Freitag, 19. April 2024

Archiv

Kopten in Deutschland
"Muslime gehören zu diesem Land, aber nicht der Islam"

Er trägt einen langen grauen Bart und eine Intellektuellenbrille: Bischof Anba Damian ist der höchste Repräsentant der koptisch-orthodoxen Kirche. Er ist in Kairo geboren. Jetzt lebt und arbeitet er im ostwestfälischen Höxter. Er hilft Flüchtlingen und warnt dennoch vor den Gefahren. Er sagt: Muslime gehören zu Deutschland. Aber er hat Zweifel, ob der Islam zum Grundgesetz passt.

Von Kadriye Acar | 16.11.2015
    Der Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche für Deutschland, Anba Damian, Im August 2013 bei einem ökumenischen Gedenk- und Bittgottesdienst für die koptischen Christen in Ägypten.
    Der Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche für Deutschland, Anba Damian. (imago/epd)
    Im koptischen Kloster in Brenkhausen, nahe Höxter, erwarten den Besucher viele überraschende Momente. Zum Beispiel die, dass man am Eingang von einem Männerchor aus Essen empfangen wird. Aber es ist nicht irgendein Chor.
    "Ein Meisterchor, nicht zu vergessen."
    Rechts das Kreuz, links der Bischofstab – so begrüßt Anba Damian seine Gäste. Eine auffällige Gestalt mit langem, weißem Bart. Im schwarzen Gewand und mit seiner bestickten Kopfbedeckung fällt der 60-jährige Geistliche immer auf. Anba Damian ist Bischof der koptischen Gemeinde in Deutschland. Er erklärt dem Meisterchor, wer die Kopten sind: "Wir verstehen uns als die Urbewohner Ägyptens und gelten als die direkten Nachfahren der alten Pharaonen. Auf diese Herkunft sind wir stolz."
    Als Gründer der koptischen Kirche gilt der Überlieferung nach der Evangelist Markus. Er soll im ersten christlichen Jahrhundert in Ägypten gelebt haben. Deswegen gilt die koptisch-orthodoxe Kirche als die ursprüngliche Kirche Ägyptens. Bevor der Essener Meisterchor sich verabschiedet, genießen die Sänger orientalische Gastfreundschaft in Form von deutschem Kaffee und Kuchen.
    Bischof Anba Damian ist ein volksnaher Geistlicher, ein politischer dazu. Für seine Kirche reist er regelmäßig kreuz und quer durch Deutschland, sammelt Spenden, macht Werbung. Dem deutschen Staat gegenüber hegt er große Sympathien, dem ägyptischen misstraut er. Die Geschichte der Kopten ist auch eine Geschichte der Unterdrückung und Verfolgung. Deshalb nennen sich die Kopten, was nichts anderes als Ägypter bedeutet, "Kirche der Märtyrer".
    "Ich darf an dieser Stelle sagen, dass wir nicht nur durch die Muslime, durch den Islam verfolgt werden. Wir haben auch durch das Römische Reich fast eine Million Kopten verloren bzw. gewonnen. Denn beginnend mit dem Jahre 284 nach Christus wurden eine Million Kopten umgebracht. Das ist der Grund, warum wir einen eigenen Kalender haben, den wir Märtyrer Kalender nennen. Unser Kalender fängt am 11. September an. Das Blut der Märtyter ist genau wie die Samenkörner der Kirche. Mit dem Verlust eines einzigen Märtyrers kamen viele Menschen zum Glauben. Und das führte zum Aufschwung, Wiederbelebung. Zur Neugeburt dieser Kirche."
    Die Kirche ist das Zentrum der koptischen Gemeinde. In Deutschland gibt es zwei koptisch-orthodoxe Klöster und elf Kirchen. Tendenz steigend, da mit der Flüchtlingswelle auch viele Kopten den Weg nach Europa suchen. Egal ob Neueinwanderer oder schon länger in Deutschland lebende Kopten – oftmals lassen sie sich in der Nähe der Kirchen oder Klöster nieder. So wie die 27-jährige Maria Gerges. "Das Kloster ist ein Teil meiner Heimat. In Ägypten ist man so erzogen, dass die Kirche zum Leben gehört. Das ist ein Bestandteil unseres Lebens." Und ihre Freundin, Maria Sureault fügt hinzu: "Ich kann nicht hier bleiben ohne Kloster, ja neee." Und erzählt dann auf arabisch weiter, warum dem so ist: "Ich war schon als kleines Baby ständig in der Kirche. Für mich gibt es kein Leben ohne die Kirche, ohne meine Religion. Ohne den Gottesdienst. Ich könnte das gar nicht aushalten."
    Über den Anteil der Christen an der ägyptischen Bevölkerung gibt es stark abweichende Zahlen. Die meisten Schätzungen gehen von acht bis zehn Millionen aus, bei einer Gesamtbevölkerung von 84 Millionen. Sie werden von der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung geduldet, immer wieder kommt es zu – zum Teil blutigen – Zusammenstößen. Die Geschichte der Kopten in Ägypten sei eine Mahnung an die Deutschen, sagt Anba Damian: die Geschichte, wie eine christliche Mehrheit durch die Islamisierung zur Minderheit wurde.
    "Ich bin der feste Überzeugung, dass die Muslime als Menschen zu Deutschland gehören, weil das eine Tatsache ist. Deutschland hat jetzt schätzungsweise sechs Millionen Muslime. Vor allem Menschen aus der Türkei, die das Land wieder aufgebaut haben. Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, das finde ich nicht richtig. Die Lehre des Islams passt nicht genau zu dem Grundgesetz. Und deswegen können beide nicht zueinander passen. Ich habe viele Freunde von den Muslimen, aber ich muss mit ihrer Religion nicht einverstanden sein."
    Heute leben 10 bis 12 tausend Kopten in Deutschland, in Amerika und Kanada sind es eine Million. Und die nicht enden wollende Krise im Nahen Osten führt dazu, dass immer mehr Ägypter beziehungsweise Kopten ein neues Zuhause suchen.
    "Das Dasein von Menschen aus dem Ausland, zum Beispiel Flüchtlinge, beinhaltet Chancen und Gefahr. Chance, wenn man professionelle Arbeitskräfte gewinnt, wenn man die Gesellschaft befruchtet mit Menschen, die eine Loyalität aufweisen. Gefahr, wenn diese Menschen zerstörerische Absichten haben. Oder Menschen, die gekommen sind, nicht weil sie kommen mussten, sondern, die geschickt worden sind, um zu missionieren oder mal gewaltsam Menschen zum Islam zu zwingen. Da sehe ich eine enorme Gefahr und die muss man ernsthaft nehmen."
    Trotz seiner Skepsis gegenüber einem Teil der muslimischen Zuwanderer, hat Bischof Damian der Landesregierung Arnsberg ein Grundstück zur Verfügung gestellt, auf dem 600 Flüchtende von Maltesern betreut werden. "Wir möchten auch Menschen, die nicht Christen sind, zeigen: Das ist das Gebot, Liebe zu zeigen auch Menschen, die nicht unsere Ideologie teilen."
    Bischof Damian ist Mediziner, genauer: Radiologe. Er arbeitete, bevor er Bischof wurde, als Oberarzt in einer Klinik. Nicht nur sein medizinisches Wissen stellt er den Flüchtenden zur Verfügung. So bittet ihn dieser jezidische Mann aus dem Irak, sich für ihn einzusetzen, damit er nach Düsseldorf verlegt wird. Denn dort seien sein Sohn und seine Frau.
    "Dadurch, dass ich Arabisch verstehe, und die Menschen sehen, dass ich ein Kirchenmann bin, kommen sie vertrauensvoll auf mich zu und sprechen über ihre Nöte, ihre Sorgen, ihre Hoffnung. Und ich versuche, wenn ich kann, im Rahmen der Vorschriften zu helfen, zu vermitteln. Aber die alleinige Tatsache, den Menschen Zugehör zu schenken, ist schon allein eine große Hilfe."