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Korruptionsvorwürfe
Worum es im Streit zwischen DFB und Infront geht

Der Deutsche Fußball-Bund will die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Sportrechtevermarkter Infront beenden. Grund dafür seien Hinweise auf "mögliche schädigende Handlungen", die eine Beratungsfirma gefunden haben soll. Infront weist die Vorwürfe zurück und kündigt rechtliche Schritte an.

Von Olivia Gerstenberger | 25.06.2020
    Mehrere Fussbälle liegen aufgereiht auf dem Rasen, im Hintergrund eine Bandenwerbung mit Logo und Schriftzug "Deutscher Fussball-Bund"
    Korruptionsverdacht bei der Vermarktung von Bandenwerbung (imago images / Michael Weber)

    Wie lauten die Vorwürfe gegenüber Infront?

    Der DFB teilt in einer Stellungnahme mit, dass es "klare Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Zustandekommen und der Erbringung von Vertragsleistungen von Infront sowie unrechtmäßige Einflussnahmen auf DFB-Vertreter" gegeben habe.
    Im Klartext heißt das: Es geht um nicht weniger als den Vorwurf der Korruption. Laut dem vertraulichen Ermittlungsbericht der Berliner Beratungsfirma Esecon - einer Art Wirtschaftsdetektei - habe es fragwürdige Geschäfte zwischen Verband und Agentur gegeben. Diese Firma wurde durch die neue Führungsriege des DFB um Präsident Fritz Keller selbst beauftragt. Der DFB sieht sich als Geschädigten, weil ihm möglicherweise Geld verloren gegangen ist.

    Um welche Geschäfte und Summen soll es sich handeln?

    Es geht um Aufträge zur Beschaffung von Bandenwerbepartnern. Im Mittelpunkt steht ein Deal aus dem Jahr 2013. Obwohl es ein deutlich höheres Angebot einer anderen Agentur gegeben haben soll, bekam Infront den Zuschlag. Im gleichen Monat soll der Sohn des damaligen DFB-Generalsekretärs Helmut Sandrock einen Job bei Infront erhalten haben.
    Helmut Sandrock am 20.11.2015 in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt am Main.
    Der Sohn des ehemaligen DFB-Generalsekretärs Helmut Sandrock bekam einen Job bei Infront (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Auch der bis heute gültige Bandenwerbevertrag für die DFB-Pokalspiele soll 2015 unter fragwürdigen Umständen an Infront gegangen sein. Zudem geht es um Einladungen an die damalige DFB-Spitze um Wolfgang Niersbach auf Luxusjachten und luxuriöse Geschenke an einige DFB-Mitarbeiter.
    Nach dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", das schon vor der DFB-Stellungnahme über den Fall berichtetet hatte, schätzen die Ermittler den Schaden für den größten Sportfachverband der Welt auf bis zu 40 Millionen Euro.

    Wie reagiert Infront auf die Vorwürfe?

    Infront sowie die Beschuldigten Akteure Sandrock, Niersbach und Günter Netzer, damaliger Executive Director bei Infront, weisen die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. "Infront hegt erhebliche Zweifel an den Methoden und Motiven der Detektei Esecon, auf deren Zwischenbericht sich der DFB bei der beabsichtigten Vertragsauflösung beruft", teilt der Vermarkter mit.
    Infront bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung und hält an der vollständigen Erfüllung der laufenden Verträge mit dem DFB fest. "Für Infront ist es inakzeptabel, dass die - bis zum heutigen Tag - jahrzehntelange, erfolgreiche und transparente Geschäftstätigkeit für den DFB durch die unbelegten Vorwürfe und teils abstrusen Verdächtigungen von Esecon in ein negatives, zum Teil sogar kriminelles Licht gerückt werden", heißt es in der Mitteilung. Die bislang bekannten Vorwürfe und Verdächtigungen von Esecon seien nicht nur stark konstruiert, sondern vor allem auch durch nichts belegt.

    Welche Aufgaben hatte Infront in der Zusammenarbeit mit dem DFB?

    Ein Sportrechtevermarkter ist sozusagen eine Schnittstelle zwischen der Sportorganisation auf der einen und Sponsoren und Medienhäusern auf der anderen Seite. Er soll erreichen, dass Sponsoren und Medien soviel wie möglich für Übertragungrechte und Werbeflächen an Sportorganisationen zahlen. Infront ist das Schwergewicht unter diesen Agenturen. Im konkreten Fall ging es um Bandenwerbung bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft und bei DFB-Pokalspielen.

    Wer steckt hinter Infront und welche Dienstleistungen erbringt die Firma?

    Infront ist ein internationales Sportmarketing-Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz, 45 weiteren Standorten und insgesamt über 1.000 Mitarbeitern. Zentrale Geschäftsfelder sind der internationale Vertrieb von Medienrechen, Sponsoring-Vermarktung und die Medienproduktion sowie Serviceleistungen wie Sportstättenwerbung, Hospitality und Event-Management. Infront ist Partner vieler internationaler Sportverbände.
    Das 2003 gegründete Unternehmen ging aus der insolventen KirchSport hervor: Der Sportrechtehandel der insolventen KirchMedia war 2002 an eine Gruppe um Günter Netzer verkauft worden. Als einflussreicher Mäzen fungierte dabei der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Netzer erwarb die Rechte an der Fußball-Bundesliga und der WM 2006. Er war bis 2017 Executive Director bei Infront.
    Eine Kamera steht vor einer Bühne mit dem Logo der Fußball-WM 2006.
    Affäre um WM 2006 - Welche Rolle spielte der TV-Rechtehändler Infront?
    Der DFB beauftragt eine Wirtschaftsdetektei damit, die Geschäftsbeziehungen in Bezug auf den Skandal um das Sommermärchen 2006 zwischen dem deutschen Fußball und dem TV-Rechtehändler Infront zu durchleuchten.
    Geführt wird Infront seit 2005 von Präsident & CEO Philippe Blatter, ein Neffe des ehemaligen FIFA-Präsidenten Sepp Blatter. 2015 wurde Infront von der Wanda Group, einem chinesischen Konglomerat, übernommen und Philippe Blatter zum President & Vice Chairman der Wanda Sports Group ernannt.

    Welches Licht wirft der Fall auf den DFB?

    Einerseits ein schlechtes, weil in diesem Zusammenhang wieder Namen auftauchen, um die es auch bei dem mutmaßlichen Stimmenkauf rund um die WM 2006 geht: Niersbach, Sandrock, Netzer.
    Sommermärchen-Prozess - Ein Skandal für die Schweizer Justiz
    Der Prozess um die dubiose Vergabe der Fußball-WM 2006 ist verjährt. Der Vorgang ist für die Schweizer Justiz ein Skandal, kommentiert Matthias Friebe. Ob, und wenn ja, wie die WM gekauft wurde, bleibt nun wohl ungeklärt.
    Andererseits kann dieser Fall dem DFB auch zugute kommen - als Zeichen dafür, dass man mit alten Seilschaften und möglicherweise korrupten Vorgängen aus der Vergangenheit aufräumen und diese aufklären will. Das will sich der neue DFB-Präsident Keller ja zum Markenkern machen. Allerdings hinkte der DFB mit der Veröffentlichung des Berichts den Medien ein wenig hinterher, was die Frage aufwirft, wieviel Transparenz beim DFB tatsächlich eingebracht wird.