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Kreative Korrosion

Nanotechnologie. - Ob Autobesitzer, Heimwerker oder Kleingärtner: Für die meisten Menschen ist Rost ein Ärgernis. Nun haben Forscher aus den Niederlanden entdeckt, dass man sich im Korrosion auch zu Nutze machen kann - als kostengünstiges Herstellungsverfahren für die Nanotechnologie.

Von Frank Grotelüschen | 12.06.2012
    Nein, eigentlich mag es Marc Koper gar nicht, wenn etwas rostet. Denn:

    "Das bedeutet ja, dass ein Material, das man für irgendwas braucht, auseinanderfällt. Und das möchte man natürlich nicht."

    Doch es gibt eine Ausnahme. Eine bestimmte Art von Korrosion nämlich könnte durchaus nützlich sein. Sie könnte als ein neues, kostengünstiges Herstellungsverfahren für die Nanotechnologie taugen, meint Koper, Chemieprofessor an der Universität Leiden in Holland.

    "Legt man an ein Stück Metall eine negative elektrische Spannung an, wird das Metall vor Korrosion geschützt. Das ist ein übliches Rostschutz-Verfahren. Aber regelt man die negative Spannung sehr hoch, setzt die Schutzwirkung aus und die Korrosion beginnt wieder. Das hatte zwar schon Fritz Haber vor über 100 Jahren bemerkt. Doch wir haben nun entdeckt, dass man damit Nanoteilchen aus Metall herstellen kann, und zwar sehr effektiv."

    Nanoteilchen aus Metall finden heute in der Industrie Verwendung, etwa als Katalysatoren, um chemische Reaktionen zu beschleunigen. Auch im Abgaskatalysator eines Autos stecken Nanoteilchen, zum Beispiel aus Platin. Sie helfen, die Schadstoffe im Abgas in harmlosere Substanzen umzuwandeln. Bislang produziert man diese Nanoteilchen, indem man Metallsalze auflöst und chemisch reagieren lässt. Eine aufwendige Prozedur, bei der bestimmte Bedingungen strikt einzuhalten sind. Die neue Methode aus den Niederlanden klingt da deutlich simpler.

    "Wir nehmen einfach etwas Sodawasser und tauchen ein Stück Metall hinein, zum Beispiel Silber. An dieses Silber legen wir dann eine hohe negative Spannung an – und schon zersetzt sich das Silber in lauter winzige Nanoteilchen. Dass das so einfach geht, hätten wir selbst nicht gedacht. Warum dabei Nanoteilchen entstehen, wissen wir zwar noch nicht so recht. Im Moment sind wir erst mal froh, dass es überhaupt funktioniert."

    Die entstehenden Teilchen messen zwischen einem und 50 Nanometer. Für Anwendungen interessant sind vor allem Größen um fünf Nanometer, fünf milliardstel Meter.

    "Wir versuchen nun herauszufinden, wie man den Prozess so beeinflussen kann, dass Teilchen einer bestimmten Größe herauskommen. Eine wichtige Rolle scheint die elektrische Spannung zu spielen. Auch die Gestalt der Nanoteilchen würden wir gern beeinflussen können. Denn die Gestalt ist überaus wichtig für die Funktion eines Nanoteilchens."

    Koper vermutet, dass dabei der Elektrolyt eine Rolle spielt, also jene Flüssigkeit, in die das Metall eingetaucht wird. Grundsätzlich aber funktioniert das Verfahren erstaunlich gut.

    "Wir haben noch kein Metall gefunden, bei dem es nicht klappt. Und was besonders schön ist: Unsere Methode funktioniert auch bei Legierungen. Normalerweise ist es schwierig, Nanoteilchen aus Legierungen herzustellen, also aus Mischungen verschiedener Metalle. Wir geben statt eines reinen Metalls einfach eine Legierung in unser Tauchbad, legen eine Spannung an und erhalten Nanoteilchen aus exakt jener Legierung, aus der das Ausgangsmaterial besteht."

    Für manche Katalysatoren sind gerade diese Legierungen besonders interessant. Hier könnte die erste Anwendung des neuen Verfahrens liegen. Ein Patent jedenfalls hat sich Koper schon mal gesichert. Und auch die Industrie zeigt bereits Interesse an den Nanoteilchen, die durch gezieltes Rosten entstehen.