Forudastan: Man wundert sich kaum noch und man regt sich auch nicht mehr so schnell auf. An einem Tag erfährt man, dass hochrangige VW-Mitarbeiter sich haben schmieren lassen, um an Aufträge zu kommen. Kurz darauf stellt sich heraus, Korruption war auch beim Chip-Hersteller Infineon gang und gäbe. Parallel läuft der Prozess gegen Ludwig-Holger Pfahls, der als Rüstungsstaatssekretär Bestechungsgelder kassiert hat. Die altehrwürdige ARD, die über all das ausführlich berichtet, feuert zwei führende, käufliche Sportreporter und sie muss etliche Filme aus dem Programm nehmen, weil sie darin über Produktionsfirmen und gegen viel Geld Schleichwerbung betrieben hat.
Britta Bannenberg ist Professorin für Kriminologie an der Universität Bielefeld und eine der führenden Korruptionsforscherinnen in Deutschland. Ich wollte von Britta Bannenberg wissen: Wie ist das eigentlich, häufen sich die Fälle von Korruption in Deutschland oder sind wir einfach nur aufmerksamer geworden?
Bannenberg: Ob sich die Fälle von Korruption tatsächlich häufen, kann niemand mit Gewissheit sagen. So was lässt sich wissenschaftlich nicht eruieren. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Wahrnehmung eine andere geworden ist. Zwar muss man auf der einen Seite sehen, dass Medien natürlich immer dann besonders aufmerksam sind, wenn sich ein Fall skandalisieren lässt - also, wenn berühmte Personen vielleicht damit verbunden sind oder wenn bekannte Firmen involviert sind. Aber davon einmal unabhängig ist es schon so, dass mehr aufgedeckt wird. Und insofern können wir auf jeden Fall sagen: Das Grundproblem ist groß, wir haben gerade bei der strukturellen Korruption - das ist die auf Dauer angelegte Korruption - sicherlich ein sehr hohes Dunkelfeld und es ist anzunehmen, dass nun sehr viel mehr aufgedeckt wird.
Forudastan: Gibt es denn bestimmte Strukturen, aber auch bestimmte Personen, die besonders anfällig sind für Bestechung?
Bannenberg: Ja, zumindest wenn wir in Deutschland schauen, haben wir ja eine ganz spezifische Problematik von Korruption. Wir haben also - vielleicht, um mit dem Negativen anzufangen - weder diese weit verbreitete Alltagskorruption - also, dass man einen Polizeibeamten vielleicht zu bestechen versucht, wenn man sich im Straßenverkehr falsch verhalten hat - oder die gewaltgeprägte Variante, dass also vielleicht Drogenhändler massiv versuchten, Strafverfolgung abzuwenden und dabei die Korruption nutzen. Also diese Varianten sind in Deutschland nicht das Problem.
Wir haben Strukturen, die mit Wirtschaftskriminalität in enger Verbindung stehen. Also im Grunde Aushängeschilder der deutschen Wirtschaft vom Mittelstand bis hin zu weltbekannten Großunternehmen bedienen sich der Korruption als Geschäftspolitik. Oder sie sind zumindest nicht wachsam genug, was ihre Führungsebenen angeht. Und das ist natürlich ein großes Problem, weil auch die Image-Schäden enorm sind.
Forudastan: Noch mal nachgefragt: Sind das bestimmte Betriebe, sind das bestimmte Branchen und sind das auch bestimmte Arten von Personen, die da besonders anfällig sind?
Bannenberg: Was die Branchen angeht, sind zwar die Baubranche und sind Vergabebereiche immer besonders betroffen. Aber mittlerweile lehrt uns doch die empirische Praxis, dass so viele Branchen betroffen sind, dass man nicht davon sprechen kann, dass manche Branchen nun besonders korruptionsbetroffen sind. Sondern es ist einfach so, egal ob Immobiliensektor, egal ob Sie die Baubranche nehmen, egal ob die Pharmabranche betroffen ist oder vielleicht das Facility-Management - es gibt nichts, was es nicht gibt und da, wo die größten Summen zu holen sind, werden Sie auch die besonders vielfältigen Formen der Korruption finden.
Und was die Täter angeht, dann überrascht vielleicht den einen oder anderen, dass es nicht etwa solche sind, die es vielleicht nötig hätten, die vielleicht verschuldet sind und deshalb schwach werden oder solche Bilder, die man vielleicht im Kopf hat, sondern es ist genau anders: Derjenige, der einen gewissen Machtbereich erreicht hat, der dann eben auch interessant für die Gegenseite wird, und derjenige, der sich durchaus als Leistungsträger der Gesellschaft bezeichnen lassen kann, ist eigentlich der typische Täter der Korruption.
Forudastan: Warum setzen eigentlich gerade diese Leute, also ehrgeizige Leistungsträger, die Karriere gemacht haben und vielleicht auch noch weitere Karrieren vor sich hätten, alles aufs Spiel? Die müssen doch eigentlich wissen, dass, wenn sie auffliegen, dass sie dann viel mehr verlieren als das, was sie durch die Korruption eingestrichen haben.
Bannenberg: Wenn sie dieses Risiko so kalkulierten, hätten Sie Recht. Aber das passiert eben nicht. Und das hat damit zu tun, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit noch immer so gering ist, dass diese Kalkulation niemand anstellt.
Im Gegenteil, man wird gestärkt durch Unternehmensstrukturen, die von Korruption in diesen Zusammenhängen nicht reden. Man spricht dann nicht von "Schmiergeldern", man spricht nicht von "Scheinverträgen", von "Schachtelsystemen", die der Schmiergeldwäsche dienen, von "Kick-back-Zahlungen" und ähnlich negativen Begrifflichkeiten, sondern man spricht ja von "nützlichen Aufwendungen", ein Begriff der immer noch im Hinterkopf vieler Leute herumspukt.
Man spricht von "Erleichterungszahlungen" oder man geht generell davon aus, dass ein solches Gebaren dem Geschäft ja letztlich nützt - und die Unternehmen belohnen ein solches Verhalten auch. Wer also besonders erfolgreich ist in der Anwendung dieser Methoden, da wird nicht genau nachgefragt, wie das erzielt worden ist, sondern es wird der Erfolg als Ergebnis bewertet. Und da steigt die Karriere dann eben noch ein Stückchen weiter an.
Forudastan: Heißt das, dass die Unternehmen im Grunde genommen dazu beitragen, dass einzelne Mitarbeiter, vor allen Dingen in der Führungsebene - also da, wo Leute wirklich etwas entscheiden können -, dass diese Unternehmen diese Leute decken, mehr oder weniger? Oder vielleicht sogar ermutigen und ihnen zu verstehen geben: Ja, gebt ruhig 1.000, 10.000, 100.000 Euro dafür aus, damit wir diesen oder jenen Auftrag bekommen?
Bannenberg: Auf jeden Fall. Das ist das Grundproblem. Denn es sind hier nicht besonders kriminelle Menschen am Werk, die für ihren eigenen Vorteil im Grunde alles täten, sondern sie werden ermuntert durch die Unternehmensstrukturen. Und gerade die Summen, die Sie eben genannt haben - man kann sich doch nicht wirklich vorstellen, dass Vertriebsleiter oder Abteilungsleiter einzelner Sparten über sechsstellige Eurosummen einfach so verfügen können, ohne dass ein Vorstand davon Kenntnis hat.
Und genau das entdecken wir ja auch in den lang zurückliegenden Geflechten von Korruption, dass also die Vorstände geradezu ermuntern, die Buchführungsregeln zu umgehen, dass sie Konstruktionen zur Verfügung stellen, um so etwas dann wiederum buchtechnisch zu ermöglichen, da werden Scheinfirmen genutzt, da werden Tochterfirmen im Ausland genutzt und Scheinrechnungen gestellt, um dann Kick-back-Zahlungen zu ermöglichen oder überhaupt Schmiergeldzahlungen zu verschleiern.
Forudastan: Wenn dann aber jemand auffliegt, dann wird eigentlich, in der Regel, nur er belangt.
Bannenberg: Ja, und dann fährt auch eine weitere Strategie der Unternehmen in aller Regel. Es ist dann nämlich so, dass die Unternehmen nach außen genau diese Einzelperson relativ schnell kündigen und ...
Forudastan: ... Oder fallen lassen.
Bannenberg: Oder fallen lassen. Aber manchmal auch nur zum Schein. Und das kriegen Sie dann in der Öffentlichkeit schon nicht mehr mit. Es wird also so getan, als habe man sich eines einzelnen kriminellen schwarzen Schafes entledigt - und in Wahrheit laufen die Geschäfte hintenrum aber weiter.
Diese Personen werden abgeschottet und geschützt und es werden ihnen vielleicht Positionen in Tochterunternehmen zugesagt oder sie erhalten diese mit der Zeit - und das bekommt die Öffentlichkeit nicht mehr mit, damit eben nicht ausgesagt wird, wie viele Personen in der wirklichen Führungsebene des Unternehmens tatsächlich Kenntnis hatten oder sogar diese Sache aktiv unterstützt haben.
Forudastan: Das heißt doch aber, wenn man diese Form von Korruption bekämpfen will, dann nützt es nicht, nur auf den Einzelnen, auf denjenigen, der sich hat bestechen lassen oder der selber bestochen hat, zu setzen und den zu verfolgen, sondern das ganze Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen?
Bannenberg: Genau. Und daran mangelt es in Deutschland auch. Während die USA, Frankreich, die Schweiz und mittlerweile eine Reihe anderer europäischer Länder das Unternehmensstrafrecht kennen und zumindest auch drastisch bei den Unternehmen selbst mit Reaktionen drohen, ist das in Deutschland noch nicht der Fall. Wir haben zwar die Möglichkeit über das Ordnungswidrigkeitenrecht auch ein Unternehmen mit einer Geldbuße zur Verantwortung zu ziehen, aber das Unternehmensstrafrecht, das haben wir nicht.
Forudastan: Warum?
Bannenberg: Das hat mit dogmatischen Schwierigkeiten zu tun. Es gibt seit den 50er Jahren strafrechtsdogmatische Streitigkeiten darüber, ob so etwas in das deutsche Strafrecht passt oder nicht. Wir haben das Grundprinzip des Individualstrafrechts, des Schuldstrafrechts, und man streitet eben, ob das auf Unternehmen übertragbar ist. Aber ich denke, das Vorbild vieler anderer Länder und auch die ähnlich gelagerte Problematik im Ordnungswidrigkeitenrecht zeigen, dass das Scheinprobleme sind. Vielleicht will man es auch nicht. Das wäre eine politische Entscheidung, so etwas letztlich umzusetzen.
Forudastan: Man will es vielleicht nicht, um der Wirtschaft keinen Druck zu machen?
Bannenberg: Ja. Das könnte ein Motiv sein. Zumindest wird ja zu erwarten sein, dass die Wirtschaftslobby nicht gerade begeistert sein wird, wenn ein solches Instrument eingeführt wird. Das fügt sich dann in andere Bestrebungen: Man versucht ja seit einiger Zeit - oder einige versuchen es -, ein Korruptionsregister zum Beispiel auf Bundesebene einzurichten. Danach wäre nach bundeseinheitlichen Regelungen ein Unternehmen vom Wettbewerb zu sperren, wenn es Korruption und Betrug, Untreue, solche Praktiken angewandt hat, um ehrliche Wettbewerber aus dem Verkehr auszuschalten. Und ein solches bundesweites Gesetz gibt es nicht.
Britta Bannenberg ist Professorin für Kriminologie an der Universität Bielefeld und eine der führenden Korruptionsforscherinnen in Deutschland. Ich wollte von Britta Bannenberg wissen: Wie ist das eigentlich, häufen sich die Fälle von Korruption in Deutschland oder sind wir einfach nur aufmerksamer geworden?
Bannenberg: Ob sich die Fälle von Korruption tatsächlich häufen, kann niemand mit Gewissheit sagen. So was lässt sich wissenschaftlich nicht eruieren. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Wahrnehmung eine andere geworden ist. Zwar muss man auf der einen Seite sehen, dass Medien natürlich immer dann besonders aufmerksam sind, wenn sich ein Fall skandalisieren lässt - also, wenn berühmte Personen vielleicht damit verbunden sind oder wenn bekannte Firmen involviert sind. Aber davon einmal unabhängig ist es schon so, dass mehr aufgedeckt wird. Und insofern können wir auf jeden Fall sagen: Das Grundproblem ist groß, wir haben gerade bei der strukturellen Korruption - das ist die auf Dauer angelegte Korruption - sicherlich ein sehr hohes Dunkelfeld und es ist anzunehmen, dass nun sehr viel mehr aufgedeckt wird.
Forudastan: Gibt es denn bestimmte Strukturen, aber auch bestimmte Personen, die besonders anfällig sind für Bestechung?
Bannenberg: Ja, zumindest wenn wir in Deutschland schauen, haben wir ja eine ganz spezifische Problematik von Korruption. Wir haben also - vielleicht, um mit dem Negativen anzufangen - weder diese weit verbreitete Alltagskorruption - also, dass man einen Polizeibeamten vielleicht zu bestechen versucht, wenn man sich im Straßenverkehr falsch verhalten hat - oder die gewaltgeprägte Variante, dass also vielleicht Drogenhändler massiv versuchten, Strafverfolgung abzuwenden und dabei die Korruption nutzen. Also diese Varianten sind in Deutschland nicht das Problem.
Wir haben Strukturen, die mit Wirtschaftskriminalität in enger Verbindung stehen. Also im Grunde Aushängeschilder der deutschen Wirtschaft vom Mittelstand bis hin zu weltbekannten Großunternehmen bedienen sich der Korruption als Geschäftspolitik. Oder sie sind zumindest nicht wachsam genug, was ihre Führungsebenen angeht. Und das ist natürlich ein großes Problem, weil auch die Image-Schäden enorm sind.
Forudastan: Noch mal nachgefragt: Sind das bestimmte Betriebe, sind das bestimmte Branchen und sind das auch bestimmte Arten von Personen, die da besonders anfällig sind?
Bannenberg: Was die Branchen angeht, sind zwar die Baubranche und sind Vergabebereiche immer besonders betroffen. Aber mittlerweile lehrt uns doch die empirische Praxis, dass so viele Branchen betroffen sind, dass man nicht davon sprechen kann, dass manche Branchen nun besonders korruptionsbetroffen sind. Sondern es ist einfach so, egal ob Immobiliensektor, egal ob Sie die Baubranche nehmen, egal ob die Pharmabranche betroffen ist oder vielleicht das Facility-Management - es gibt nichts, was es nicht gibt und da, wo die größten Summen zu holen sind, werden Sie auch die besonders vielfältigen Formen der Korruption finden.
Und was die Täter angeht, dann überrascht vielleicht den einen oder anderen, dass es nicht etwa solche sind, die es vielleicht nötig hätten, die vielleicht verschuldet sind und deshalb schwach werden oder solche Bilder, die man vielleicht im Kopf hat, sondern es ist genau anders: Derjenige, der einen gewissen Machtbereich erreicht hat, der dann eben auch interessant für die Gegenseite wird, und derjenige, der sich durchaus als Leistungsträger der Gesellschaft bezeichnen lassen kann, ist eigentlich der typische Täter der Korruption.
Forudastan: Warum setzen eigentlich gerade diese Leute, also ehrgeizige Leistungsträger, die Karriere gemacht haben und vielleicht auch noch weitere Karrieren vor sich hätten, alles aufs Spiel? Die müssen doch eigentlich wissen, dass, wenn sie auffliegen, dass sie dann viel mehr verlieren als das, was sie durch die Korruption eingestrichen haben.
Bannenberg: Wenn sie dieses Risiko so kalkulierten, hätten Sie Recht. Aber das passiert eben nicht. Und das hat damit zu tun, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit noch immer so gering ist, dass diese Kalkulation niemand anstellt.
Im Gegenteil, man wird gestärkt durch Unternehmensstrukturen, die von Korruption in diesen Zusammenhängen nicht reden. Man spricht dann nicht von "Schmiergeldern", man spricht nicht von "Scheinverträgen", von "Schachtelsystemen", die der Schmiergeldwäsche dienen, von "Kick-back-Zahlungen" und ähnlich negativen Begrifflichkeiten, sondern man spricht ja von "nützlichen Aufwendungen", ein Begriff der immer noch im Hinterkopf vieler Leute herumspukt.
Man spricht von "Erleichterungszahlungen" oder man geht generell davon aus, dass ein solches Gebaren dem Geschäft ja letztlich nützt - und die Unternehmen belohnen ein solches Verhalten auch. Wer also besonders erfolgreich ist in der Anwendung dieser Methoden, da wird nicht genau nachgefragt, wie das erzielt worden ist, sondern es wird der Erfolg als Ergebnis bewertet. Und da steigt die Karriere dann eben noch ein Stückchen weiter an.
Forudastan: Heißt das, dass die Unternehmen im Grunde genommen dazu beitragen, dass einzelne Mitarbeiter, vor allen Dingen in der Führungsebene - also da, wo Leute wirklich etwas entscheiden können -, dass diese Unternehmen diese Leute decken, mehr oder weniger? Oder vielleicht sogar ermutigen und ihnen zu verstehen geben: Ja, gebt ruhig 1.000, 10.000, 100.000 Euro dafür aus, damit wir diesen oder jenen Auftrag bekommen?
Bannenberg: Auf jeden Fall. Das ist das Grundproblem. Denn es sind hier nicht besonders kriminelle Menschen am Werk, die für ihren eigenen Vorteil im Grunde alles täten, sondern sie werden ermuntert durch die Unternehmensstrukturen. Und gerade die Summen, die Sie eben genannt haben - man kann sich doch nicht wirklich vorstellen, dass Vertriebsleiter oder Abteilungsleiter einzelner Sparten über sechsstellige Eurosummen einfach so verfügen können, ohne dass ein Vorstand davon Kenntnis hat.
Und genau das entdecken wir ja auch in den lang zurückliegenden Geflechten von Korruption, dass also die Vorstände geradezu ermuntern, die Buchführungsregeln zu umgehen, dass sie Konstruktionen zur Verfügung stellen, um so etwas dann wiederum buchtechnisch zu ermöglichen, da werden Scheinfirmen genutzt, da werden Tochterfirmen im Ausland genutzt und Scheinrechnungen gestellt, um dann Kick-back-Zahlungen zu ermöglichen oder überhaupt Schmiergeldzahlungen zu verschleiern.
Forudastan: Wenn dann aber jemand auffliegt, dann wird eigentlich, in der Regel, nur er belangt.
Bannenberg: Ja, und dann fährt auch eine weitere Strategie der Unternehmen in aller Regel. Es ist dann nämlich so, dass die Unternehmen nach außen genau diese Einzelperson relativ schnell kündigen und ...
Forudastan: ... Oder fallen lassen.
Bannenberg: Oder fallen lassen. Aber manchmal auch nur zum Schein. Und das kriegen Sie dann in der Öffentlichkeit schon nicht mehr mit. Es wird also so getan, als habe man sich eines einzelnen kriminellen schwarzen Schafes entledigt - und in Wahrheit laufen die Geschäfte hintenrum aber weiter.
Diese Personen werden abgeschottet und geschützt und es werden ihnen vielleicht Positionen in Tochterunternehmen zugesagt oder sie erhalten diese mit der Zeit - und das bekommt die Öffentlichkeit nicht mehr mit, damit eben nicht ausgesagt wird, wie viele Personen in der wirklichen Führungsebene des Unternehmens tatsächlich Kenntnis hatten oder sogar diese Sache aktiv unterstützt haben.
Forudastan: Das heißt doch aber, wenn man diese Form von Korruption bekämpfen will, dann nützt es nicht, nur auf den Einzelnen, auf denjenigen, der sich hat bestechen lassen oder der selber bestochen hat, zu setzen und den zu verfolgen, sondern das ganze Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen?
Bannenberg: Genau. Und daran mangelt es in Deutschland auch. Während die USA, Frankreich, die Schweiz und mittlerweile eine Reihe anderer europäischer Länder das Unternehmensstrafrecht kennen und zumindest auch drastisch bei den Unternehmen selbst mit Reaktionen drohen, ist das in Deutschland noch nicht der Fall. Wir haben zwar die Möglichkeit über das Ordnungswidrigkeitenrecht auch ein Unternehmen mit einer Geldbuße zur Verantwortung zu ziehen, aber das Unternehmensstrafrecht, das haben wir nicht.
Forudastan: Warum?
Bannenberg: Das hat mit dogmatischen Schwierigkeiten zu tun. Es gibt seit den 50er Jahren strafrechtsdogmatische Streitigkeiten darüber, ob so etwas in das deutsche Strafrecht passt oder nicht. Wir haben das Grundprinzip des Individualstrafrechts, des Schuldstrafrechts, und man streitet eben, ob das auf Unternehmen übertragbar ist. Aber ich denke, das Vorbild vieler anderer Länder und auch die ähnlich gelagerte Problematik im Ordnungswidrigkeitenrecht zeigen, dass das Scheinprobleme sind. Vielleicht will man es auch nicht. Das wäre eine politische Entscheidung, so etwas letztlich umzusetzen.
Forudastan: Man will es vielleicht nicht, um der Wirtschaft keinen Druck zu machen?
Bannenberg: Ja. Das könnte ein Motiv sein. Zumindest wird ja zu erwarten sein, dass die Wirtschaftslobby nicht gerade begeistert sein wird, wenn ein solches Instrument eingeführt wird. Das fügt sich dann in andere Bestrebungen: Man versucht ja seit einiger Zeit - oder einige versuchen es -, ein Korruptionsregister zum Beispiel auf Bundesebene einzurichten. Danach wäre nach bundeseinheitlichen Regelungen ein Unternehmen vom Wettbewerb zu sperren, wenn es Korruption und Betrug, Untreue, solche Praktiken angewandt hat, um ehrliche Wettbewerber aus dem Verkehr auszuschalten. Und ein solches bundesweites Gesetz gibt es nicht.