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Kränkelnde Pflanzen
Forscher rätseln über Sanddorn-Sterben

Nicht nur an der Küste, auch in Brandenburg, Schleswig-Holstein und sogar in China beobachten Wissenschaftler seit Jahren ein zunehmendes Sanddorn-Sterben. Während Landwirte um ihre Existenz fürchten, suchen Forscher nach der Ursache. Doch das gestaltet sich mehr als schwierig.

Von Katharina Elsner | 10.10.2019
Sanddornbeeren an einem Sanddornstrauch in der Nähe von Spremberg in der Lausitz.
Viele Vitamine, aber krank: der Sanddorn (picture alliance / Andreas Franke)
Benedikt Schneebecke stapft an einem Spätsommermorgen über seine Felder, bis seine Füße auf sandigem Boden vor seinen drei Mitarbeitern stehenbleiben. Die schneiden gerade mit einer Akku-Schere Zweig für Zweig von seinen Sanddornsträuchern. Seit acht Jahren baut Schneebecke die Frucht an, jetzt steht er vor einem Rätsel.
"Hier vorn, hier sieht man es. Wir haben zwei, drei Pflanzen, die sehen super aus. Dazwischen eine, die ist komplett abgestorben. Das ist so ein Problem, das Sanddornsterben in Mecklenburg-Vorpommern in letzten Jahren. Wir wissen nicht, woran es liegt."
Schneebecke, 39, ist blond, hat rosige Wangen und bewirtschaftet in Marlow 600 Hektar Land. Davon baut er auf 60 Hektar Sanddorn an.
Graue, abgestorbene Sträucher
Der Landwirt steuert seinen Geländewagen über seine Felder, schleift zwischen Sträucherreihen entlang. Links und rechts: Beeren, tropfenförmig und prall orange. Ein paar Reihen weiter erstreckt sich eine Fläche voller grauer, abgestorbener Sträucher - der Befallsherd, von dem sich das Sterben wie Finger ausbreite, sagt Schneebecke.
Ein verdorrter und mit einem Pilz befallener Sanddornstrauch
Ein verdorrter und mit einem Pilz befallener Sanddornstrauch (Katharina Elsner)
Seit etwa vier Jahren beobachten Landwirte und Wissenschaftler, dass es dem Sanddorn nicht gut geht, sowohl auf den Plantagen als auch den Wildsorten an der Küste. In Brandenburg, Schleswig-Holstein, auch in China tauchen kranke Pflanzen auf.
Ein völlig unbekannter Erreger
In Mecklenburg-Vorpommern kümmert sich Joachim Vietinghoff um das Sterben. Vietinghoff ist Direktor des Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei. Er untersucht die kranken Pflanzen im Labor. Vietinghoff sagt:
"Nichts passt, wir beschäftigen uns eigentlich jeden Tag mit Schadorganismen an den unterschiedlichsten Kulturpflanzen, und mir ist das in meinem Berufsleben noch nie passiert, dass wir einen Erreger haben, der völlig unbekannt ist."
Vietinghoff hat auf dem kranken Sanddorn zwar einen Pilz gefunden. Er erklärt, dass dieser Pilz die Gefäße des Sanddorns hinaufwandere und verstopfe, so dass die Pflanze keine Nährstoffe und kein Wasser mehr aufnehmen könne. Die Sträucher verdorren also. Aber Vietinghoff sagt auch, dieser Pilz könne eigentlich nicht der Übeltäter sein:
"Das sind in der Regel alles Schwächeparasiten, die sich auf geschwächte Pflanzen aufsatteln. Viele sind auch Erreger, die hier und da vorkommen, die auch an anderen Pflanzen schädigend wirken können. Aber dass das jetzt die Ursache für das Sanddornsterben ist, das können wir uns nicht vorstellen."
Enorme Ernte- und Einnahmeverluste
Mehrere 100.000 Euro habe er in seine Sanddorn-Produktion investiert, sagt Schneebecke. Für die Rüttelmaschine, die die Beeren von den Zweigen trennt und für die zwei Schockfrosterzellen, zwei haushohe Container auf seinem Hof, die seine Beeren auf minus 26 Grad abkühlen. So lassen sich die Früchte leichter von den Zweigen trennen. Schneebecke rechnet dieses Jahr damit, 20 Tonnen weniger Sanddorn zu ernten und damit etwa 70.000 Euro Einnahmen zu verlieren im Vergleich zum Vorjahr. Er findet, das Ministerium für Landwirtschaft müsse ihn mehr unterstützen.
Benedikt Schneebecke aus Marlow in Mecklenburg-Vorpommern baut Sanddorn an
Benedikt Schneebecke aus Marlow in Mecklenburg-Vorpommern baut Sanddorn an (Katharina Elsner)
"Ich habe einen Brief geschrieben, dass unsere Existenz bedroht ist und eine Kulturpflanze in Mecklenburg-Vorpommern vor dem Aussterben ist. Da muss was getan werden, eine Stelle geschaffen. Es reicht ein Mitarbeiter, klar den muss man finden, finanzieren. Allein, mit dem, was ich an Schaden hatte, hätte ich zwei Stellen finanzieren können."
Das Ministerium weist seinerseits daraufhin, es untersuche und dokumentiere seit Beginn des Sterbens immer wieder Sanddorn im Labor. Auch seien andere Institute zu Rate gezogen worden und finanzielle Unterstützung würde geprüft.
Jetzt liegen Sanddornblätter beim Julius-Kühn-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Der Leiter Wilhelm Jelkmann sagt, das Institut untersuche den Sanddorn vor allem auf Viren und weitere Pilze. Aber es könne Jahre dauern, bis sie die Ursachen fänden. Ob Benedikt Schneebecke so lange warten will, weiß er nicht. Er schaut sich bereits nach alternativen Anbaupflanzen für seine Felder um.