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Koppelin fordert Ende der Debatte über Bundespräsident Wulff

Die Bürger seien es leid, dass "dieses Thema seit drei Wochen nun Nummer eins" in den Medien ist, sagt der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin. Deutschland habe andere Sorgen als den Kampf zwischen den Medien und dem Bundespräsidenten.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.01.2012
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. (Deutscher Bundestag)
    Tobias Armbrüster: Es war ein stundenlanges Hin und Her gestern: Veröffentlicht die "Bild"-Zeitung oder veröffentlicht sie nicht. Es ging bei dieser Frage um die umstrittene Mailbox-Nachricht von Christian Wulff bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann Mitte Dezember. Die "Bild"-Zeitung sagt, Wulff habe mit diesem Anruf bei Diekmann erreichen wollen, dass die Zeitung nicht über seinen umstrittenen Privatkredit berichtet, dass sie einen Bericht beerdigt. Wulff selbst hat in seinem Interview am Mittwoch behauptet, er habe lediglich einen Aufschub um einen Tag erreichen wollen. Gestern hat die "Bild"-Zeitung deshalb gefragt, ob Wulff einer Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht zustimmen würde, aber der Präsident hat nach einigem Abwarten nein gesagt. Damit bleibt dieses Tondokument erst mal unter Verschluss.
    Das Vorgehen von Christian Wulff bleibt also umstritten, es steht auch heute Morgen in fast allen Tageszeitungen und auch in den wichtigen Online-Medien ganz oben auf der Tagesordnung, und mit Sicherheit wird die Causa Wulff heute auch ein Thema sein beim Dreikönigstreffen der Freien Demokraten in Stuttgart. – Am Telefon begrüße ich den FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin. Schönen guten Morgen!

    Jürgen Koppelin: Ja, guten Morgen.

    Armbrüster: Herr Koppelin, zum Zustand der FDP kommen wir gleich; lassen Sie uns erst mal über Christian Wulff sprechen. Der Bundespräsident will also die Fakten beziehungsweise seine Mailbox-Nachricht jetzt doch nicht auf den Tisch legen. Tut er sich damit einen Gefallen?

    Koppelin: Ich glaube, wenn ich das jetzt mal sehr direkt sagen darf, die Bürger sind es allmählich leid nach drei Wochen mit diesem Kampf zwischen "Bild"-Zeitung, den Medien und dem Bundespräsidenten. Ich denke auch – und das will ich mal deutlich sagen -, als wenn diese Republik keine anderen Sorgen hat, dass dieses Thema seit drei Wochen nun Nummer eins ist auf den Zeitungsseiten, oder Nummer eins in den Fernsehnachrichten. Da geht es um kleine Details. Ich glaube, die Bürger sind es einfach leid, und zwar sage ich das nicht in Richtung nur des Bundespräsidenten; ich sage es auch mal in Richtung der Medien. Ich finde das, was sich hier abspielt, auch teilweise peinlich für die Medien, bis hin, dass sich eine Journalistin zu der Äußerung hinreißen lässt, na ja, sie würde bei Freunden bezahlen, wenn sie da übernachten würde. Das geht doch alles ins Klein-Klein. Es hätte nur noch gefehlt, wenn der Bundespräsident zum Beispiel in dem Interview bei ARD und ZDF gesagt hätte, ja, er bezahlt bei den Freunden; dann hätten die gleich nachgefasst und hätten gesagt, Herr Bundespräsident, haben sie auch dafür gesorgt, dass dieses Geld dann versteuert wird von den Freunden. So weit geht das ja inzwischen schon.

    Armbrüster: Herr Koppelin, ist dann die Presse daran Schuld, dass Christian Wulff einen Privatkredit aufgenommen und verschwiegen hat?

    Koppelin: Nein! Er ist auch selber natürlich teilweise daran Schuld, weil er gegenüber dem niedersächsischen Landtag nicht ganz korrekte Angaben gemacht hat. Ich will es mal so sagen. Dafür hat er sich entschuldigt, dafür ist er verantwortlich. Aber alles andere ist mir zu sehr, ehrlich gesagt, im Klein-Klein. Ich glaube nicht, dass in einem anderen Land, außer in Deutschland, man in dieser Weise das so hochziehen würde. Da wäre das zumindest nicht Nummer eins jeden Tag in den Zeitungen. Ich glaube, unser Land hat andere Sorgen, und auf der anderen Seite stehen wir ganz toll da in Europa. Wenn ich jetzt wieder sehe, starker Rückgang der Arbeitslosenzahlen und all diese Dinge, worüber wir uns ja eigentlich freuen können, da befassen wir uns mit, was wohl Herr Wulff jemand auf seine Mailbox gesprochen hat. Ehrlicherweise sage ich, das sind die gleichen Leute, die auf der anderen Seite dafür sind, dass wirklich Telefongespräche nicht abgehört werden, dass man eine Privatsphäre hat. Das sind die gleichen Journalisten, die auf der anderen Seite nun alles über Herrn Wulff wissen wollen, und das finde ich teilweise auch gegenüber dem Bundespräsidenten unfair.

    Armbrüster: Aber der Präsident verspricht Transparenz, verspricht, die Tatsachen auf den Tisch zu legen, und dann macht er doch immer wieder falsche Angaben, nicht nur vor dem niedersächsischen Landtag, sondern jetzt auch vor Journalisten in den vergangenen Wochen.

    Koppelin: Ja das wollen wir mal sehen, ob das falsche Angaben sind. Ich sage nur Folgendes – und dafür habe ich dann auch Verständnis. Ich sage: Ja, Herr Wulff hat sich nicht besonders geschickt verhalten. Das will ich also ausdrücklich einräumen. Aber wissen Sie, jeder gerät mal in Ärger, in Wut, sagt mal irgendetwas, jeder, und auch ein Bundespräsident darf das gegebenenfalls. Sonst brauchen wir demnächst Roboter, die so etwas machen.

    Armbrüster: Die "Bild"-Zeitung verfügt jetzt über ein Dokument, das der Bundespräsident gern unter Verschluss halten möchte. Macht er sich damit für den Rest seiner Amtszeit abhängig von der "Bild"-Zeitung?

    Koppelin: Na ja, irgendwo habe ich manchmal den Eindruck, dass Politiker überhaupt von der "Bild"-Zeitung abhängig sind, ob die nun den Daumen nach oben oder unten machen. Das ist vielleicht etwas überspitzt dargestellt. Aber wenn ich mit jemand telefoniere und quasi unter vier Augen, wenn Sie so wollen, wissen Sie, dann gehe ich davon aus, wenn es ein fast privates Gespräch ist – und die beiden kennen sich ja -, dass dann auch ich das sagen darf, was ich sagen möchte, und ja, ich darf auch in Wut geraten.

    Armbrüster: Kann das tatsächlich ein privates Gespräch sein, wenn der Bundespräsident beim Chefredakteur der wichtigsten deutschen Boulevard-Zeitung anruft?

    Koppelin: Nein. Ein Privatgespräch ist es nicht und es ist ein Fehler. Ganz eindeutig, und das hat Herr Wulff auch eingeräumt. Man sollte auch mal akzeptieren, dass Herr Wulff auch Fehler eingeräumt hat. Aber wissen Sie, jedes Detail, ob das nun genau so oder so war, wer weiß das manchmal schon von uns. Da sollte sich mal jeder selber an die Nase fassen. Ich habe manchmal den Eindruck, ob es Herr Deppendorf ist, oder andere, vielleicht sollten die mal Bundespräsident machen eine Zeit lang.

    Armbrüster: Herr Koppelin, für Christian Wulff sieht es nicht gut aus zurzeit, für Ihre Partei, die FDP, aber auch nicht. Was soll heute in Stuttgart beim Dreikönigstreffen passieren, damit es wieder aufwärts geht mit der FDP?

    Koppelin: Aus meiner Sicht – das sage ich mal auch als Schleswig-Holsteiner, der nun demnächst eine Landtagswahl hat – trete ich natürlich deutlich dafür ein, dass die FDP mal sagt, wofür sie denn in dieser Parteienlandschaft steht, und dass sie deutlich macht, warum es eine liberale Partei geben muss, und vor allem klar macht, dass bei den vielen sozialdemokratischen Parteien, die wir haben – auch die CDU ist ja sehr stark sozialdemokratisch geworden in der Großen Koalition -, dass es einer liberalen Partei bedarf, und dass man auch mal über Erfolge der FDP reden muss, die wir ja auch gehabt haben. Auch wir haben natürlich ein Problem. Ich will jetzt keine Medienschelte machen, aber ich will mal deutlich machen: Nehmen wir das letzte zum Beispiel. Wenn Herr Rösler vor Wochen sagt, wir müssen bei Griechenland über eine geordnete Insolvenz nachdenken, sind alle über ihn hergezogen und dabei war das genau richtig. Denken Sie mal daran, wie wir gesagt haben als FDP, wir werfen Opel keine Milliarden hinterher; die Medien sind über uns hergezogen. Da muss man standhaft sein, da muss man nicht ducken, und die FDP muss nicht ducken, das hat sie überhaupt nicht nötig, weil sie teilweise eine sehr gute Politik macht. Allerdings hat sie auch erhebliche Fehler gemacht.

    Armbrüster: Herr Koppelin, eine halbe Minute haben wir noch. Warum muss an einem so wichtigen Tag, beim Dreikönigstreffen, einer der besten Redner der Partei fehlen, der Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle?

    Koppelin: Der fehlt ja nicht. Das ist ja völlig falsch. Er hat auf dem Landesparteitag gesprochen, und der war gestern.

    Armbrüster: Aber er darf heute nicht sprechen.

    Koppelin: Nein, das ist immer ein Verfahren gewesen. Ich habe es ehrlicherweise ja für falsch gehalten. Ich halte Rainer Brüderle für einen unserer besten Leute und da muss man auch mal über seinen Schatten springen. Ich hätte ihn heute reden lassen, weil man genau weiß, wie die Medien auf so was reagieren. Ich verstehe unsere Baden-Württemberger Freunde, die sagen, wir haben immer dieses Szenario, das ist hier unser Parteitag oder unser Dreikönigstreffen. Aber Brüderle hätte heute reden müssen, das ist meine Auffassung. Das wäre auch im Sinne der gesamten Partei gewesen. Aber das müssen unsere Baden-Württemberger Freunde wissen. Die haben heute frei, der Norddeutsche muss arbeiten, und daran werde ich mich auch halten.

    Armbrüster: ... , sagt der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin live heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Koppelin, und auf Wiederhören.

    Koppelin: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.