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Kraftstoffe aus Holzabfällen

Umwelt. - Biokraftstoffe sind mittlerweile in die Kritik geraten, weil die derzeitigen aus Feldfrüchten gewonnen werden. Die zweite Generation wird allerdings aus Pflanzenabfällen oder -rückständen bestehen. Norwegische Forscher tüfteln auch an entsprechenden Verfahren.

Von Michael Böddeker | 30.01.2009
    "Ist es nicht toll, das Holz aus Norwegen","

    singt John Lennon in "Norwegian Wood". In dem Lied übernachtet sein lyrisches Ich bei einer jungen Frau. Doch zu ihr ins Bett darf er nicht – er muss die Nacht vielmehr allein im Bad verbringen. Am nächsten Morgen rächt er sich, indem er ein Feuer legt. Da die Wohnungseinrichtung der Dame aus norwegischem Kiefernholz besteht, klappt das auch.

    ""Isn’t it good, Norwegian wood"

    Bei der norwegischen Forschungsstiftung Sintef geht es etwas zivilisierter zu. Mimmi Throne-Holst versucht, das Holz aus Norwegen sinnvoller zu nutzen.

    "Wir arbeiten an Biokraftstoffen der zweiten Generation. Herstellen wollen wir diese aus Holz oder Abfällen aus der Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu werden Biokraftstoffe der ersten Generation aus Feldfrüchten gewonnen, die auch als Nahrungsmittel genutzt werden könnten."

    Besonders wichtig sei dabei, dass das Ausgangsmaterial für diese Biokraftstoffe der zweiten Generation nicht viel kostet. Throne-Holst:

    "Man braucht etwas billiges. Daraus stellt man etwas her, das ein bisschen teurer ist, das man dann verkaufen kann."

    Holzabfälle aus der Forstwirtschaft etwa wären so ein günstiges Ausgangsmaterial. Allerdings ist die Weiterverarbeitung von Holz nicht ganz einfach. Es besteht aus unterschiedlichen chemischen Komponenten, die auf verschiedene Weise nutzbar sind. Hauptbestandteile sind Zellulose und Hemizellulose. Throne-Holst:

    "Zellulose und Hemizellulose bestehen aus Zuckern. Diese Zucker befinden sich in einer sehr langen Kette."

    Mikroorganismen wie Hefe oder Bakterien können diese Kette in ihre Bestandteile zerlegen. Throne-Holst:

    "Wir machen daraus Einzelzucker, die man dann für eine Fermentation benutzen kann. Das ist dann sehr ähnlich wie die Gärung bei der Herstellung von Bier oder Wein."

    Bei der Gärung entsteht Ethanol. Mit diesem Alkohol können dann zum Beispiel bestimmte Motoren betrieben werden. Diese sogenannte Flexi-Fuel-Technik wird in Brasilien schon seit langem in Autos genutzt. Neben Zellulose ist Lignin ein weiterer wichtiger Bestandteil von Holz. Lignin ist chemisch komplizierter und unregelmäßiger aufgebaut als Zellulose. Bakterien oder Pilze können es daher nur sehr langsam zersetzen. Besser geht das mit so genannten pyrolytischen Verfahren, erklärt Mike Kleinert von der Universität in Bergen.

    "Das Verfahren selbst geht dann technisch so, dass man Lignin in einen geschlossenen Reaktor unter hohem Druck und unter hoher Temperatur für eine gewisse Zeit, ja, behandelt will ich mal sagen, kocht sozusagen. Hinterher, nach dem Abkühlen, hat man ein Zweiphasengemisch, ein Zwei-Flüssigphasen-Gemisch. Die obere Schicht ist dann unsere organische Produktschicht. Und die trennt sich ab von der unteren Schicht, die wässrig ist."

    Diese organische Produktschicht kann dann – ähnlich wie Rohöl – zu verschiedenen Produkten weiterverarbeitet und raffiniert werden, etwa zu Kraftstoff. Die von Mike Kleinert entwickelte Methode nennt sich "Lignin to Liquid". Er hat sie bereits zum Patent angemeldet. Bis zum Einsatz in der Industrie wird es allerdings wohl noch eine Weile dauern. Kleinert:

    "Um das ganze im produktiven Maßstab fahren zu können, mindestens fünf bis zehn Jahre, würde ich vermuten."

    Neben "Lignin to Liquid" gibt es noch eine Reihe anderer eher chemisch-technischer Verfahren, die in mehreren Schritten ablaufen. Oft wird die Biomasse zunächst zu Gas umgesetzt, und aus dem Gas wird anschließend eine energiereiche Öl-ähnliche Flüssigkeit gewonnen. Zellulose und Lignin, die Hauptbestandteile von Holz, lassen sich also auf unterschiedliche Weise nutzen. Was bei dem einen Verfahren als Reststoff übrig bleibt, kann mit dem anderen Verfahren noch sinnvoll genutzt werden. Auf diese Weise entstehen dann mehrere unterschiedliche Produkte. Solche Plattformchemikalien könnten dann zum Beispiel für die Herstellung von Farben, Lacken, Harzen oder Kunststoffen genutzt werden. Ob und in welchem Umfang fossile Rohstoffe in Zukunft durch neue Techniken ersetzt werden – für Mike Kleinert vor allem eine Frage des Preises und der Politik. Wie viel kostet Bio-Sprit, wie viel konventioneller Treibstoff, gibt es Steuererleichterungen oder nicht.

    "Wenn man die aktuelle Diskussion in der Wirtschaftskrise sieht, dann kommt eine große Lobby her und sagt: ,Wir können jetzt aber nicht so große Fortschritte in der Reduktion von CO2 für Automobile eingehen.‘ Dann knicken Politiker häufig wieder ein. Insofern: Voraussagen sind da sehr schwierig."