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Korruption und Pfusch

Um bei Bauprojekten an Aufträge zu kommen, wird häufig geschmiert und anschließend gepfuscht. Selbstverpflichtungen von Bauunternehmen und Vorgaben bei Ausschreibungen haben bisher wenig gebracht beim Versuch, das Problem einzudämmen.

Von Wolfram Stahl | 04.03.2010
    Korruption und Pfusch gehören zum Bau wie Zement und Moniereisen. Seit Jahren versuchen die Branche sowie die privaten und öffentlichen Auftraggeber, das Problem durch alle möglichen Verfahrensregeln in den Griff zu bekommen. Die schwarzen Schafe unter den Baufirmen lassen sich jedoch nicht so ohne Weiteres erkennen, sagt Hans-Hartwig Loewenstein, der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes.

    "Wir haben ja solche Zertifizierungen; das sind allerdings keine verbindlichen. Das ist eine freiwillige Teilhabe an diesen Dingen. Die Präqualifikation ist allerdings im Wesentlichen von der öffentlichen Hand gesteuert, und die hat schon ein anderes Kaliber."

    Das Präqualifikationsverfahren haben das Bundesbauministerium und die Baubranche gemeinsam entwickelt. Seit 2006 erhalten Firmen ein Zertifikat, wenn sie sich im Gewerberegister eintragen, zur Zahlung gesetzlicher Mindestlöhne verpflichten, ihre Umsätze und Kompetenz nachweisen.

    Insgesamt 14 Kriterien müssen erfüllt sein, um an Ausschreibungen des Bundes, der Länder und Kommunen überhaupt teilnehmen zu können. Die Ausschreibung sei das eine, die Bauausführung und die Kontrolle was anderes, erklärt Loewenstein.

    "Sie müssen den bautechnischen und baubetrieblichen Prozess steuern. Und sie brauchen auf all diesen Ebenen im Bau ausführenden Betrieb Fachpersonal. Sie können mit den Preisen dieses Fachpersonal nicht in der erforderlichen Zahl bereitstellen."

    Das gleiche Problem existiert auch in den Bauverwaltungen. Das Personal wurde erheblich reduziert. Das Fachwissen ist vielerorts verlorengegangen, beklagt der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann, der Vorsitzender des Bauausschusses ist.

    "Die öffentliche Hand hat natürlich längst nicht mehr die Kompetenz, diese Projekte zu steuern und zu kontrollieren, und ist ganz und gar auf das Funktionieren der Privatwirtschaft angewiesen. Und wie man da immer wieder sehen kann, ist man da manchmal verloren und verratzt und verkauft."

    Die Hauptprobleme der Bauwirtschaft liegen im Wesentlichen darin, dass jeder Bau eine Besonderheit und Einzelanfertigung ist. Um an Aufträge zu kommen, wird häufig geschmiert und anschließend gepfuscht. Dieses Prinzip hat Methode, erläutert Peter von Blomberg von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International.

    "Eine Bauleistung ist, weil sie ja ganz individuell ist, natürlich auch sehr viel besser als beispielsweise ein Markenartikel geeignet, darin allerlei zu verstecken, zu verbergen, zu vertuschen; zum Beispiel schlechteres Material als zugesagt oder sonstige Mängel in der Bauleistung, mit denen ich meine Korruptionsleistung sozusagen refinanzieren will."

    Korruption ist nicht allein eine Sache der Wirtschaft. Die Städte können den Filz erschweren, wenn die Vergabeverfahren penibel eingehalten werden. Unternehmen rät Blomberg zu einem Ehrenkodex sowie einem eindeutigen Bekenntnis gegen Bestechung.

    "Das Erste ist immer, dass das Unternehmen und die Unternehmensleitung sich persönlich ganz entschieden vornehmen, auf Korruption zu verzichten. Das heißt also, dass Unternehmen [sich] mit aller Konsequenz, aller Offenheit und allem, was dazugehört, von der Gefahr der Korruption befreien wollen."

    Nach zahlreichen Korruptionsfällen in den 90er-Jahren startete der Bayerische Bauindustrieverband eine entsprechende Initiative unter seinen Mitgliedsfirmen. 2007 wurde das EMB-Projekt auch bundesweit eingeführt. Das E steht für Ethik. Hinter der gesamten Abkürzung EMB verbirgt sich das Wertemanagement am Bau. Betriebliche Grundwerte und Wettbewerbsregeln sowie externe Beurteilungen und Kontrollen gehören zu den darin definierten Regeln. Jüngste Korruptionsfälle und Pfusch am Bau haben jedoch auch dieses Wertemanagement untergraben, meint Baugewerbe-Präsident Loewenstein.

    "Wir haben verschiedene Ansätze, aber die Anwendbarkeit in allen Bereichen und die Wirksamkeit, das ist doch noch ein großes Fragezeichen. Also der Appell an die Beschäftigten und Beteiligten ist sicher nützlich und muss auch sein. Aber inwieweit er dazu führt, dass tatsächlich solche Mängel ausgeschlossen werden, da sind die Meinungen durchaus geteilt im Moment."

    Weder die Selbstverpflichtungserklärung der Baufirmen noch die Zertifizierung durch staatliche Stellen zeigten bisher nachhaltig Wirkung im Kampf gegen Korruption und Pfusch am Bau. Entsprechend der Korruptionsstatistik des Bundeskriminalamtes lag die Baubranche in den letzten acht Jahren immer ganz weit vorne, sagt von Blomberg von Transparency International.

    "Das heißt, 15 bis 20 Prozent der Korruptionsfälle, die in Deutschland in diesem Jahr zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geführt haben - Klammer auf, das ist natürlich nur ein kleiner Teil derjenigen, die insgesamt stattgefunden haben, das wissen wir alle - hat die Baubranche durchaus eine Poleposition unter den ersten drei. Insofern ist es überhaupt kein Zweifel, dass die Baubranche in dieser Hitliste, dieser zweifelhaften, eine herausragende Rolle spielt."

    Den durch Korruption entstandenen Schaden schätzt das Bundeskriminalamt auf etwa fünf Milliarden Euro: eine gewaltige Summe, trotz aller bislang unternommenen Versuche, die Kriminalität auf dem Bau einzudämmen. Die Bundespolitik will sich zwar nach den jüngsten Vorfällen beim Kölner U-Bahn-Bau demnächst des Themas annehmen. Winfried Hermann ist als Ausschussvorsitzender allerdings ein wenig ratlos, wie Korruption und Pfusch am Bau wirkungsvoll eingedämmt werden können.

    "Ich kann im Moment wirklich nicht sagen, in welcher Weise wir das konkret angehen müssen. Ich kann nur an der Stelle sagen, es ist ein Auftrag, darüber nachzudenken, wie man bestimmte Auswüchse besser bekämpfen kann. Es kann nicht alleine Sache des Bundestags sein, dazu hat der Bund zu wenig Kompetenz in dem Bereich, sondern es muss auch auf Landes- und kommunaler Ebene darüber nachgedacht werden, wie wir das Prinzip der Transparenz und der Verantwortung und der Haftung besser und anders regeln, als es jetzt ist."

    So ratlos die Politik momentan ist, so sprachlos ist der Verband der Deutschen Bauindustrie bei den Themen Pfusch und Korruption. Anstatt sich den Problemen zu stellen, werden Interviews abgesagt. Auffällig ist dabei, dass mit Herbert Bodner ausgerechnet der Vorstandsvorsitzende von Bilfinger und Berger an der Spitze des Verbandes steht. Dieser Baukonzern hat beim Kölner U-Bahn-Bau die Federführung.