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Kramp-Karrenbauer: CDU muss sich den Diskussionen stellen

In die Diskussion um die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebensgemeinschaften müsse die CDU offen hineingehen, "so schmerzhaft die auch für die eigenen Reihen sein mögen", findet die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit Silvia Engels | 26.02.2013
    Silvia Engels: Lange Zeit lehnte die Union die vollständige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ab – vor allem beim Steuerrecht. Noch auf dem letzten CDU-Parteitag Ende Dezember schrieben die Christdemokraten das noch einmal fest. Doch seitdem das Bundesverfassungsgericht zum Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Paaren geurteilt hat, ist hier etwas generell in Bewegung geraten.

    Führende Unions-Politiker wollen auf einmal eine weitergehende Gleichstellung für Schwule und Lesben in Angriff nehmen. – Zugeschaltet ist uns die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer. Guten Morgen!

    Annegret Kramp-Karrenbauer: Hallo! Guten Morgen!

    Engels: Welche Gesetzesänderung für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften würden Sie denn gerne umsetzen?

    Kramp-Karrenbauer: Ich muss sagen, dass ich auf dem letzten Bundesparteitag auch dagegen gestimmt habe, dass sozusagen in einem vorauseilenden Schritt das Steuerrecht entsprechend angepasst wird – auch vor dem Hintergrund, dass ich Signalwirkung in Richtung vollständiges Adoptionsrecht gefürchtet habe. Jetzt muss ich konstatieren, dass das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Sukzessivadoption und Hinweise auf die Volladoption im Grunde genommen in diesem Bereich eine Gleichstellung angemahnt hat, und insofern ist für mich die Bedeutung des Steuerrechtes auch nach hinten gerückt, weil für mich in der Diskussion die Frage um das Wohl des Kindes immer wichtiger war als die Frage des Steuersystems.

    Engels: Das heißt, Sie wollen jetzt ein Umdenken erst mal beim Adoptionsrecht, oder was schwebt Ihnen da vor?

    Kramp-Karrenbauer: Zuerst einmal muss man einfach sehen, was das Verfassungsgericht in dem Urteil festgelegt hat. Es hat sich ganz klar geäußert zur Gleichstellung bei der Sukzessivadoption und es mit Blick auf die Volladoption doch einen sehr deutlichen Hinweis gegeben, sodass ich es für richtig finde, dass auch innerhalb der Bundestagsfraktion zuerst einmal darüber nachgedacht wird, das jetzt auch zügig in eine entsprechende Gesetzesform zu gießen.

    Ich halte es auch für richtig, was Volker Kauder gesagt hat, dass man in dem Zusammenhang auch im Lichte des zu erwartenden Verfassungsgerichtsurteils und der Stellungnahme von führenden Verfassungsrechtlern sich auch offen mit dem Thema Steuerrecht befassen muss. Es gibt dazu ja auch Vorschläge innerhalb der CDU, die noch einmal eine alte Beschlussfassung in Richtung Familiensplitting mit aufgreifen. Also insofern ist das eine umfassende Diskussion, die aus meiner Sicht die CDU auch durchaus führen kann.

    Engels: Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Papier, sagt heute in der "Bild"-Zeitung, "Die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur eingetragenen Partnerschaft sei rechtlich nicht mehr zu halten." Das klingt doch danach, als ob da ein großer Wurf fällig wird?

    Kramp-Karrenbauer: Man muss noch einmal unterscheiden. Das eine ist die Frage der, ich sage noch mal, Privilegierung der Ehe auf der einen Seite, die jetzt vom Verfassungsgericht auch untersucht wird, ob sie sozusagen auch andere dauerhafte Verbindungen, nämlich die der eingetragenen Lebenspartnerschaft, nach dem Gleichstellungsgebot nicht mit umfassen muss.

    Das andere ist eine gesellschaftliche Frage, ob wir generell Verbindungen, die auf Dauer angelegt sind, wie etwa die Ehe, an sich als Institut steuerlich begünstigen, etwa im Vergleich zu Entwürfen, die sagen, es ist egal, ob Partner sich vertraglich oder über den Ehevertrag binden und nur noch darauf setzen, dass irgendwo Kinder vorhanden sind. Das ist sozusagen eine andere Diskussionsgrundlage und beides muss miteinander geführt werden, und ich glaube, die CDU sollte auch in diese Diskussion offen hineingehen.

    Engels: Das heißt, Sie könnten sich vorstellen, beim Steuerrecht in irgendeiner Form die gleichgeschlechtlichen Paare stärker an die Ehe anzunähern, aber beispielsweise beim generellen Adoptionsrecht nicht?

    Kramp-Karrenbauer: Nein. Das generelle Adoptionsrecht – ich glaube, dass wir dort ganz wenig Handlungsspielraum haben, weil die Hinweise des Verfassungsgerichtes doch sehr deutlich waren. Und mir geht es sicherlich so wie vielen anderen in der CDU, aber ich bin mir sicher, nicht nur in der CDU, dass das mit Blick auf die Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften für mich immer das wesentlich gravierendere Thema war als die Frage des Steuerrechtes.

    Insofern, glaube ich, hat das Verfassungsgericht hier ein deutliches Signal gegeben, das auch aus meiner Sicht in eine Gesetzeslage entsprechend umgemünzt werden muss. Die andere Debatte um das Steuerrecht mit beiden Komponenten, was die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft anbelangt, aber auch die Frage, wie das Verhältnis von Eheinstitut auf der einen Seite und sozusagen Privilegierung von Kindern auf der anderen Seite ist, das ist eine steuerrechtliche Debatte, vor der ich sage, da braucht die CDU keine Angst zu haben und sie sollte sie auch offen führen.

    Engels: Im Bundesrat liegen demnächst gleich mehrere Ansätze aus SPD-geführten Ländern vor, die in verschiedener Form die Gleichstellung homosexueller Paare vorsehen. Gibt es irgendeinen dieser Entwürfe, dem Sie sich vorstellen können zuzustimmen?

    Kramp-Karrenbauer: Nein, denn man muss ganz klar sehen, auch mit Blick auf die Abläufe und auch mit Blick auf die Tatsache, dass wir ein Bundestagswahljahr haben, dass es hier insbesondere darum geht, sozusagen den Bundesrat auch ein Stück weit als politisches Kampfinstrument anzusetzen.

    Engels: Aber Sie haben auch schon bei gewissen Initiativen von der Oppositionsseite im Bundesrat mitgestimmt.

    Kramp-Karrenbauer: Ja wir haben mitgestimmt dort, wo es aus meiner Sicht wirklich geboten war, bei der Frauenquote und beim Mindestlohn, weil wir im Koalitionsvertrag auch entsprechend gebunden sind. Aber wenn es hier ganz klare Signale aus den Reihen der Regierung gibt, dass das Thema in diesem Sommer sozusagen auf die Agenda kommt, dann bedarf es nicht der Aufforderung von SPD-geführten Ländern.

    Engels: Sie sprechen das Stichwort Bundestagswahl an. Ist das nun reiner Wahlkampf der CDU, dass sie sich bei diesem Thema bewegt, um SPD und Grünen ein Thema wegzunehmen?

    Kramp-Karrenbauer: Nein, das ist es nicht. Man muss einmal feststellen, dass es hier eine gesellschaftliche Debatte gibt und auch eine Bewegung und dass dies ein Thema ist, das die CDU in einer besonderen Art und Weise auch betrifft. Das ist auch ein Thema, das in der CDU in einer besonderen Offenheit auch diskutiert wird, und ich glaube schon, dass es auch in anderen Parteien Menschen gibt, die sich um die Frage der vollkommenen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften zur Ehe ihre Gedanken machen.

    Aber in der CDU wird das auch offen ausgetragen und ich halte das auch für richtig. Und wenn das Verfassungsgericht entsprechende Urteile spricht und sich daraus auch Notwendigkeiten ergeben, die Gesetzeslage anzupassen, dann muss die CDU sich diesen Diskussionen auch stellen, so schmerzhaft die auch für die eigenen Reihen sein mögen. Ich spüre das auch an mir selbst. Das ist eine Frage, in der ich wirklich auch hin und hergerissen bin. Ich gebe das ganz offen zu.

    Engels: Können Sie denn die CSU noch überzeugen, sich zu bewegen? Die will ja derzeit das ganze Thema klein halten. Gibt es also noch einen gemeinsamen Gesetzesentwurf vor der Bundestagswahl dazu?

    Kramp-Karrenbauer: Ich glaube nicht, dass es darum geht, ein Thema klein zu halten oder die CSU zu überzeugen. Es geht darum, aus dem Urteil zum Adoptionsrecht die notwendigen Schlüsse abzuleiten. Da scheint mir die Lage relativ klar zu sein. Und es scheint mir, mit Blick auf das Steuerrecht, auch mit Blick auf die Hinweise im Vorfeld einer Verfassungsgerichtsentscheidung die notwendige Diskussion zu führen und da auch handlungsfähig zu werden, und da bin ich mir ganz sicher, dass sich die CSU auch entsprechend konstruktiv einbringen wird.

    Engels: Auch mit einem Gesetzesentwurf noch vor der Wahl?

    Kramp-Karrenbauer: Das kann ich nicht beurteilen. Das wird sicherlich auch von der Diskussion abhängen, wird von der Frage abhängen, inwieweit man auch alte Programmatik, Stichwort Familien-Realsplitting, jetzt noch einmal aufgreift, und dann wird man sehen, ob das eine Thematik ist, die ins Wahlprogramm führt, oder die noch in eine Gesetzesinitiative mündet.

    Volker Kauder hat ja für die Fraktion angekündigt, dass man das prüfen wird, dass man sich offen damit beschäftigen wird, und ich glaube, dass das auch richtig so ist, weil letztendlich auch die Abgeordneten im Bundestag dafür die Verantwortung tragen müssen, und deswegen sollte auch die Fraktion dort das in Ruhe jetzt beraten und braucht sicherlich von außen keine klugen Ratschläge.

    Engels: Die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU. Vielen Dank für das Gespräch.

    Kramp-Karrenbauer: Bitte schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.