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Berliner Mietendeckel - ein hoch umstrittenes Projekt

Der Berliner Senat hat einen sogenannten Mietendeckel beschlossen, um das Wachstum der Mieten in Berlin aufzuhalten. Er soll rückwirkend ab 18. Juni 2019 für Wohnungen gelten, die vor 2014 gebaut wurden. Das Projekt ist politisch und rechtlich umstritten.

Von Sebastian Engelbrecht | 22.10.2019
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Berlin hat die Notbremse gezogen und einen bundesweit einmaligen Versuch gestartet: Den Mietendeckel (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
Freitagabend, 19 Uhr 30. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller tritt nach zwei langen Verhandlungstagen im Roten Rathaus vor die Presse, um etwas zu verkünden, was er so nie gewollt hat.
"Wir beschreiten nun wirklich Neuland mit dem, worauf wir uns jetzt hier geeinigt haben. Viele andere reden darüber, in vielen anderen Städten nicht nur in Deutschland, wir machen’s. Wir gehen jetzt diesen Weg und sagen: Das, was wir bisher an gesetzlichen Möglichkeiten haben, um die Mieten zu regulieren, zu dämpfen, ist gut und richtig. Es gibt kein Instrument, was wir nicht anwenden in Berlin. Aber wir wollen darüber hinausgehen."
Müller, der auch Berliner SPD-Landesvorsitzender ist, weiß, dass sich seine rot-rot-grüne Koalition mit dem "Mietendeckel" auf ein Terrain begibt, dass rechtlich nicht abgesichert ist. Rückwirkend vom 18. Juni 2019 friert die Berliner Regierung die Mieten von 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin für insgesamt fünfeinhalb Jahre ein. Ausgenommen sind Neubauten, die nach 2013 errichtet wurden. Mieter älterer Wohnungen werden die Möglichkeit haben, mit Hilfe der Verwaltung, die Absenkung ihrer Miete durchzusetzen.
"Viele Juristen haben gesagt: Einfrieren ist auf jeden Fall möglich, Absenken ist auch möglich, aber schwierig und auch nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Auch deshalb haben wir uns ganz konkret hier auseinandergesetzt eben mit diesen unanständig überhöhten Mieten, mit diesen Wuchermieten, und sind weggekommen von allgemeinen Absenkungsmöglichkeiten, auch um die Rechtssicherheit zu erhöhen."
Die Fassade eines Wohnhauses mit Balkons in Prenzlauer Berg.
IG-Bau-Chef Feiger - "Bezahlbares Wohnen ist Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge"
Das Problem des bezahlbaren Wohnens könne der Markt nicht lösen, sagte Robert Feiger von der IG Bauen-Agrar-Umwelt im Deutschlandfunk. Bund, Länder und Kommunen müssten massiv investieren und bezahlbaren Wohnraum schaffen.
Erlaubt der Mietendeckel wirklich nur das Absenken von Wuchermieten? Die Berliner Koalition hat sich auf eine Tabelle mit Obergrenzen geeinigt. Demnach darf eine Gründerzeitwohnung mit Zentralheizung und Bad in einfacher Lage 6,45 Euro pro Quadratmeter kosten. Eine neuere Wohnung, Baujahr 2003 bis 2013, höchstens 9,80 Euro. Wenn diese Werte um 20 Prozent übertroffen werden, liegt nach dem Koalitionskompromiss schon "Wucher" vor. Bei einer Gründerzeitwohnung in guter Lage dürfte der Vermieter höchstens 8,48 Euro verlangen.
Liegt die Miete höher, kann der Bewohner bei der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen oder beim Bezirksamt eine Absenkung der Miete beantragen. Das wird allerdings erst von Oktober 2020 an möglich sein. Bis dahin will das Land Berlin 250 neue Verwaltungskräfte einstellen, die die Mietabsenkungsanträge bearbeiten sollen. Möglicherweise werden hunderttausende solcher Anträge eingehen.
Die Immobilien- und Bauwirtschaft in Berlin ist in Alarmstimmung. Sie fürchtet ein Ende der Hochkonjunktur ihrer Branchen durch den Mietendeckel. Joachim Meder, Inhaber einer Dachbaufirma in Berlin, hat bereits zugesagte Aufträge im Umfang von vier Millionen Euro wegen des Mietendeckels wieder verloren. Bange blickt er – wie viele in der Berliner Baubranche – auf das kommende Jahr:
"Ich habe derzeit keinen Auftrag. Ganz ehrlich. Normalerweise habe ich aufgrund der Bausituation, die wir hatten, immer einen Vorlauf von mindestens ein, zwei Millionen. Und ich weiß im Moment noch nicht, was ich ab 1.1.2020 mache."
Jedes Jahr 40.000 neue Einwohner
Dennoch: Aus der Sicht des Regierenden Bürgermeisters Müller war der Mietendeckel notwendig, um den Berliner Mietern eine "Atempause" zu verschaffen.
Die Mietpreise sind in Berlin in den vergangenen zehn Jahren in abenteuerliche Höhen gestiegen. Auf dem freien Markt bezahlt der Mieter heute durchschnittlich 9,57 Euro pro Quadratmeter, wenn er einen neuen Mietvertrag abschließt. Das ist ein Anstieg um 85 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Nach Informationen der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus explodierten die Mieten für neu vermietete Wohnungen im Bezirk Neukölln seit 2007 um 152 Prozent. Die Nachfrage ist groß, denn Berlin gewinnt jedes Jahr durchschnittlich 40.000 neue Einwohner hinzu. Die Stadt kommt mit dem Wohnungsbau nicht hinterher. Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, warnt:
"Seit 2008 galoppieren die Mietpreise der Einkommensentwicklung davon, nicht erst seit 2016 oder seit 2015. Und das sind auch keine Wachstumsschmerzen, die man zu akzeptieren hat für eine wachsende Stadt, das ist auch kein Naturgesetz. Der Grund dafür ist Spekulation und bedeutet für immer mehr Berlinerinnen und Berliner Verdrängung."
Internationale Investoren machen auf dem Berliner Wohnungsmarkt lukrative Geschäfte. Die Kurse börsennotierter Immobilienunternehmen wie der "Deutsche Wohnen" kletterten über Jahre – bis Anfang dieses Jahres die Initiative "Deutsche Wohnen enteignen" von sich reden machte. 77 000 Berliner unterschrieben im Frühjahr den Aufruf der Initiative und fordern einen Volksentscheid. Ihr Ziel: Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen sollen enteignet und vom Staat entschädigt werden. Der radikale politische Vorschlag hat bundesweit zu heftigen Debatten geführt. Enteignungen sind für Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller keine Option, aber auch er sieht den Ernst der Lage.
Das Foto zeigt Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin.
Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin (picture-alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
"Ich brauche keine Studie, um zu untersuchen, was passiert, wenn die Politik nicht eingreift, sondern ich kann es mir angucken in London und in Paris. Und ich sag’s ganz klar: Ich möchte als Bürgermeister von Berlin keine Situation wie in London haben, wo Leute mit gutem Einkommen anderthalb Stunden vor der Stadt wohnen müssen, weil sie sich die Stadt nicht mehr leisten können. Das kann ich mir angucken, dafür brauche ich keine Studie, und das will ich nicht."
Deshalb plädierte Müllers Berliner SPD auf dem Landesparteitag im März für die Einführung eines "Mietendeckels" – für das Einfrieren der Mieten für einen bestimmten Zeitraum. Dafür warb auch die Bundestagsabgeordnete Eva Högl, die Mitglied im Landesvorstand der Berliner SPD ist.
"Die SPD steht an der Seite der Mieterinnen und Mieter. Nirgendwo sonst. Wir sind die Partei, die Interessen der Mieterinnen und Mieter vertritt. (Applaus) Und deswegen ist der Mietendeckel eine ganz hervorragende Idee, und ich hoffe, dass wir uns die alle zu eigen machen und auch durchsetzen, denn, liebe Genossinnen und Genossen, wo soll das möglich sein, wenn nicht in Berlin? Hier steigen die Mieten so exorbitant. Hier haben wir eine Regierungskoalition, die das politisch durchsetzen kann."
Seither lautet das Rezept von Bürgermeister Müller zur Lösung der Krise auf dem Wohnungsmarkt: "Bauen, kaufen, deckeln". Er will den Wohnungsbau ankurbeln, privatisierte Wohnungen zurückkaufen und die Mieten einfrieren.
"Das Ziel ist ja, dass wir die fünf Jahre nutzen für verstärkten Wohnungsbau, sodass wir dann über die neu gebauten Wohnungen eine Entspannung haben und den Mietendeckel nicht mehr brauchen. Das ist ja das Ziel."
Bei Wiedervermietungen gilt die alte Miete
Aber nach dem Parteitagsbeschluss vom März überließ Müller die Aufgabe seiner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher. Sie gehört zur Linken, steht für eine Wohnungspolitik der "Vergesellschaftung" von Wohnraum und unterstützt die Initiative zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Ihr Programm:
"Mir ist es am liebsten, mir Berlin vorzustellen als soziale Metropole."
Lompscher erkannte in der Föderalismusreform von 2006 eine bislang unentdeckte Chance für eine sozialistische Wohnungspolitik in Länderregie.
"Es werden die wenigsten sich daran erinnern, dass es in der Föderalismusreform II eine Einigung darüber gab, die Regelung für das Wohnungswesen in die Länderhoheit zu überführen. Das ist ja auch vielen Ländern, auch Berlin, über einen sehr langen Zeitraum nicht klar gewesen, welchen großen Spielraum man damit eigentlich gewonnen hat."
Lompscher beruft sich darauf, dass das "öffentlich-rechtliche Mietpreisrecht" in der Kompetenz der Länder liegt, während das "bürgerlich-rechtliche Mietpreisrecht" eine Bundesangelegenheit sei. Auf dieser Grundlage interpretierte sie die sozialdemokratische Idee vom "Mietendeckel" in einem umfassenden Sinne, nämlich…
"…dass wir eben dafür sorgen, dass man in dieser Stadt auch künftig wohnen kann, wenn man wenig Geld hat. Dass man in dieser Stadt auch künftig wohnen kann, wenn man älter wird. Dass man in dieser Stadt auch künftig Kinderbetreuung, Schulen und so weiter alles vorfindet, und, dass nicht nur in irgendwelchen abgedrängten Vororten, sondern die Berliner Mischung als das, was Berlin auszeichnet, sozusagen fortschreibt ins 21. Jahrhundert."
Der erste Entwurf des Mietendeckels vom 17. Juni dieses Jahres definierte Miet-Obergrenzen für den Berliner Wohnungsmarkt, die an die Wohnungspolitik der DDR erinnerten. Eine sanierte Altbauwohnung am Kurfürstendamm hätte nicht teurer als 6,03 Euro pro Quadratmeter sein dürfen. Und Ende August diskutierte die Koalition noch über diesen Vorschlag von Senatorin Lompscher:
"Mietabsenkungsanträge auf die Mietobergrenze können Personen stellen, wenn die bisherige Nettokaltmiete 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens übersteigt."
All das ist jetzt vom Tisch. Die Koalition schliff die radikalen ersten Entwürfe aus dem Hause Lompscher ab. Aber es bleibt dabei: Absenkungen von Mieten aus bestehenden Verträgen sind möglich. Bei Wiedervermietungen gilt die alte Miete. Und: Der Vermieter darf Schönheits-Sanierungen nicht auf die Miete umlegen.
Wohnungsknappheit und hohe Mieten belasten viele Menschen
Dagegen machen die bürgerlichen Parteien, CDU und FDP, seit Monaten Stimmung. Zu den Gegnern gehört Christian Gräff, wohnungspolitischer Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus.
"Der Senat muss etwas gegen die Kampagne ‚Deutsche Wohnen enteignen‘ setzen, die er ja selbst mit verursacht hat, und die ja Zustimmung hat. Die wird ja in der nächsten Woche die Unterschriften vorlegen. Und vielleicht ist das die Antwort des Senats auf ein selbst geschaffenes Problem: dass man den Menschen Lösungen verspricht, die gar kein Lösungen sind und nicht halten kann."
Gräff hält den Mietendeckel für ungerecht. Wer in den vergangenen Jahren nur maßvoll die Mieten erhöht hat, werde jetzt dafür auch noch bestraft.
"Was ich schwierig finden würde, ist, dass diejenigen, die jetzt hohe Mieten haben, in den letzten Jahren stark erhöht haben, dabei bleiben können, und die, die vielleicht sogar noch Mieten haben, die nicht mal zum Teil kostendeckend sind, dass die dafür bestraft werden. Und deswegen finde ich so ein schwarz/weiß und Einheitsinstrument, wirklich schwierig."
Die Argumente der CDU bleiben allerdings ohne großen Widerhall. Denn Wohnungsknappheit und hohe Mieten drücken viele in der Stadt, und Berlin ist immer noch eine Mieterstadt. Mehr als 80 Prozent der Bewohner leben in Mietwohnungen. So dringen Argumente gegen die Wohnungsbaupolitik des Senats kaum durch, wie sie der FDP-Landespolitiker Stefan Förster vorbringt.
"Es wird zu wenig an Land bereitgestellt, es gibt zu wenig neue Grundstücke, die Genehmigungsverfahren dauern zu lange, es gibt eine zu breite und ausufernde Bürgerbeteiligung, und insbesondere das, was die städtischen leisten sollten, können sie nicht leisten."
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Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus (Deutschlandradio /Sebastian Engelbrecht)
In Berlin sind eher grüne Meinungen mehrheitsfähig – wie die von Katrin Schmidberger. Sie errang vor drei Jahren mit 44 Prozent der Stimmen in Kreuzberg ein Direktmandat für die Grünen im Abgeordnetenhaus.
Aufforderung zur Mieterhöhung
"Geschäftsmodelle, die zu spekulativen Preisen Häuser gekauft haben, und jetzt auf eine Rendite von zehn Prozent und mehr setzen, die werden ein Problem bekommen mit dem Mietendeckel. Und das wollen wir auch, weil solche Geschäftsmodelle wollen wir in dieser Stadt nicht haben."
Dagegen befürchtet die Immobilienwirtschaft langfristig negative Folgen des Mietendeckels. Verbände und Unternehmen aus der Berliner Bau- und Immobilienbranche warnen in einem offenen Brief an den Berliner Senat vor den negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft in der Stadt. Maren Kern aus dem Vorstand der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsbau-Unternehmen sagt voraus:
"Die Folgen: Das heißt, wir werden weniger Neubau haben, wir werden weniger Modernisierung haben, weniger Aufträge, Schieflagen im Baugewerbe und im Handwerk und im Endeffekt Arbeitsplatzverluste und Steuerausfälle."
Nicht nur für das wirtschaftliche Klima insgesamt könnte sich der Mietendeckel negativ auswirken. Auch diejenigen, die für eine Wohnung gespart haben und sie als Geldanlage nutzen, dürften enttäuscht sein. Darauf weist Andreas Ibel hin, der Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen.
"Ich glaube, das ist ein riesiges Problem, vor allem für alle diejenigen, die Immobilien zur Altersversorgung halten. Hier wird eine ganz große Entwertung der Immobilien vorgenommen werden. Also wir halten den volkswirtschaftlichen Schaden für wirklich riesig. Aber ich glaube, es wird natürlich auch dazu führen, dass die Investitionen in den Markt eben nicht mehr stattfinden werden."
Eine andere Vermieterorganisation reagierte handfest-praktisch: Der Eigentümerverband "Haus und Grund" forderte seine Mitglieder Anfang Juni auf, noch schnell vor dem Senatsbeschluss zum Mietendeckel am 18. Juni die Miete zu erhöhen. Viele Berliner Vermieter folgten dem Aufruf, manche verschickten ihre Mieterhöhungen nach dem Stichtag und datierten sie zurück.
"Arbeitsplätze sind in Gefahr"
Nach Berechnungen der Senatorin für Stadtentwicklung entgehen den Vermietern durch den Mietendeckel während der fünfeinhalbjährigen Laufzeit 2,2 Milliarden Euro Einnahmen.
Sogar die Wohnungsbaugenossenschaften, die eigentlich der Sozialdemokratie nahestehen, machen Front gegen den Mietendeckel. Sie verfügen über 200.000 Wohnungen in Berlin und fürchten, wegen der Einkommensverluste weder neu bauen noch sanieren zu können. Ihr Sprecher, Frank Schrecker, erklärt:
"Mit jedem Jahr, wo der Mietendeckel weiter in Kraft ist, nimmt das Problem deutlich zu. In den ersten fünf Jahren gehen wir von einem Einnahmenverlust von 150 Millionen Euro aus. Und die Genossenschaften investieren dieses Geld ja wieder in ihre Bestände, deshalb haben unsere Wohnungen, unsere Häuser, unsere Kieze diese Qualität. Und es ist das Geld, was uns für unsere Investitionen fehlt, und es ist das Geld, was im Berliner Handwerk fehlen wird. Das heißt: Arbeitsplätze sind in Gefahr, und die, die man schützen will durch den Mietendeckel, haben möglicherweise nachher gar keine Arbeit mehr und sind die Gekniffenen."
Auch für die sechs städtischen Baugesellschaften wird der Mietendeckel teuer. Ihnen gehören 320.000 Wohnungen. Eine der Gesellschaften ist die Degewo. Im Abgeordnetenhaus warf der FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja dem Senat vor, er beschädige mit dem Mietendeckel die eigenen Wohnungsunternehmen.
"30 Millionen Mindereinnahmen jedes Jahr bei der Degewo. 30 Millionen aufgrund des Mietendeckels ist Berechnungsstand - jedes Jahr. Das fehlt für Investitionen, das fehlt für die Instandhaltung, und das fehlt für den Personalkörper. Das sind die Auswirkungen Ihres Mietendeckels, Frau Lompscher."
Haus der Statistik DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 03.10.2019 Aussenansicht vom Haus der Statistik in Berlin Mitte. Seit 10 Jahren steht das Haus der Statistik mitten in Berlin leer. Auf Hinwirken der Initiative Haus der Statistik, einer Gruppe engagierter Kuenstler:innen, Architekt:innen, Kulturschaffender und Politikerinnen wurden 2015 die bisherigen Plaene für den Verkauf an Investoren und der geplante Abriss verhindert. Kunstaktion von Mieterorganisationen und politischen Initiativen gegen hohe steigende Mieten, teure Modernisierungen, Gentrifizierung, Verdraengung und Zwangsraeumungen. House of Statistics, Haus der Statistik in Berlin, Germany. The building was the former seat of the State Central Administration of Statistics SZS of the German Democratic Republic GDR. An art action was staged in order to prevent the sale of the b
Ein leerstehendes Haus in Berlin mit Protestplakaten gegen Immobilienspekulationen (www.imago-images.de / IPON)
Auch wegen dieser Verluste der landeseigenen Gesellschaften wird der Mietendeckel für den Senat teuer. Insgesamt wird ihn das wohnungspolitische Experiment im Laufe der kommenden fünf Jahre nach Schätzungen 140 Millionen Euro kosten.
Zugleich üben Basisinitiativen von Mietern weiter Druck auf den Senat aus, beim Vorhaben "Mietendeckel" nicht zu viele Abstriche zu machen. Die Initiative "Deutsche Wohnen enteignen" geht immer wieder auf die Straße, auch für den Mietendeckel.
"Wir möchten zeigen, dass es viele Mieterinnen in Berlin gibt, die einen Mietendeckel wollen, der hält, was er verspricht. Und deswegen gehen wir auf die Straße, um zu sagen: Wir wollen eine richtige Lösung dafür, und zwar einen, der keine Ausnahme bietet und der Mieten wirksam senkt, und zwar für möglichst alle Berlinerinnen und nicht nur für zehn Prozent."
Ob das Mietendeckelgesetz rechtssicher ist, weiß heute niemand
Unter dem Druck der Enteignungsinitiative und auch unter dem Druck der Linken in der eigenen Koalition hat sich der Regierende Bürgermeister Müller beim "Mietendeckelgesetz" weiter nach links treiben lassen als er wollte. Noch am 1. Oktober hatte er in der Talkshow "Markus Lanz" im ZDF gesagt:
"Ich glaube, das wird viele auch überzeugen, dass wir dann ein Instrument haben, was wirklich in die Zukunft gerichtet den Menschen auch wirklich hilft und womit man nicht sofort vor Gericht entweder Schiffbruch erleidet oder was gar nicht umsetzbar ist. Das muss man sich ja auch mal vorstellen: Welche Verwaltung soll es denn umsetzen, wenn hunderttausende auf einmal sagen: Sie wollen eine Absenkung ihrer Miete oder es soll sogar zu Enteignungen kommen. Da hat man Rechtsstreitigkeiten über Jahre oder Jahrzehnte, die zum Schluss niemandem helfen."
Das Gegenteil ist eingetreten. Müller ist bereit, für die Mietendeckel-Bürokratie 250 zusätzliche Stellen zu schaffen – und ob das Mietendeckelgesetz rechtssicher ist, weiß heute niemand.
Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat bereits eine Normenkontrollklage gegen den Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt – in Kooperation mit der Unionsfraktion im Bundestag. Die Klage könnte auch beim Berliner Verfassungsgerichtshof eingereicht werden, sobald das Abgeordnetenhaus das Gesetz verabschiedet hat. Geht es nach Bürgermeister Müllers Plan, wird das im Januar passieren. Jedenfalls ist zu befürchten, dass bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine rechtliche Unsicherheit über dem Berliner Wohnungsmarkt schweben wird. Sollte das Verfassungsgericht den Mietendeckel für unzulässig erklären, könnten Vermieter große Beträge von ihren Mietern zurückfordern.
Verfassungsrechtliche Gutachten zum Mietendeckel liegen mittlerweile viele vor - positive wie negative. Der prominenteste unter den Autoren der Gutachten ist der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Er schreibt:
"Die Länder, somit auch der Landesgesetzgeber von Berlin, verfügen nach dem Grundgesetz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt über eine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines so genannten Mietendeckels."
Manchmal aber geht es bei politischen Entscheidungen weniger um die rechtliche Machbarkeit, sondern ums politische Überleben. Für Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher galt schon zu Beginn des Jahres:
"Wir sind ja immer schon einen Schritt weiter. Und da stellt sich für eine linke Stadtpolitik auch nicht die Frage: Macht man das oder macht man das nicht? Vollkommen richtig erkannt: Berlin ist in einem rebellischen Dauerzustand. Eine linke Politik, die das nicht macht, die wird einfach nach Hause geschickt."