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Krebs-Diagnostik
Alternativ-Ansatz Liquid Biopsy

Liquid Biopsy heißt eine Diagnose-Methode, bei der im Blut eines Patienten nach auffälligen Molekülen gesucht wird, um Krebs frühzeitig zu erkennen - doch die Ergebnisse sind nicht immer eindeutig. Niederländische Forscher verfolgen jetzt einen anderen Ansatz, der die Unterscheidung von Kranken und Gesunden ermöglichem soll.

Von Magdalena Schmude | 15.08.2017
    Die Darstellung von Nanopartikeln im Blut.
    Die Untersuchung der Blutplättchen steht im Mittelpunkt der neuen Methode niederländischer Forscher. (imago stock&people)
    Blutplättchen sind die Rettungssanitäter des Körpers. Sie schwimmen im Blutstrom durch den Körper und sind die ersten, die reagieren, wenn irgendwo die Haut verletzt wird oder eine Wunde entsteht. Dazu nehmen die Plättchen kontinuierlich Signalmoleküle aus ihrer Umgebung auf, die ihnen Informationen über den Zustand des Gewebes liefern und starten, wenn nötig, ein Reparaturprogramm. Das brachte Myron Best, der am Cancer Center in Amsterdam seine Doktorarbeit anfertigt, auf die Idee, Blutplättchen für die Flüssigbiopsie zu nutzen.
    "Wenn sich irgendwo im Körper ein Tumor befindet, ist das auch wie eine Wunde oder eine Entzündung, und die Blutplättchen reagieren ebenfalls darauf. Selbst wenn der Tumor sich noch unsichtbar in der Leber oder im Gehirn versteckt, gibt er Material ins Blut ab, Proteine oder Erbinformation in Form von DNA und RNA, die von den Blutplättchen aufgenommen werden kann."
    Gesunde von kranken Blutplättchen unterscheiden
    Diese Moleküle gelangen unter anderem ins Blut, weil der Tumor damit andere Zellen umprogrammieren kann, damit sie ihm beim Wachstum helfen. Zum Beispiel die Blutplättchen. Und das kann den Tumor verraten.
    "Wenn die Blutplättchen durch den Körper wandern und RNA von den Tumorzellen aufnehmen, verändert das auch ihre eigene RNA. Und weil wir alle 5000 RNAs, die die Blutplättchen enthalten, gleichzeitig untersuchen können, bekommen wir ein ziemlich umfassendes Bild davon, was gerade passiert. Wir bekommen von den Blutplättchen also deutlich mehr Informationen, als wenn wir einzelne Biomoleküle im Blut untersuchen würden."
    Myron Best und seine Kollegen untersuchten Plättchen aus Blutproben von Patienten mit Brustkrebs, Bauchspeicheldrüsenkarzinomen und Hirntumoren und verglichen deren RNA-Profile mit den von Blutplättchen gesunder Probanden. Die Ergebnisse waren vielversprechend. Anhand der spezifischen Veränderungen konnten die Forscher nicht nur die gesunden von den kranken Blutplättchen unterscheiden, sondern sogar zuordnen, in welchem Organ der Tumor sich befand. Im nächsten Schritt nahmen die Forscher sich vor, den Tumor schon möglichst früh zu diagnostizieren, um die Heilungschancen zu verbessern. Das ist zum Beispiel bei Lungenkrebs besonders wichtig, der häufig erst dann erkannt wird, wenn er sich bereits in andere Organe ausgebreitet hat.
    "Bei Lungenkrebs sehen wir, dass mehr als 1000 RNAs verändert sind. Das sind zwanzig Prozent aller RNAs in den Blutplättchen, also ziemlich viel. Es sieht so aus, als wären die Plättchen in einer Art Zwischenzustand. Sie sind nicht komplett aktiviert, also so, wie es bei einer Wunde passieren würde, sondern eher halb aktiviert. Vielleicht ist das ein Zustand, in dem sie stattdessen das Tumorwachstum und die Bildung von weit entfernten Metastasen fördern."
    Biopsie der Blutplättchen soll erprobt werden
    Die Veränderungen sind so charakteristisch, dass die Forscher mit über achtzigprozentiger Zuverlässigkeit erkennen konnten, ob der Lungenkrebs noch im frühen Stadium war, oder bereits fortgeschritten. Außerdem ließen sich die Blutplättchen von Lungenkrebspatienten klar von solchen unterscheiden, die durch eine chronische Entzündung im Körper ebenfalls verändert worden waren. Als nächstes soll die Biopsie der Blutplättchen in einer klinischen Studie erprobt und weiter verbessert werden. Myron Best hofft, dass das neue Verfahren in Zukunft andere Diagnosemethoden ergänzen kann.
    "Keines der Systeme bisher ist perfekt. Der Test soll möglichst empfindlich sein, damit wir auch wirklich alle Erkrankten erkennen können. Gleichzeitig soll er so spezifisch sein, dass er nicht fälschlicherweise Gesunde als krank anzeigt. Ich glaube, dass wir dafür die verschiedenen Methoden kombinieren müssen, um die Zuverlässigkeit des Tests insgesamt zu verbessern."