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Korruptions-Steuer und mehr Urinale

Um ihre Hauptstadt Pristina wollen sie eine Formel-Eins-Strecke bauen. Außerdem fordern sie Urinale im Foyer jedes öffentlichen Gebäudes. Was sich lustig anhört, hat einen ernsten Hintergrund. Eine Satire-Partei im Kosovo will für eine neue Politik kämpfen.

Von Ralf Borchard |
    Die Parteizentrale ist eine Espresso-Bar mitten in Pristina. Und Parteichef Visar Arifaj, der gern in Shorts und Krawatte auftritt, ist vom eigenen Erfolg überrascht:

    "Wir sind heute bei 60.000 Facebook-Freunden", grinst der 26-Jährige. "Der Erfolg gleitet uns aus der Hand."

    Die Idee, die sogenannte "Starke Partei" zu gründen, hatten Arifaj und zehn andere Web-Designer, Software-Spezialisten und Theaterleute vor zwei Jahren. Vergangenen Juni wurde die Partei offiziell zu den Kommunalwahlen zugelassen. Und Arifaj, in der Szene Pristinas schnell bekannt wie ein bunter Hund, hat es auf Anhieb in den Stadtrat der Hauptstadt geschafft. Sein Wahlziel Nummer eins: Legalisiert Korruption!

    "Der beste Weg, Korruption zu bekämpfen, ist, sie zu einem legalen Teil des Systems zu machen. Also lasst uns eine Korruptions-Steuer erheben, schon profitieren alle und das Land hätte einen Riesenfortschritt gemacht."

    Eine Formel Eins-Rennstrecke rund um Pristina, ein Urinal im Foyer jedes öffentlichen Gebäudes, das sind weitere Forderungen der "Starken Partei" - alles Satire natürlich, aber meist mit ernsten Hintergrund: Die Urinal-Idee hat mit dem Mangel an öffentlichen Toiletten im Kosovo zu tun.

    "Ich liebe diesen Wechsel von ernst zu unernst", sagt Arifaj. "Genau darum geht es. Satire ist das beste Mittel, zu zeigen, wie Politik wirklich abläuft. Die Ironie dieses Wahlkampfs war: Obwohl wir kaum Geld hatten, vor allem das Internet nutzen, haben wir unser Programm viel professioneller präsentiert als die großen Parteien."

    Im Kosovo lebt die jüngste Gesellschaft Europas, die Hälfte der Bewohner ist unter 25, die Arbeitslosigkeit trifft also vor allem junge Leute.

    "Die Arbeitslosenrate ist hoch im Kosovo, rund 40 Prozent. Wir sehen das nicht als Problem. Das Problem sind die 60 Prozent, die immer noch arbeiten müssen."

    Lohn für alle fürs zu Hause bleiben, heißt die Forderung. Ungewöhnlich auch der Ansatz beim Thema Gleichstellung. Die "Starke Partei" hat keine Frauenquote, sondern eine Männerquote - von 30 Prozent.

    "Das Ziel unseres Männerforums ist die Zähmung des männlichen Geschlechts. Es geht nicht um Rechte der Frau, sondern um den Mann, der immer noch in primitiver und aggressiver Form versucht, sich als Alphatier zu behaupten."

    Arifaj will nächstes Jahr als Premierminister kandidieren, und hat auch für den Konflikt zwischen kosovo-albanischer Bevölkerungsmehrheit und serbischer Minderheit eine Lösung: nicht Integration, sondern mehr Trennung! Separation der Bevölkerung in jeder Straße, nach Hobbys und Essgewohnheiten. Und selbst Europapolitik steht im Programm:

    "Es geht nicht nur darum, Kosovo in die Europäische Union zu integrieren, Europa muss in den Kosovo integriert werden. Ihr könnt von unserer Experimentierfreudigkeit lernen. Ich bin sicher, dass alle europäischen Länder Protestbewegungen, Satire-Parteien wie uns brauchen. Damit junge Leute der Demokratie ein Update verpassen. Sie ist ein wenig zopfig, veraltet, und muss erneuert werden."