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Kreativ heißt nicht gleich Knete

Laut einer Studie der Deutschen Bank betrug der Jahresumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft 2009 60 Milliarden Euro. Kein Wunder, dass auch das Angebot an Kreativstudiengängen boomt. Doch es gibt auch eine Kehrseite, denn nicht immer heißt kreativ auch bares Geld.

Von Thomas Kramer | 02.09.2011
    Trubel auf der Bildungsmesse "Horizon" im Leipziger Gewandhaus. Ein Viertel der knapp 40 Aussteller – Vertreter der Kreativwirtschaft: zwei Modeschulen, eine für Illustration, zwei Filmakademien, zwei private Hochschulen für Kunst und Medien, eine Staatliche und das Musikfachseminar Stuttgart. Im Rahmenprogramm gibt es eine Talkrunde: "Mach dein Hobby zum Beruf!"

    "An der Hochschule der Populären Künste können Sie studieren: Mediendesign, Medienmanagement, Musikproduktion und Audioproduktion."

    Professor Lars Roth ist Dozent für Mediendesign an der privaten Kunsthochschule HdPK in Berlin. Ein Semester kostet 3195 Euro. Plus Semesterticket, plus Beitrag für´s Studentenwerk, plus einmaliger Einschreibegebühr: 200 Euro. Es gibt auch eine Aufnahmeprüfung. Trotzdem: Über mangelnde Nachfrage kann er nicht klagen.

    "Stellen Sie sich vor: Manche Leute kaufen sich einen Mittelklassewagen für 30.000 Euro. Der ist nach zehn Jahren Feierabend. Ein Studium ist etwas für´s ganze Leben. Dafür 18.600 Euro zu investieren finde ich nicht zu viel."

    Nur eines der Argumente, mit denen Roth um neue Studierende wirbt. Kleine Klassen, familiäre Atmosphäre, Dozenten, die aus der Praxis kommen, moderne Ausstattung – für das Geld wird Einiges geboten.

    "Wir sind uns auch relativ sicher, dass Studierende, die wissen, was sie wollen, hinterher einen Job finden. Und das ist alleine deshalb schon so, weil sie während des Studiums Kontakte knüpfen, die sie weiter bringen, direkt in einen Job."

    Viele Absolventen beurteilen die Situation auf dem Arbeitsmarkt deutlich verhaltener. Einer von ihnen: Tobias Wulff, selbstständiger Filmemacher und Absolvent der privaten Kaskeline Filmakademie in Berlin-Kreuzberg.

    "Es ist sehr, sehr schwer, gerade in den ersten ein bis zwei Jahren, und es wird auch weiterhin nicht einfach sein. Die Aufträge kommen einem nicht zugeflogen, da muss man sehr schauen. Ich sprech jetzt nur für die Filmproduktion, und das ist wirklich ein superheiß umkämpfter Markt gerade in Berlin."

    An kreativer Freiheit fehlt es nicht; es hapert bei der Sicherheit.

    "Naja, abgesichert ist man insofern nicht, wenn man als freischaffender Künstler oder Filmemacher oder Producer tätig ist. Es gibt auch keine Vorhersage, wie es im nächsten Monat aussieht, also es ist wirklich ein Kampf und man muss richtig am Ball bleiben."

    Fragt man, worauf es ankommt, ist von Leidenschaft die Rede. An zweiter Stelle: Sitzfleisch und Nehmerqualitäten. Das Zauberwort heißt: Netzwerken – immer und überall. Im Studium, Praktikum, bei öffentlichen Präsentationen und Projekten. Da herrscht Einigkeit.

    Marktorientiert ist auch das Angebot der Internationalen Filmschule Köln, kurz IFS. Dort wird der filmische Nachwuchs von Nordrhein-Westfalen ausgebildet. Das Studium – organisiert in Kleinstgruppen von maximal zehn Studierenden, nur alle zwei Jahre werden Neue aufgenommen. Miriam Edinger von der Öffentlichkeitsarbeit:

    "Wir bieten Bachelorstudiengänge an in den Bereichen Regie, Drehbuch, Produktion, Editing Bild und Ton und Kamera. Darüber hinaus Maskenbild, Kostümbild, Szenenbild, aber auch in Richtung neue Medien: Digital Arts, Interatcive Media, Filmmontage, Autorenprogramm und Schauspiel."

    Den allgemeinen Kreativ- und Medienboom erklärt Edinger mit der zunehmenden Digitalisierung.

    "Jeder Schüler stellt jetzt schon sein Video bei Youtube rein. Das heißt, das Interesse wird viel früher geweckt, auch in die Richtung zu gehen. Es entstehen neue Berufsbilder, viel wird am Computer produziert."

    Einer von denen, die ausschließlich am Computer produzieren, ist Gerson Reschke. Der junge On-Air-Designer stammt aus Mainz und hat drei Jahre an der privaten Media Design Berlin studiert.

    "Das Arbeiten ist am Anfang eben doch recht schwierig, weil man dann auf Kommando kreativ sein muss."

    Nach seinem Bachelor of Arts hat er ein Jahr als Trainee in einer Onlineagentur gearbeitet. Die größte Veränderung zum Studium: Die Kehrseiten des vermeintlichen Kreativjobs erkennen: Büroalltag mit Termindruck, Lieferzwang und mittelprächtiger Bezahlung. Nach einem Jahr hat er sich selbstständig gemacht. Jetzt muss er sich aktiv vermarkten. Bilanz zwei Jahre nach Studium:

    "Also ich würde behaupten: 60 Prozent der Leute aus meinem Studiengang arbeiten noch immer nicht in der Branche, sondern machen irgendwas anderes, halten sich irgendwie über Wasser und Festanstellungen gibt´s fast gar keine."

    Ein Kreativer mit schwankendem Erfolg, glücklich in seinem Job als Freischaffender. Angekommen in der Realität.

    Weitere Informationen:

    Zahlen zur Kreativwirtschaft
    http://www.hk24.de/

    Bildungsmesse Horizon unter
    http://www.horizon-messe.de/