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Korruption und Auftragsmorde

Am 4. März wählt Kenia einen neuen Präsidenten. Seit der Einführung der Mehrparteiendemokratie Anfang der 1990er-Jahre wurde fast jede Wahl von Ausschreitungen begleitet. Auch jetzt ist die Angst vor neuen Gewalttaten spürbar.

Von Bettina Rühl | 03.03.2013
    Eine Kneipe im Zentrum von Nairobi, der kenianischen Hauptstadt. Die Gäste schauen gebannt auf den Fernseher hinter dem Tresen. Erstmals in der kenianischen Geschichte findet an diesem Abend eine Debatte der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl statt. Gewählt wird am 04. März nicht nur ein neuer Präsident, sondern auch ein neues Parlament. Es laufen die letzten Werbeminuten vor dem Beginn der Sendung. Das Ereignis wurde von den Medien vorab als "historisch" bejubelt, und ist in der Hauptstadt ein Straßenfeger: ganz im Stil des "public viewing" während der Fußball Weltmeisterschaft drängen sich die Zuschauer in den Straßen im Stadtzentrum vor den Bildschirmen, die in Bars und Restaurants aufgestellt sind.

    "Dass diese Debatte stattfindet, ist politisch sehr gesund. Die Wähler versuchen jetzt, den wahren Charakter der Kandidaten zu erkennen. Die werden erklären, was sie für das Land zu tun gedenken. "

    Peter Mungai schaut ständig auf seine Uhr. Er kann nur den Auftakt verfolgen, denn gleich muss er zur Nachtschicht in ein Hotel. Dass er in der Debatte etwas "Gesundes" findet, klingt nur für deutsche Ohren befremdlich. Im kenianischen Kontext ist klar, was Mungai meint: Nach der Präsidentschaftswahl kam es Anfang 2008 zu schweren ethnischen Ausschreitungen. Etwa 1.300 Menschen wurden getötet, rund 600.000 vertrieben. Es war die schwerste, aber nicht die erste Gewaltwelle nach einer Wahl in Kenia: Seit der Einführung der Mehrparteiendemokratie Anfang der 1990er-Jahre wurde jede Wahl von Ausschreitungen begleitet, nur ein Mal blieb es ruhig. Auch jetzt werden Angst und Unruhe seit Wochen immer spürbarer. Aber es gibt auch optimistische Stimmen – wie die von Peter Mungai:

    "Ja, geht es um Inhalte. Die Wahrheit ist: Es hat sich etwas verändert."

    Ein bewegender Moment. Zwar wird die Nationalhymne Kenias bei vielen Gelegenheiten gesungen, aber an diesem Abend vermittelt das Ritual eine tiefe Ernsthaftigkeit. Den Kneipengästen und den acht Kandidaten ist der Ernst der Lage bewusst. Der Gesang der Hymne wirkt wie ein Gebet für friedliche Wahlen und das Überleben aller Kenianer.

    Kampf gegen Korruption, Landreform und ethnische Konstellationen
    Sieben Kandidaten und eine Kandidatin stehen hinter ihren Stehpulten. Die Debatte wird von allen Fernseh- und Radiostationen sowie online übertragen. Die Kandidaten müssen sich an strenge Zeitvorgaben halten; die Fragen sind heikel. Es geht zum Beispiel um die Korruption, die in Kenia und in der Regierung weit verbreitet ist. Außenseiterkandidat Mohamed Dida, ein ehemaliger Lehrer, hat die Lacher auf seiner Seite, als er das System in Kenia beschreibt:

    "Wenn Du die Regierung, das korrupte System und die Kartelle nicht schlagen kannst – dann tritt ihnen bei. Selbst die, die das nie wollten, haben keine andere Wahl."

    Ein weiteres heikles Thema der insgesamt zwei Debattenrunden: die Verteilung von Land. Die diesbezüglichen Fragen an Uhuru Kenyatta waren schon im Vorfeld mit Spannung erwartet worden. Denn Kenyatta, der zu den beiden Favoriten zählt, ist einer der reichsten Männer Kenias. Das Versprechen einer Landreform ist Teil seines Wahlkampfes. Ihn fragt der Moderator, wie jemand die Landreform angehen wolle, dem buchstäblich halb Kenia gehöre.

    "Zunächst muss man mal sagen, dass die Landfrage hier in Kenia etwas sehr Emotionales ist. Leider wurde damit bisher nicht sehr professionell umgegangen, und nicht sehr lösungsorientiert."

    Das Thema und Kenyattas Antwort ist eine Steilvorlage für Raila Odinga, den zweiten Favoriten.

    "Ich glaube, dass es in Kenia genug Land gibt, um die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu erfüllen. Aber es gibt nicht genug, um auch die Gier jedes Einzelnen zu sättigen. Wie Sie wissen, war die Landfrage schon ein zentrales Anliegen unseres Kampfes für die Unabhängigkeit von Großbritannien. In diesem Wahlkampf präsentieren sich Kandidaten, zu denen ich sagen möchte: Man kann eine Hyäne nicht damit beauftragen, seine Ziegen zu schützen."

    Szenenwechsel. Raila Odinga, der derzeitige Ministerpräsident beim Wahlkampf im "Park der Unabhängigkeit" in der Hauptstadt Nairobi. Die Menge hängt an seinen Lippen. Der 68-Jährige scheint sie zu hypnotisieren.

    "Hoya! Ihr jungen Leute, seid Ihr bereit? Ich danke Euch allen! Ihr seht, dass wir hier zu dritt auf der Bühne stehen, als Koalition für Euer Wohl. Wir sind das Triumvirat."

    Derzeit liegen Odinga und Kenyatta etwa gleichauf, bei gut vierzig Prozent. Ein gefährlich kurzer Abstand. Denn auch vor fünf Jahren wurde die Gewalt ausgelöst durch das vermutlich nicht falsche Gefühl, das Ergebnis sei gefälscht worden. Je dichter die Resultate zusammen liegen, desto eher werden die Anhänger des Verlierers annehmen, sie seien betrogen worden.

    Odinga trat schon bei der letztes Wahl an. 2007/ 2008 unterlag er denkbar knapp gegen Präsident Mwai Kibaki. Der hatte offiziell einen Vorsprung von weniger als 200.000 Stimmen. Das Ergebnis war umstritten. Auch Alexander Graf Lambsdorff, Leiter der EU-Wahlbeobachter-Mission, sprach von Fragezeichen, sprich: Fälschung.

    Die Verkündung des umstrittenen Ergebnisses löste ethnische Krawalle aus: Die Anhänger Odingas, eines Luo, fühlten sich von den Kikuyu, der Ethnie Kibakis, betrogen. Sie sahen in dem fragwürdigen Ergebnis einen erneuten Beweis dafür, dass mit den Kikuyu schon seit Jahrzehnten keine Demokratie zu machen sei. Durch internationalen Druck gezwungen, bildeten Kibaki und Odinga schließlich eine Koalition, in der Odinga die Junior-Rolle bekam: Er wurde Regierungschef, Kibaki Präsident.

    Diesmal ist die ethnische Konstellation der beiden Favoriten genauso wie beim letzten Mal: Der Luo Odinga kandiert erneut. Sein stärkster Rivale, Uhuru Kenyatta, ist Kikuyu. Der 51-Jährige ist derzeit stellvertretender Regierungschef.

    "Die Kenianer selbst werden entscheiden, wer ihr Land regiert."

    Uhuru Kenyatta, ebenfalls im Wahlkampf.

    "Kein Europäer hat das Recht, Euch zu sagen, wen ihr wählen sollt."

    Kenyattas wichtigstes Thema im Wahlkampf: Sein eigenes Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. In Kürze muss er sich wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Dasselbe gilt für seinen "running mate" William Ruto und zwei weitere Kenianer. Sie sollen Drahtzieher der Gewalt nach den letzten Wahlen gewesen sein. Während des Prozesses, der bis zu fünf Jahre dauern kann, müssen Kenyatta und Ruto anwesend sein. Mehrere westliche Länder erklärten, im Falle eines Sieges von Kenyatta und Ruto würden sie die diplomatischen Kontakte auf das Nötigste beschränken.

    "Deshalb stehen wir hier heute vor euch. Wir bitten Euch um Eure Stimme. Und wir wollen Euch sagen, dass wir vor dem Westen und dem Verfahren in Den Haag keine Angst haben."

    Die Polemik gegen den Westen und den Internationalen Strafgerichtshof ist das zentrale Thema von Kenyattas Wahlkampf. Und das Bindeglied zwischen ihm und William Ruto, seinem Kandidaten für das Amt des Vize-Präsidenten. Ein erstaunliches Gespann: Der ehemalige Bildungsminister Ruto ist Kalenjin, er war bei der letzten Wahl Kenyattas Gegner. Und das nicht nur verbal, meint die Chefanklägerin des Den Haager Gerichtshofes, Fatou Bensouda: Kenyatta und Ruto sollen Kikuyu und Kalenjin damals aufeinander losgehetzt, zu Mord, Vergewaltigung und Vertreibung aufgestachelt haben.

    "Es geht um sehr schwere Verbrechen. Es geht um Opfer, die einen Anspruch auf Gerechtigkeit haben. Einen Anspruch auf Frieden. Darauf sollten wir uns konzentrieren."

    Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist bislang das einzige Gericht, das sich mit den Verbrechen nach der letzten Wahl beschäftigt. In Kenia selbst gab es keine juristische Aufarbeitung, keine Entschädigung für die Opfer. Zehntausende Vertriebene hausen noch immer in Lagern, haben ihr Land vermutlich für immer an Angehörige der gegnerischen Ethnie verloren. Der Zorn über solche Ungerechtigkeiten ist womöglich Nährboden für neue Gewalt. Im Wahlkampf tut währenddessen außer Kenyatta auch Ruto ganz so, als sei es Aufgabe des kenianischen Volkes, ihm gegenüber dem Ausland die Stange zu halten – statt dass er als Bewerber für das zweithöchste Staatsamt für seine Wähler etwas tun müsste.

    "Diejenigen die meinen, wir würden in Den Haag festsitzen und sie könnten hier in Kenia ungestört Stimmen einfahren, polemisieren in den Zeitungen ständig gegen uns. Wir sagen ihnen: Die Sache wird nicht in den Zeitungen entschieden, sondern an der Wahlurne."

    Ruto verstieg sich in einer Rede sogar zu dem Vergleich, die Warnungen der internationalen Gemeinschaft vor einer Präsidentschaft von Kenyatta und Ruto seien dasselbe wie das Schüren von Gewalt. Er brachte also die internationale Gemeinschaft verbal gleich neben sich auf die Haager Anklagebank.

    "Ich glaube, nur ein Verrückter würde sagen, dass es bei den Wahlen keine Ausschreitungen geben wird. Oder dass sich die Gewalt im Rahmen hält."

    Cedric Barnes arbeitet für die renommierte "International Crisis Group", eine Organisation, die politische Entwicklungen weltweit beobachtet und versucht, vor Krisen so rechtzeitig zu warnen, dass sie im besten Fall noch zu verhindern sind. Kenia steht seit Monaten im Fokus.

    "Wir beobachten eine immer stärkere Tendenz zurück zu einer ethnisch geprägten Politik. Diese Tendenz wird stärker, je näher die Wahlen kommen. Die Grenzen zwischen den Ethnien verhärten sich, und im Internet beobachten wir vieles, was man auch ethnische Hetzkampagnen nennen könnte."

    In zwei Städten, in Mombasa und Kisumu, tauchten in den letzten zwei Wochen Flugblätter auf, die zu Gewalt gegen andere Ethnien aufriefen. In mindestens einem der Slums von Nairobi zirkulieren solche Aufrufe auch. Cedric Barnes:

    "Das ist einer der Widersprüche in Kenia. Die Politiker, die für sich in Anspruch nehmen, die Interessen ihrer Volksgruppen zu vertreten, sind extrem reich, außergewöhnlich gut versorgt. Während die Menschen in ihren Wahlkreisen, die sie mit ethnischen Argumenten mobilisieren, das Gegenteil davon sind: Sie sind extrem arm; das alltägliche Überleben ist für sie ein Kampf. Politische Logik ließe einen vermuten, dass sich die Bevölkerungsmehrheit an den Klassengrenzen orientiert. Denn die meisten haben mehr mit dem Schicksal ihres Nachbarn gemein, der vielleicht zu einer anderen Volksgruppe gehört, als mit ihren führenden Politikern. Aber ethnisches Denken ist so tief verwurzelt, dass das nicht der Fall ist. Die Gründe dafür liegen im kolonialen System und in der Weise, in der Kenia seit der Unabhängigkeit regiert wurde."

    Kenias Oppositonsführer Raila Odinga.
    Raila Odinga (AP)
    Präsidentschaftskandidat Uhuru Kenyatta spricht bei einer TV-Debatte in Nairobi
    Die Polemik gegen den Westen und den Internationalen Strafgerichtshof ist das zentrale Thema von Uhuru Kenyattas Wahlkampf. (picture alliance / dpa / Joan Pereruan / Nation Media Group)
    "Für einen Mord kriegen wir nicht viel"
    Ein Morgen in Mathare, einem der größten Slums von Nairobi. Die meisten Wellblechhütten stehen dicht gedrängt in einem Flusstal. Oberhalb davon gibt es einen kleinen Platz. Hier jagen gerade zwei Fußball-Teams einem Ball hinterher. Die Jungen sind höchstens zehn Jahre alt. Im Laufe des Tages werden auch Jugendliche gegeneinander antreten.

    "Mit diesem Fußballturnier wollen wir bei den Bewohnern von Mathare für Frieden werben."

    Shem Opiyo arbeitet für das kenianische Rote Kreuz, schlichtet Konflikte. Er und seine Kollegen gehen in Schulen, organisieren Friedens-Rallyes oder Fußballturniere wie das heutige. Alle Teams sind ethnisch gemischt. Das Ziel ist die Volksgruppen zusammen zu bringen, Hass und Misstrauen abzubauen. Am Abend werden Reden gehalten, sagt Shem Opiyo. Politiker und Vertreter der Bevölkerung werben bei solchen Anlässen regelmäßig für Frieden.

    "Mehrere Organisationen versuchen mit vielen verschiedenen Aktionen, für Frieden zu werben. Aber wirklich erfolgreich waren wir nie. "

    Shem Opiyo steht am Spielfeldrande des Fußballplatzes und schaut den Jungen zu.

    "Hier in Mathare bleibt es nie lange ruhig, der Frieden hält immer nur vorübergehend. Und das, obwohl wir tun was wir können, um die Konflikte zu schlichten."

    Der Grund: Während sie sich um ein gutes Auskommen der Volksgruppen bemühen, säen andere Gewalt.

    "Die Politiker sind unser größtes Problem. Sie predigen Wasser und trinken Wein. Sie reden dauernd von Frieden, schüren aber Gewalt. Sie verteilen hier viel Geld vor allem an junge Leute. Die kaufen sich davon Drogen, und anschließend sind sie zu allem bereit."

    Shem Opiyo kennt die Täter. Mit einem arrangiert er am Nachmittag ein Treffen in einer der Wellblechhütten von Mathare. Der 26-Jährige nennt sich "Tom", ein Pseudonym. Ja, sagt er, sie würden von Politikern für Gewalttaten und Verbrechen bezahlt. So war das schon bei der letzten Wahl, so ist es auch jetzt wieder.

    "Meistens kriegen wir Geld dafür, dass wir Unruhe stiften oder gegen andere Leute kämpfen. Manchmal sollen wir auch Leute kidnappen, oder ihren Besitz zerstören."

    Die Opfer seien meist Kikuyu aus dem Nachbarviertel namens "3C". In Mathare leben die verschiedenen Ethnien getrennt in unterschiedlichen Vierteln. Tom gehört zum Volk der Luo und lebt in 4B, einem Viertel der Luo. Die Jugendgangs beider Viertel greifen einander immer wieder an. Im Vorfeld der Wahlen noch häufiger als ohnehin üblich. Seine Gang bestehe aus 15 Leuten, sagt Tom. Ihr Auftraggeber, den Tom ihren "Boss" nennt, sei ein hochrangiger Politiker. Dessen Namen nennt er nicht, das könnte für ihn tödlich sein. Für einfache Randale zahle der Boss umgerechnet 40 Cent, manchmal einen Euro. In der Vorwahlzeit gehe es oft darum, Veranstaltungen des politischen Gegners zu stören.

    "Für einen Mord kriegen wir nicht viel, nur 500 Shilling."

    Umgerechnet sind das etwa 4,30 Euro.

    "Wir haben viele Menschen umgebracht. Insgesamt vielleicht dreißig."

    Als Waffe benutzen sie Messer oder Pangas, Buschmesser. Die sind an jeder Ecke zu haben und kosten nicht viel, umgerechnet nicht einmal zwei Euro. Tom beschreibt das alles so gleichgültig als würde er über einen Job als Schreiner reden.

    "Wir haben kein Geld. Also nehmen wir das Angebot an zu töten, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen."

    Seine Augen sind rot, vermutlich hat er gerade wieder den lokalen Hirse-Schnaps Chang’aa getrunken. Das illegale Brauen dieses starken alkoholischen Getränks ist sein zweiter Job, neben der Gewalt. Vor jedem Mord, sagt Tom, trinken sie auf Kosten des Bosses, rauchen Joints. Danach sind sie zu allem bereit.

    "Häufig geben sie uns Fotos. Sie sagen uns: "Der hier soll heute noch umgebracht werden.” Wenn wir das schaffen, bekommen wir wie gesagt 500 Shilling. Gelingt es uns, eine ganze Familie auf einmal zu töten, geben sie uns mehr Geld. Das teilen wir dann untereinander."

    Erst kürzlich hätten sie sich wieder mit ihrem Boss getroffen.

    "Er sagte, dass er noch mehr Fotos besorgen wird, damit er uns noch mehr Jobs geben kann. Vor den Wahlen, sagt er, gibt es noch etwas zu tun."

    Es ist keine Überraschung, dass Tom beim Wählen ethnisch denkt und Luo wählt, also Raila Odinga.

    "Wenn der nicht gewinnt, wird es Chaos geben. Es könnte so werden, wie beim letzten Mal. Wir unterstützen Odinga, und wenn er verliert, verlieren auch wir. Wir werden nicht hinnehmen können, dass unser Mann verliert."

    Ähnliche Töne sind dieser Tage auch aus Kreisen der Kikuyu zu hören. Selbst ganz normale Bürger, die fünf Jahre lang völlig unauffällig lebten, erzählen plötzlich, sie seien bereit, für die Sache der Kikuyu zu sterben.

    "Wenn Odinga gewinnt, werden wir nicht so weit gehen. Unser Boss hat uns versprochen, dass er etwas für uns hat, wenn Odinga gewinnt, und dann wird es auch kein Chaos geben. Aber wenn er verliert – dann werden einige Menschen ziemlich leiden. Das ist jedenfalls das, was unser Boss sagt."

    Angeblich versprach der Boss seiner Gang aus Mathare Villen in Nairobis schickem Stadtteil Runda. Dann könnte er ein normales Leben anfangen, glaubt Tom, vielleicht einen Kiosk aufmachen und Gemüse verkaufen, und auch ans Heiraten denken.

    "Aber wenn Odinga verliert, machen wir unseren normalen Job weiter."

    Shem Opiyo hört schweigend zu. Er weiß, dass er und seine Kollegen mit Fußballturnieren und Friedens-Rallyes nicht viel bewirken können, so lange Zehntausende junge Menschen arbeitslos sind und etliche Politiker bereit, sie für Verbrechen zu bezahlen.
    Demonstranten in einem Slum von Nairobi rennen weg, während die Sicherheitskräfte Tränengas versprühen.
    Gewalttätige Auseinandersetzungen in einem Slum von Nairobi nach der Verkündung des Wahlergebnisses im Jahr 2008. (AP)