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Krank als Ausländer

Deutsche und EU-Krankenversicherte haben die gleichen Rechte: Wer als nicht-deutscher EU-Bürger in Deutschland studiert, bekommt im Krankheitsfall genau wie im Heimatland eine ärztliche Behandlung. Doch was auf dem Papier klar geregelt ist, klappt in der Praxis trotzdem oft nicht, klagen Studierende aus dem Ausland.

Von Katinka Schmitt | 19.03.2008
    Brigitta kommt aus Ungarn. Die 26-Jährige studiert seit eineinhalb Jahren Angewandte Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Als sie vor ein paar Wochen eine Mandelentzündung bekam, ging sie zum Arzt. Aber schon im Vorzimmer wurde ihr von der Sprechstundenhilfe klar gemacht, dass dieser Arzt sie nicht behandeln würde. Angeblich stellt ihre Versicherung ein Problem dar.

    " Ich fand die Situation sehr erniedrigend, dass man da erklären musste: Ich bin doch versichert, ich habe doch die gleichen Rechte, und sie wollten mich trotzdem nicht behandeln. "

    Marion kommt aus Frankreich. Genau wie Brigitta hat auch sie eine europäische Krankenversicherungskarte. Die beiden Studentinnen sind in ihrem jeweiligen Heimatland versichert und als EU-Krankenversicherte haben sie damit in Deutschland identische Rechte wie ein deutscher Krankenversicherter - zumindest auf dem Papier. Doch auch Marion hat ganz andere Erfahrungen gemacht. Als sie eine Blasenentzündung hatte und zum Arzt ging, verweigerte der ebenfalls eine Behandlung, berichtet sie:

    " Die haben keine Ahnung, wie das präzise funktioniert, und dann auch Angst, dass das Geld nicht mehr reinkommt, glaube ich. "

    Tatsächlich scheinen viele Ärzte sich davor zu scheuen, ausländische Studenten als Patienten anzunehmen, selbst wenn diese aus dem europäischen Ausland kommen.

    " Ich kenne sehr viele Ausländer, die haben die gleiche Versicherung, die ich habe, und ich kenne keine, die damit noch kein Problem gehabt hat, "

    sagt Brigitta, um zu betonen, dass es sich bei ihr und Marion nicht um Einzelfälle handelt.

    Dabei wirkt das Verfahren gar nicht so kompliziert, zumindest dann nicht, wenn es Burkhard Bratzke von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin erklärt:

    " Technisch läuft das so für Ausländer, die in Deutschland sind, dass der ausländische Mitbürger seine ausländische Krankenversichertenkarte vorlegt, der Arzt überträgt die Daten in ein Formular, der Patient wählt in der Praxis, zu Lasten welcher Krankenversicherung er behandelt werden muss - er kann also dann sagen: Ich möchte zu Lasten der Barmer und nach den Regeln der Barmer behandelt werden - und dann kriegt er genau die gleiche Behandlung und genau die gleichen Regeln. Er muss zehn Euro Praxisgebühr bezahlen, er muss Arzneimittelzahlungen leisten und so weiter. "

    Die Vergütung des Arztes und die Medikamente bezahlt dann die deutsche Krankenkasse und rechnet das ihrerseits mit der ausländischen Krankenkasse ab. Davon merken weder Arzt noch Patient etwas.

    Aber wie sieht die Rechtslage aus? Darf ein Kassenarzt die Behandlung von Marion oder Brigitta verweigern? Darf er nicht, sagt Burkhard Bratzke:

    " Wer aus dem EG-Ausland kommt und dort in einem Sozialversicherungssystem eingebunden ist, auf gut Deutsch in Frankreich Kassenversicherter ist, wird in Deutschland genauso wie ein deutscher Kassenversicherter behandelt. Der Arzt muss ihn annehmen, muss ihn behandeln, darf ihm keine Rechnung stellen. "

    Burkhard Bratzke bedauert, dass einige seiner Kollegen in dieser Hinsicht offenbar schlecht informiert sind. Er kritisiert, dass es keine verpflichtende Fortbildung zu diesem Thema gibt. Mangelnde Routine im Umgang mit ausländischen Patienten und sperrig verfasste Merkblätter täten ihr übriges. Ein Formblatt, das eine schnelle Übersicht bietet, sei daher längst überfällig:

    " Die Unterlagen zu der Behandlung von EG-Ausländern sind gute 20, 30 Seiten dick, und da ist in der Tat bei vielen Praxen schlichtweg noch nicht die gesamte Information angekommen - dass sie wissen, wie ausländische Versicherte korrekt behandelt werden. "

    Auch für die Studierenden hat Burkhard Bratzke eine gute Idee parat. Direkt bei der Immatrikulation soll in Zukunft Infomaterial ausgegeben werden, das die ausländischen Studierenden über ihre Rechte, Pflichten und Ansprüche aufklärt.

    Und falls trotzdem Probleme auftreten, rät er den Versicherten:

    " Dass sie sich an die Kassenärztliche Vereinigung wenden. Die wird dann den Kassenarzt darüber informieren, wie der richtige Weg ist. "