlich am 5. Juni im Haushaltsausschuss dieses Thema auf die Tagesordnung setzen, und zwar als Koalition. Wir haben uns überhaupt nicht zu verstecken und ich habe bisher auch den Eindruck gehabt, dass der Minister de Maizière sich überhaupt nicht verstecken muss, denn er hat alle Fraktionen immer laufend informiert. Vielleicht haben wir nicht die Informationen bekommen aus dem Ministerium, die notwendig gewesen wären, und da ist die Frage, hat der Minister vielleicht auch diese Informationen nicht gehabt. Und dann ist das ein Thema, was ich seit Längerem gesagt habe: Die Reform der Bundeswehr hat in einem Punkt nicht gegriffen, nämlich dass sie bei Großprojekten einen Verantwortlichen haben jeweils im Ministerium, den sie ansprechen können, den sie auch zur Rechenschaft ziehen können. Das ist die große Krux in diesem Riesenministerium, dass nie einer richtig verantwortlich ist bei Großprojekten.

    Kapern: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass das Verteidigungsministerium nur geschwärzte Unterlagen an den Bundesrechnungshof gibt, der damit seiner Aufgabe, das Ausgabeverhalten der Regierung zu kontrollieren, nicht mehr nachkommen kann?

    Koppelin: Nach meiner Kenntnis hat das Verteidigungsministerium es deshalb gemacht, weil es in den Verträgen stand mit Amerika.

    Kapern: Das finden Sie in Ordnung?

    Koppelin: Kleinen Moment, ich wollte Ihnen das ja erklären. Ich bin ja Hauptberichterstatter für den Etat im Verteidigungsministerium. Im letzten Jahr hat sich dann der Bundesrechnungshof an mich gewandt. Ich habe sofort eine Sitzung mit meinen Kollegen einberufen und wir sind der Sache nachgegangen. Dann habe ich gesagt, Verteidigungsministerium, Rechnungshof, ihr habt zwei Monate Zeit, werdet euch einig. Dann hat es noch mal eine Sitzung gegeben und seit Februar steht dem Rechnungshof alles offen an Informationen, man hat sich geeinigt, seit Februar dieses Jahres.

    Kapern: Leben wir eigentlich in einer Bananenrepublik, in der die Rechtslage mittlerweile Gegenstand von Verhandlungen ist?

    Koppelin: Das wäre mir zu billig, denn wir haben ja oft und häufig das Problem, dass ich zur Geheimschutzstelle des Bundestages laufen muss, weil da irgendwelche Seiten auch sonst geschwärzt sind, Geschäftsdaten und so weiter. Das ist auch ein bisschen Tagesgeschäft. Aber wir Haushälter – das muss ich ausdrücklich sagen -, und zwar alle Fraktionen betrifft das im Haushaltsausschuss, wir haben uns immer durchgesetzt. Wir haben gesagt, wir wollen die Informationen haben. Insofern habe ich als Vertreter der FDP verlangt, dass der Bundesrechnungshof alle Informationen bekommt. Die braucht er auch, damit er mich als Abgeordneten informieren kann, denn ich habe das alles nicht, ehrlicherweise gesagt, studiert. Ich weiß nicht, welche Probleme es mit den Drohnen gibt, das kann ich alles gar nicht wissen. Aber der Rechnungshof muss mich informieren können, und das tut er jetzt.

    Kapern: Jürgen Koppelin, der FDP-Haushaltspolitiker aus der Bundestagsfraktion, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Koppelin, danke für das Gespräch und einen schönen Tag noch.

    Koppelin: Bitte schön!


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