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Korruptionssumpf im Alpenidyll

Was ist los in Österreich? Von illegaler Parteienfinanzierung über angebliche Schmiergeldzahlungen beim Eurofighterkauf bis hin zur Vorteilsnahme: Die Alpenrepublik rutschte gleich um neun Plätze auf dem Korruptionsindex von Transparency International ab.

Von Stephan Ozsvath | 19.12.2012
    Er ist schon tot. Vor vier Jahren starb der Rechtspopulist Jörg Haider bei einem Autounfall. Sein Schatten aber ist lang. Als Wiedergänger kehrt der ehemalige Kärntner Landeschef in die Öffentlichkeit Österreichs zurück. Erstes Beispiel: die sogenannte "Causa Birnbacher". Der ehemalige Steuerberater Birnbacher offenbart vor Gericht das "System Haider" – illegale Parteienfinanzierung - mithilfe eines überteuerten Gutachtens. Es ging um den Verkauf der Hypo Alpe Adria an die Bayern LB. Fünfeinhalb Jahre muss der ehemalige Chef der Kärntner Konservativen, Josef Martinz, ins Gefängnis. Der ist entsetzt.

    "Natürlich ist es genau der befürchtete politische Schauprozess."

    Auch der Kauf von 15 Eurofightern durch die konservative Regierung Schüssel vor zwölf Jahren offenbart dubiose Geldflüsse. Bis zu 180 Millionen Euro Schmiergeld. Ein Teil landete offenbar in Kärnten bei der "Lakeside Technologie Stiftung". Von sogenannten Gegengeschäften profitierte angeblich auch der Magna-Konzern, aufgebaut vom Austrokanadier Frank Stronach, der jetzt in die Politik will. Der dementiert in einem wirren TV-Auftritt.

    "Ich bin auch überzeugt davon, dass ich heute hier feststellen kann, dass Magna in gar keiner Weise von dem Eurofighter profitiert hat."

    Der ehemalige konservative Bundeskanzler Schüssel gibt öffentlich den Unschuldigen. Wie auch sein damaliger Finanzminister Karl-Heinz Grasser von der FPÖ. Gegen den Beau ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf: dubiose Provisionsflüsse, geparkt in Privatstiftungen – etwa in Liechtenstein. Der grüne Abgeordnete Peter Pilz kommt zu dem Schluss:

    "Es ist ein Sumpf, geprägt von Personen wie Jörg Haider, Karl-Heinz Grasser, und der Schutzpatron der organisierten Korruption hört nach wie vor auf den Namen Dr. Wolfgang Schüssel."

    Ebenfalls vor Gericht: der ehemalige Innenminister Ernst Strasser von den Konservativen. Britische Boulevardjournalisten hatten ihm zum Schein einen Lobbyisten-Vertrag angeboten – es ging unter anderem um die Rücknahme von Elektro-Schrott durch den Fachhandel. Ernst Strasser, damals Europaparlamentarier, erzählte vor Gericht eine abenteuerliche Räuberpistole.

    "Man wollte mich bestechen, und man ist auf Granit gebissen."

    Gesprächsprotokolle und auch Aussagen von Kollegen widersprechen der Darstellung von Strasser. Von den getarnten Journalisten hatte Strasser 100.000 Euro im Jahr gefordert. Der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft Erich Mayer sagt dazu:

    "Um das Delikt der Bestechlichkeit zu erfüllen, reicht es bereits, dass man einen Vorteil fordert."

    Auch die Große Koalition in Wien geriet dieses Jahr ins Kreuzfeuer der Kritik: Eine überteuerte Website und Inserate des Agrarministers Berlakovich, dubiose PR-Anzeigen für den ehemaligen Verkehrsminister Faymann, heute sozialdemokratischer Kanzler, bezahlt von der Staatsbahn ÖBB. Die Regierung torpedierte den Untersuchungsausschuss des Parlaments, Faymann musste nicht als Zeuge aussagen. Franz Fiedler von Transparency International Österreich urteilte:

    "Wer wird Spitzenkandidat bei der nächsten Wahl sein? Wenn es im Ausschuss zu einer peinlichen Befragung des Kanzlers käme, das würde man einem Kanzler wesentlich schwerer ankreiden als einem Staatssekretär."

    Angesichts der Korruptionsfälle rutschte Österreich im Korruptionsindex von Transparency International von Platz 16 auf Platz 25 ab. Kollateralschaden der Affären: Der Politfrust wächst. Als nun bekannt wurde, dass in Salzburg 340 Millionen Euro Steuergeld vom Land in riskanten Geschäften verspekuliert wurden, wurde der ganze Verdruss öffentlich.

    "Es reicht mir einfach."

    "Die Politik ist nun mal Mist."

    Schlechte Stimmung – schlechte Vorzeichen für das Superwahljahr 2013, da werden vier Landtage und ein neues Parlament gewählt. Politologin Kathrin Steiner-Hämmerle sagt.

    "Die Politiker sind beinahe unter Generalschuldverdacht, also: Alle Politiker sind korrupt, alle Parteien sind schlecht."

    Profitieren könnten davon nicht etwa die Grünen, die mit "Null Prozent Korruption" werben, sondern Neo-Politiker wie Frank Stronach, so die Politologin.