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"Krautreporter"
Magazin-Journalismus im Internet

"Der Online-Journalismus ist kaputt." Das finden die Journalisten von "Krautreporter". Ihr neues Online-Portal soll statt "Ticker-Journalismus" qualitativ hochwertige Magazinbeiträge liefern. Finanziert werden soll das Projekt nicht durch Werbung, sondern durch die Nutzer.

Von Daniel Bouhs | 17.05.2014
    Das Online-Magazin "Krautreporter" sucht Unterstützer für unabhängigen Journalismus im Netz.
    Das Online-Magazin "Krautreporter" sucht Unterstützer für unabhängigen Journalismus im Netz. (Screenshot)
    "... viele Leser fühlen sich nicht mehr gut informiert vom Journalismus im Netz. Was Mangelware ist, ist gute Recherche..."
    Ein Video, das recht großspurig für eine kleine Revolution wirbt. 28 Medienmacher suchen ein neues Modell und vor allem: Unterstützer. "Krautreporter" heißt ihr Projekt, ein Online-Magazin, das ganz anders sein soll als "Spiegel Online" und Co. - Portale, über die die "Krautreporter" offensiv sagen: "Der Online-Journalismus ist kaputt."
    "Wir glauben, dass der Online-Journalismus deswegen ein Problem hat, weil er sich im Moment komplett über Werbung finanzieren muss. Und Werbung verträgt sich nur mit einer bestimmten Sorte von Journalismus, nämlich mit solchem Journalismus, der auf Masse setzt", erklärt Sebastian Esser, der Geschäftsführer des Projekts. Die bisherigen Inhalte im Netz stempelt er als reinen "Ticker-Journalismus" ab: viel Hype und Boulevard.
    "Davon gibt's genug, also genau das ist unsere Idee: Dem etwas hinzuzufügen, sodass es den großen, guten, traditionellen Magazin-Journalismus auch im Internet geben kann."
    "Stundenlohn wie eine Kellnerin"
    Die Kampagne polarisiert. Ein "Krautreporter" wirft immerhin den Tageszeitungen pauschal vor, Anzeigenkunden statt Leser "happy" machen zu wollen. Das sorgt für Verstimmung. Gleichzeitig ist an ihren Vorwürfen aber natürlich auch etwas dran. FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher bedankte sich gar für die Kampagne. Was dort über den klickgetriebenen Journalismus zu lesen sei, teile er zu 100 Prozent. Die Folgen dieser Entwicklung spüren vor allem die Autoren wie Theresa Bäuerlein:
    "Also es gibt total viele Sachen, die ich für die existierenden Ableger der Online-Medien gerne machen würde, aber ich habe gemerkt, das lohnt sich einfach nicht. Also da muss ich so viel Arbeit reinstecken, wenn ich es gut machen will, dass ich dabei einen Stundenlohn wie eine Kellnerin habe. Also das geht einfach nicht."
    Bäuerlein macht deshalb bei "Krautreporter" mit - wenn es denn klappt. 15.000 Leser müssen sich im Vorfeld verpflichten, fünf Euro im Monat zu zahlen und das ein ganzes Jahr lang. Das macht zusammen 900.000 Euro. Die "Krautreporter" versprechen dafür vier bis fünf Geschichten am Tag und einen neuen journalistischen Wildwuchs, denn wer für traditionelle Magazine schreibe, müsse sich stets irgendwie einfügen.
    "Das heißt, es muss alles immer gleich klingen auf 'ne Art. Und ich finde es total gut, dass man in 'Krautreporter' wirklich - das klingt jetzt klischeehaft, aber - dass man Charakterköpfe haben kann, dass man tatsächlich seinen eigenen Stil haben kann."
    "Bezahlschranke vor der Community statt vor den Inhalten"
    Keine Frage: Das Projekt hat etwas für sich. Die Reaktionen aber schwanken zwischen Euphorie und Ablehnung - auch, weil im Projektteam 6 Frauen 22 Männern gegenüberstehen. Häufig fragen interessierte Nutzer im Netz auch, welche Geschichten die "Krautreporter" am Ende denn genau liefern wollen, wie die Seite konkret aussehen soll. Die "Krautreporter" halten sich bedeckt. Eine Nullnummer gibt es nicht. Und dann fragt sich manch einer, warum er denn zahlen soll, wenn die Inhalte ohnehin für jedermann frei im Netz stehen sollen - anders als bei einem ganz ähnlichen und sehr erfolgreichen Projekt in den Niederlanden.
    "Wir wollen eine Stimme sein, die gehört wird und die zum Konzert der Stimmen in der Öffentlichkeit beiträgt. Und deswegen ist unsere Bezahlschranke vor der Community statt vor den Inhalten,"
    kontert Sebastian Esser. Denen, die bezahlen und das Projekt so überhaupt erst ermöglichen, verspricht er den exklusiven Kontakt zu den Autoren: Nur Mitglieder sollen die Texte kommentieren können oder auch zu Lesungen geladen werden - und nicht zuletzt auch in die Recherchen eingebunden.
    "Wir werden sie bitten, uns zu verraten, bei welchen Themen sie sich besonders gut auskennen, welche Berufe sie haben, wo sie genau wohnen. Wir wollen da ein ganz anderes Verhältnis zum Leser herstellen."
    Wenn sie bis Mitte Juni genügend zahlende Fans für ihr recht vages Projekt begeistern können, wollen die "Krautreporter" im Herbst loslegen. Und wenn nicht? "Krautreporterin" Theresa Bäuerlein will darüber lieber gar nicht erst nachdenken.
    "Im Moment will ich einfach, dass dieses Projekt an sich klappt, dass es dieses Magazin gibt. Ich kann auch so weiter machen wie vorher. Aber ich fände es besser, wenn es anders wäre."