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Korruptions-Debatte im Fußball
Eine Frau gegen die Fifa

Sie ist als Whistleblowerin eine der mutigsten Frauen im Weltfußball. Bonita Mersiades war Kommunikationschefin der australischen WM-Bewerbung für 2018 und 2022. Im Deutschlandfunk spricht sie über die Hintergründe der Korruptionsdiskussion und die Kritik von Fifa-Ethikrichter Joachim Eckert.

Bonita Mersiades im Gespräch mit Philipp May | 23.11.2014
    Ein Fifa-Logo an einem Gebäude des Verwaltungssitzes des Fußballweltverbandes in Zürich, Schweiz.
    Neue Vorwürfe gegen die FIFA (afp / Fabrice Coffrini)
    Philipp May: Das hatte sich der Fußball-Weltverband anders vorgestellt. Nach dem umstrittenen Freispruch für Katar und Russland durch Fifa-Ethikrichter Joachim Eckert ist die Korruptionsdiskussion nicht beendet. Im Gegenteil: Sie kocht immer mehr hoch. Vor allem aus Europa wächst der Druck auf Fifa-Boss Sepp Blatter. Offenbar denkt die Uefa jetzt darüber nach, doch einen Gegenkandidaten für die Präsidentschaftswahl aufzustellen - möglicherweise den Holländer Michael van Praag.
    Noch mehr Ärger droht dem Weltverband aber womöglich von anderer Seite: Die beiden Kronzeuginnen Phaedra Al-Majid und Bonita Mersiades teilen ihr Wissen nicht nur mit Fifa-Ermittler Michael Garcia, sondern auch mit staatlichen Ermittlern. Al-Majid, die für die katarische Bewerbung arbeitete, bestätigte gegenüber mehreren deutschen Medien, dass sie mit dem FBI kooperiert. Und Bonita Mersiades hat vor dieser Sendung mit mir telefoniert. Sie war Kommunikationschefin für die australische WM-Bewerbung, dann packte sie aus über das dreckige Spiel, das auch Australien mitspielte, um die WM zu bekommen - sehr zum Unmut ihres Verbandes.
    Ich habe sie gefragt, welche persönlichen Konsequenzen sie seitdem als Whistleblowerin zu spüren hat.
    "Mir wurden viele Türen zugeschlagen"
    Bonita Mersiades: "Die persönlichen Konsequenzen für mich waren groß. Wenn man sich gegen eine Organisation stellt, die von Frank Lowy, einem der reichsten und mächtigsten Männer Australiens geführt wird, dann werden Dir sehr viele Türen zugeschlagen. Ich musste mein Leben von Grund auf ändern."
    Philipp May: "Können Sie mir ein Beispiel nennen?"
    Mersiades: "Vor allem natürlich musste ich mir einen neuen Beruf suchen. Ich habe sehr lange für den Australischen Fußballverband gearbeitet, das war natürlich vorbei."
    May: "Hat jemand versucht, sie unter Druck zu setzen?"
    Mersiades: "Ich wurde vor allem unter Druck gesetzt, beim Buch das ich über den Bewerbungsprozess geschrieben habe. Das Buch ist bis jetzt noch nicht veröffentlicht worden. Und es kann immer noch nicht veröffentlicht werden, aus rechtlichen Gründen, wobei, das möglicherweise jetzt einfacher geworden ist, da Fifa-Ethik-Richter Joachim Eckert ja einige meiner Fakten in seinem Bericht bestätigt hat. Aber ich bin da schon sehr unter Druck gesetzt worden."
    May: Können Sie nachvollziehen, warum Richter Eckert Ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt hat?
    Mersiades: "Nein, überhaupt nicht. Weil er auf der einen Seite sagt, dass einige meiner Informationen nicht glaubwürdig und meine Beweise nicht gut sind. Dabei weiß jeder, der sie kennt, dass das Gegenteil der Fall ist. Und auf der anderen Seite beruht der größte Teil dessen, was er in seinem Bericht gegen Australien vorbringt, auf genau den Sachen, über die ich mit Chefermittler Michael Garcia gesprochen habe."
    "Untersuchungen der Fifa fördern nur eins zutage: Die Fifa ist fantastisch"
    May: Wie war denn Ihr Kontakt mit Herrn Eckert und Herrn Garcia während der Untersuchung. Im Bericht steht, sie haben sich zweimal mit der ermittelnden Kammer getroffen, ist das richtig?
    Mersiades: "Nein, zunächst einmal: Mit Richter Eckert hatte ich keinen Kontakt, das wäre auch nicht angemessen gewesen. Aber mit Herrn Garcia. Er hat mich kontaktiert. Im Mai 2013. Und hat gesagt: "Ich will mit dir reden". Ich wollte zunächst gar nicht mit ihm kooperieren. Denn jeder, der die Fifa kennt, weiß, dass eine Untersuchung von der Fifa über die Fifa von jemandem, der von der Fifa bezahlt wird, eigentlich nur ein Ergebnis zu Tage fördern kann: Nämlich, dass die Fifa fantastisch ist.
    Also wollte ich zunächst einmal gar nicht mitmachen, dachte dann aber: Es wäre angemessen, zumindest mit ihm zu reden. Wir hatten dann ein sehr, sehr langes Telefon-Gespräch, das dazu geführt hat, dass er mich einmal zu einem Treffen nach New York eingeflogen hat, und ein zweites Treffen hat dann in Sydney stattgefunden."
    May: Was hatten sie danach für ein Gefühl, vorher waren sie ja offensichtlich skeptisch. Blieb das so, oder dachten Sie, okay, das war jetzt doch ein gutes Gespräch...
    Mersiades: "Weder noch. Ich war schon weniger skeptisch, aber ich hatte auch nicht das Gefühl, dass das gute Gespräche waren. Ich war nicht sicher, ob er wirklich interessiert an den Problemen im Zusammenhang mit der australischen Bewerbung war, über die ich leider hier nicht reden darf, sofern sie nicht in Eckerts Bericht genannt sind. Denn ich hatte ihm eigentlich noch viel mehr berichtet.
    Auf der anderen Seite hat es einige andere Sachen gegeben, bei denen Garcia nach unseren Treffen noch einmal nachgebohrt hat, mich gebeten hat, noch einmal genauer nachzudenken, ob es da nicht vielleicht noch mehr zu erzählen gibt. Er war ganz offensichtlich an ganz bestimmten Personen interessiert, Personen, die sehr eng mit Deutschland verbunden sind.
    May: Man hört, dass Garcia wieder gegen Franz Beckenbauer ermitteln soll. Es gab ja enge Verbindungen und auch eine offizielle Kooperation zwischen dem australischen Verband und dem DFB, also hat sie Garcia auch über ihn befragt, nehme ich an.
    Mersiades: "Er hat mich vor allem zu den drei internationalen Beratern befragt, die der australische Verband angestellt hat, und zwei von ihnen waren Deutsche, die sehr eng mit Franz Beckenbauer verbunden sind." Er hat mir viele Fragen über sie gestellt. Er war weniger an Franz Beckenbauer direkt interessiert. Soweit ich das sagen kann, war Beckenbauer Teil der großen Fußball-Welt. Aber er war vor allem an der Beratertätigkeit von Fedor Radman und Andreas Abold für unsere Bewerbung interessiert."
    May: Wie war diese Beratertätigkeit angelegt. Hat sich das in irgendeiner Weise ausgezahlt?
    Mersiades: "Natürlich nicht. Wir haben eine Stimme bekommen. Alle glauben, dass die von Franz Beckenbauer gekommen ist, ich persönlich bin davon nicht überzeugt. Ich glaube, es war jemand anderes. Wir haben unseren drei Beratern Fedor Radmann, Andreas Abold und Peter Hargitay ungefähr neun Millionen Euro bezahlt. Wir haben, ohne zu hinterfragen, all das gemacht, was Sie gesagt haben, und am Ende nur eine Stimme bekommen."
    "Garcia will seinen Bericht vielleicht gar nicht veröffentlichen"
    May: Hat Sie das FBI eigentlich kontaktiert, um an ihre Informationen zu kommen, oder glauben Sie, das FBI kriegt Ihre Informationen sowieso über den kurzen Dienstweg. Garcias Frau arbeitet ja dort.
    Mersiades: "Wer weiß. Es bleiben ja manchmal zufällig Sachen morgens nach dem Frühstück auf dem Küchentisch liegen. Aber ich kann dazu nichts sagen. Tut mir leid."
    May: Also, sie können nicht sagen, ob das FBI sie kontaktiert hat?
    Mersiades: "Nein, ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich kann nichts sagen, was über das hinausgeht, was in Richter Eckerts Report veröffentlicht wurde."
    May: Glauben Sie dass der Garcia-Report am Ende veröffentlicht wird, wenn nicht auf offiziellem Wege, dann innoffiziell, indem er auf dem Küchentisch liegen gelassen wird.
    Mersiades: "Das ist eine gute Frage. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob Herr Garcia seinen Report wirklich so unbedingt veröffentlichen will, wie er immer behauptet. Er kannte die Fifa-Ethikregeln ja bevor er mit der Arbeit anfing. Und er hätte dieses Problem der Veröffentlichung ja schon lange ansprechen können. Er hat ja schon den ISL-Korruptionsskandal für die FIFA untersucht und er wusste auch da genau, dass sein Report nicht veröffentlicht worden ist. Und auch da kam Richter Eckert ja zu dem merkwürdigen Schluss, dass die Fifa nichts verkehrt gemacht hat."
    May: Klare Worte von Bonita Mersiades, australische Whistleblowerin bei der Vergabe der Fußballweltmeisterschaften 2018 und '22.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.