Freitag, 29. März 2024

Archiv

Krankheitserreger
Lepra bei Schimpansen ohne jeglichen Menschenkontakt

Dank Antibiotika lässt sich Lepra behandeln. Allerdings gibt es Ausbrüche, deren Ursprung rätselhaft ist. Mit Lepra infizierte Schimpansen deuten darauf hin, dass es in Guinea-Bissau und der Elfenbeinküste natürliche Reservoire für die Erreger geben müsse, sagte RKI-Wildtierexperte Fabian Leendertz im Dlf.

Fabian Leendertz im Gespräch mit Christiane Knoll | 19.11.2020
Liebe Frau Knoll, ja, für das Foto aus Tai (Woodstock) kann ich bestätigen, dass wir die Rechte nicht exclusiv abtreten und darum bitten das Foto nur für diesen Beitrag zu nutzen. Photo credit wäre: Tai Chimpanzee Project Schöne Grüße Fabian Leendertz
Woher stammen die Erreger? Der Schimpanse 'Woodstock' hat sich in freier Wildbahn mit Lepra infiziert. (Tai Chimpanzee Project)
Lepra ist ein Bakterium und kann inzwischen mit Antibiotika behandelt werden. Deshalb stecken sich immer weniger Menschen an. Infektionsketten lassen sich in manchen Fällen nicht nachvollziehen. Die Artenschützerin Kimberley Hockings hat in Guinea-Bissau zum ersten Mal wilde Schimpansen mit Lepra entdeckt. Gemeinsam mit Hockings hat der Wildtierexperte vom Robert-Koch-Institut, Fabian Leendertz, dazu eine Studie veröffentlicht.
Christiane Knoll: Wie sind Sie auf die Leprafälle unter Affen aufmerksam geworden?
Fabian Leendertz: Ja, die Kollegin hat mir eben Fotos und Videos von Kamerafallen geschickt. Die folgen den Schimpansen dort indirekt, die sind also nicht an Menschen gewöhnt, sondern die haben da diese Kamerafallen. Und auf diesen Kamerafallen haben sie eben diese wirklich fast gruseligen Fotos von entstellten Schimpansen gesehen – und uns dann geschickt, weil wir eben dafür bekannt sind, dass wir uns mit wild lebenden Primaten und vor allem Menschenaffenkrankheiten auskennen.
Kotproben lieferten den entscheidenden Hinweis
Da die Tiere ja nicht an Menschen gewöhnt sind, kann man auch nicht mal eben eine Kotprobe von denen bekannten Tieren sammeln. Sondern wir haben die dann gefragt, ob sie es schaffen können, eben Kot zu sammeln auch von diesen Tieren, denen sie eigentlich gar nicht folgen können. Und das haben die tatsächlich geschafft. Das dauert natürlich ein paar Wochen oder Monate, aber Schimpansen machen Nester jeden Abend in den Bäumen, wo sie dann schlafen. Und morgens, wenn sie aus dem Nest rausgehen, setzen sie da eben ihren Kot und ihr Urin ab. Und das Material haben die gefunden und uns dann eben geschickt.
Knoll: Und das haben Sie dann analysiert?
Leendertz: Genau! Wir nutzen sehr viel Kotproben von Wildtieren, vor allem von Menschenaffen, weil man das Material gewinnen kann, ohne dafür die Tiere in Narkose zu legen und zu stressen. Das heißt: Wir wussten schon vorher, dass wir zum Beispiel Atemwegskrankheiten im Kot gut nachweisen können. Bei Hautkrankheiten hatten wir bisher nur einen Fall, wo wir das nachweisen konnten, aber wir haben gesagt, bevor wir gar nichts machen, versuchen wir es halt. Und wir haben dann verschiedene PCR-Verfahren angewendet und konnten eindeutig Lepra nachweisen.
Bei Menschen haben sich die Affen nicht angesteckt
Knoll: Das wäre jetzt erstmal noch gar nicht so überraschend, weil natürlich Schimpansen auch Lepra bekommen können. Das war vorher schon bekannt. Was genau ist das Überraschende für Sie?
Leendertz: Die bisherigen Lepra-Befunde bei Schimpansen und auch Primaten sind alle in einem Zoo aufgetaucht. Diese Tiere haben eben engen Kontakt zu Menschen beim Transport, bei der Pflege und so weiter. Das heißt, das wahrscheinlichere Szenario war da, dass die Tiere sich beim Menschen infiziert haben.
Die Schimpansen, die wir jetzt eben in Guinea-Bissau und dann später an der Elfenbeinküste gefunden haben, haben keinerlei Kontakt zu Menschen. Die werden nicht berührt, die haben keinen Haut-Haut-Kontakt mit irgendjemandem. Und da war eben dann die Frage: Wie können sich diese Wildtiere infizieren?
Knoll: Haben Sie da mittlerweile eine Theorie?
Leendertz: Wir haben nur Theorien, aber wir haben überhaupt keine guten Hinweise. Es gibt eben die eine Richtung, dass eventuell Kleinsäugetiere als Reservoir fungieren könnten. Also Mäuse, Eichhörnchen sind dafür bekannt, dass sie eben auch wiederum von Menschen sich infizieren können mit Lepra. Das heißt, irgendein Nagetier könnte dort das Reservoir sein. Es gibt aber auch Hinweise, dass gerade diese Gruppe der Mykobakterien, zu denen Lepra eben gehört, auch in der Umwelt weit verbreitet vorkommt. Es kann sogar sein, dass es da ein Umweltreservoir gibt. Das müssen wir jetzt in den nächsten Jahren untersuchen.
Fundorte: Elfenbeinküste und Guinea-Bissau
Liebe Frau Knoll,
wir haben nun auch die Freigabe für diese beiden Bilder, bitte die Quelle so wie in der Beschreibung der Datei angeben.
Gleiche Bedingungen wie für das andere Foto:
Bitte nur zur einmaligen Verwendung.
Schöne Grüße,
Fabian Leendertz
Ein mit Lepra infizierter Schimpanse, aufgenommen von einer automatischen Kamerafalle im Dschungel (Cantanhez Chimpanzee Project / Elena Bersacola)
Knoll: Die beiden Fundorte, die Sie jetzt genannt haben, Elfenbeinküste und Guinea-Bissau, liegen ja weit auseinander, Hunderte von Kilometern. Das würde bedeuten, dass es auch ein weit verbreitetes Reservoir sein müsste. Wie ist dieser Befund jetzt einzuordnen? Ist das eine große Gefahr für die Schimpansen?
Leendertz: Da gibt es verschiedene Gesichtspunkte. Auch bei Menschen gibt es ab und zu Leprafälle, wo man wirklich nicht weiß, wo hat sich dieser Mensch infiziert. Das ist nicht immer eindeutig zu klären, dass man weiß, in der Familie zum Beispiel war ein anderer Leprafall. Diese Infektionsketten sind nicht schlüssig vorhanden, das heißt, da wird auch schön länger spekuliert, ob es nicht irgendwo noch eine andere Quelle gibt. Diese Quelle zu identifizieren, ist natürlich hoch relevant, um dann auch präventiv eventuell tätig zu werden, was mögliche Infektionen angeht.
Was jetzt die Wildtiere angeht – und gerade die bedrohten Menschenaffen –, ist es natürlich auch etwas, was wir beobachten müssen. Man muss nur sagen: Die Fälle, die wir in Guinea-Bissau und auch an der Elfenbeinküste beobachten, sind jetzt nicht so drastisch gewesen, dass wir denken, davon wird jetzt die Population aussterben und wir haben da ein Artenschutzproblem. Nichtsdestotrotz ist es natürlich so, dass die Tiere sowieso bedroht sind, und jede andere Gefährdung der Tiere ist natürlich noch mal ein Beitrag dazu. Insofern nehmen wir das auch nicht auf die leichte Schulter.
"Wir suchen nach der Quelle"
Knoll: Das heißt, Sie suchen jetzt weiter nach der Quelle?
Leendertz: Wir suchen nach der Quelle. Wir schauen uns an: Wie weit ist es wirklich verbreitet unter den wildlebenden Menschenaffen, anhand von großen Probensammlungen, die wir mit unseren afrikanischen Partnern zusammen aus verschiedenen Gegenden haben. Und versuchen eben einzuengen: Wie haben sich diese wildlebenden Schimpansen in dem Fall infiziert? Und könnte diese Quelle auch eine mögliche Erklärung für unerklärte Fälle bei Menschen in diesen Gegenden wiederum sein?
Knoll: Können Sie denn den Schimpansen helfen, werden die jetzt auch mit Antibiotika behandelt?
Leendertz: Die Behandlung von Lepra ist leider nicht so einfach, das sind sehr langwierige Verfahren, auch beim Menschen. Da muss man monatelang oder bis zu einem Jahr Antibiotika geben täglich, also einem strengen Behandlungsregime folgen. Das ist bei Wildtieren nicht möglich. Die fressen ja nichts, was wir ihnen anbieten, würden wir auch nicht machen. Wir wollen ja, dass die wild bleiben. Das heißt, die einzige Möglichkeit der Verabreichung von Antibiotika wäre per Blasrohr. Das kann man vielleicht ein- bis zweimal machen, aber dann merken sich die Tiere das und werden scheu. Und vor allem, wenn die das Blasrohr sehen, dann sind die sofort weg. Das heißt, das ist wirklich etwas, wo unsere Interventionsmöglichkeiten extrem limitiert sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.