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Kormorane an der Elbe
Zum Abschuss freigegeben

Vor Jahren galt der Kormoran noch als bedrohte Art. Das hat sich geändert. Der Vogelschutz war so erfolgreich, dass inzwischen Fischer den Ertrag ihrer Arbeit von den hungrigen Vögeln bedroht sehen. In Sachsen-Anhalt sollen Kormorane jetzt wieder gejagt werden.

Von Christoph Richter | 27.08.2014
    Kormoran in der Stuttgarter Wilhelma
    In der Stuttgarter Wilhelma lebt dieser Kormoran sicherer als seine Artgenossen an der Elbe. (dpa / picture alliance / Friedel Gierth)
    Der Kormoran – groß wie ein Krähe, ausgestattet mit einem keilförmigen langen gelben Schnabel – ist ein imposantes Tier. Vor allen Dingen, wenn es im Sturzflug aus der Luft ins Wasser eintaucht, um nach Fischen zu jagen. Pro Tier und Tag sind es etwa 300 bis 500 Gramm. In kleineren und nicht sehr tiefen Gewässern kann der Fischbestand nach einem Kormoraneinflug in kurzer Zeit um bis zu 90 Prozent dezimiert werden, betont Klaus Blinkert. Er ist einer der letzten Elbfischer Sachsen-Anhalts. Der Kormoran ist in seinen Augen kein anmutiges Tierchen, sondern ein Vielfraß bzw. Schadvogel, der allein in den letzten Jahren sein Fangaufkommen um zwei Drittel dezimiert habe, so Fischer Blinkert weiter.
    "Man soll das Tier ja nicht ausrotten, aber die Bestände sind zu hoch. Nicht nur bei uns in Sachsen-Anhalt, das ist ein europaweites Problem."
    In den 1980er-Jahren so gut wie ausgestorben
    Noch in den 1980er-Jahren war der Kormoran so gut wie ausgestorben. Nach dem man ihn unter EU-Vogelschutz gestellt hat, sind die Populationen erheblich gewachsen. So wird heute der gesamte europäische Bestand auf etwa zwei Millionen Vögel geschätzt. In Sachsen-Anhalt leben rund 1.100 Brutpaare in 17 Kolonien. Zu viel, sagt Staatssekretärin Anne-Marie Keding vom Umweltministerium in Magdeburg, nach deren Angaben sich die Fangquoten der Fischer in Sachsen-Anhalt in den letzten zehn Jahren mehr als halbiert haben sollen. Weshalb die Landesregierung in Sachsen-Anhalt nun eine Verordnung beschlossen und Kormorane – von denen viele Arten immer noch als gefährdet gelten – zum Abschuss frei gegeben hat.
    "Wir wollen ja auch vergrämen. Das heißt, wir wollen, dass die Kormorane sich nicht an einem bestimmten Flusslauf einstellen, ihn leer räubern, leer fressen. Damit auch gefährdete Fischarten dezimieren, sondern wir wollen den Bestand dort auch schützen."
    Mit der Schusswaffe. Sachsen-Anhalt will auf diese Weise gefährdete Fischarten wie Äsche und Barbe vorm Aussterben bewahren.
    "Die Fischfauna gehört genauso gut zu den erhaltenswerten und auch in ihrer Vielfalt zu schützenden Tierwelt, wie es auch Feldtiere oder Federwild ist."
    NABU: "Rabiate Methode, die ins Leere läuft"
    Eine Breitbandverordnung nennt es die sachsen-anhaltische NABU-Chefin Anette Leipelt, indem man Jägern in Ufernähe erlaube, wahllos – auch unter Artenschutz stehende Kormorane - abzuschießen. Dabei seien für Fischer oder Angler nicht die ansässigen, sondern die durchziehenden sogenannten baltischen Kormorane, das Problem, so Leipelt weiter. Die bekäme man aber mit der Abschuss-Verordnung überhaupt nicht in den Griff, weshalb die rabiate Methode ihrer Meinung nach ins Leere laufe.
    "Die bereiten die Probleme, wenn die natürlich einfallen und 500 Gramm Fisch fressen pro Tag, dann kann das örtlich schon ein Problem bereiten. Und da sind wir der Meinung, dass die Ausnahmegenehmigung wie bisher, wie sie vom Land installiert worden war, ausreicht. Weil sie zielgerichtet am Ort, das Jagen erlaubt und das Problem in Angriff nahm."
    Die Lobbymacht der Angler
    Kormoran-Verordnungen gebe es bundesweit, so auch in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen, gesteht Umweltschützerin Leipelt. Aber nirgends gebe es – ergänzt sie – einen so radikalen Schießerlass, wie ihn jetzt Sachsen-Anhalt plant, so Leipelt weiter. Ihre Vermutung: Es gehe um die Befriedigung einer Lobby-Gruppe, die bereits beim Anblick eines Kormorans das Entsetzen packt. Gemeint sind die 48.000 Angler im Land. Wähler, die man anscheinend nicht verschrecken wolle, so die frühere Landwirtin Leipelt.
    "Tiere sind lernfähig und wenn ich die vergräme bzw. wenn sie abgeschossen werden, dann verlagere ich das Problem. Ich beseitige das Problem nicht. Die Kormorane fliegen auf, fressen noch mehr, weil sie Energieverbrauch haben und fressen an einer anderen Stelle. Theoretisch verschiebe ich das Problem, ich löse es nicht."
    Weshalb man das Vorgehen nun juristisch prüfen lassen werde. Elbe-Fischer Klaus Blinkert ist glücklich über die Kormoran-Abschuss-Erlaubnis. Jetzt hofft er, dass sich die Jäger an seine Seite stellen. Die Schrotflinte in die Hand nehmen, und den Kampf mit den Kormoranen aufnehmen. Damit auch er – Fischer Blinkert - irgendwann mal wieder mit vollen Netzen nach Hause gehen kann.
    "Ja, das kann man so denken. (lacht) Wird zwar ein paar Jahre dauern, ehe es sich stabilisiert. Aber die Hoffnung ist da."