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Krebsdiagnostik
Ein Topf, zwei Schritte

Mit der Kernspintomographie oder der PET, der Positronen-Emissions-Tomographie, kann man Blicke in den menschlichen Körper werfen. Bei der PET werden dem Patienten schwach radioaktive Substanzen injiziert, sogenannte Tracer. Sie wandern im Körper zu den Zielorganen und senden von dort ein strahlendes Signal aus. Weil diese Substanzen aber sehr schnell zerfallen, ist bei ihrer Herstellung Eile geboten.

Von Arndt Reuning | 08.02.2016
    Biometrische Erfassung von Körpermerkmalen, durch einen Scanner. Umwandlung von Körper- und Kopfform in digitale Daten.
    Ein Scanner fasst Kopfform und Körpermerkmale. ( imago / Jochen Tack)
    "Wir kommen jetzt in den Kontrollbereich. Den dürfen nur unterwiesene und eingewiesene Personen betreten…"
    Wenn Bernd Neumaier sich an der Uniklinik Köln auf den Weg zu seinem Labortrakt macht, dann muss der Professor eine Schleuse passieren. Denn jenseits dieses kleinen Kämmerchens arbeitet sein Team mit radioaktiven Substanzen, zum Beispiel mit dem Isotop Fluor-18. Dieses Radionuklid verankern die Forscher an der Substanz L-DOPA, einer Vorstufe des Botenstoffes Dopamin. Mit diesem PET-Tracer lassen sich bestimmte Tumore sichtbar machen, die sich typischerweise im Verdauungstrakt entwickeln, sogenannte neuroendokrine Tumore. Die bilden ein spezielles Enzym, von dem das L-DOPA-Molekül förmlich zerstückelt wird.
    Besondere Herausforderungen für die Chemiker
    "Sprich: Dort wird es zerhackt, dieses Molekül. Und die Radioaktivität bleibt dann in diesem Zellbereich stecken, in diesem Tumor. Und deshalb können wir von außen mit Hilfe dieses PET-Scanners dieses Bild, dieses 3D-Bild aufnehmen und dann genauer sehen, genauer lokalisieren: Wo ist dieser neuroendokrine Tumor?"
    Das radioaktive Fluor-18 in das L-DOPA-Molekül einzuführen, stellt allerdings besondere Herausforderungen an die Chemiker.
    Der Doktorand Johannes Zischler lehnt in einem der Labore an einem Abzug. Auf dem Tisch in der Nische sind etliche Metallblöcke zu einer kleinen Wand aufgeschichtet.
    "Also hier in dem Abzug haben wir unsere Abschirmung aus Blei, weil wir mit Radioaktivität arbeiten. Hinter dieser Abschirmung können wir dann die Reaktion durchführen. Jetzt in dem Fall eine sehr einfache Reaktion. Sozusagen in der Zeit, in der wir jetzt hier reden, wäre die Reaktion schon abgelaufen und das Produkt fertig."
    Der Zeitfaktor ist entscheidend. Denn das strahlende Produkt zerfällt förmlich unter den Händen des Synthesechemikers. Fluor-18 besitzt eine Halbwertszeit von knapp zwei Stunden.
    "Also wir arbeiten immer gegen die Zeit. Unsere Synthesen müssen also innerhalb einer Stunde abgeschlossen sein und auch möglichst innerhalb dieser Zeit auch im Patienten sein. Das ist ja auch eine große Logistik, die dahinter steckt. Wie gesagt: Wir arbeiten immer gegen die Zeit, die Zeit ist unser größter Feind."
    Die Verluste durch den Zerfall werden minimiert
    Daher haben Bernd Neumaier und seine Mitarbeiter eine Synthese entwickelt, die das Fluor zügig in das L-DOPA einbaut. Angeliefert wird das Radionuklid aus einem benachbarten Teilchenbeschleuniger – und zwar in Form von negativ geladenen Fluorid-Ionen, F-minus. Die Herausforderung besteht darin, dass es sich bei dem L-DOPA um eine aromatische Verbindung handelt, die eine hohe Elektronendichte aufweist, also ebenfalls negative Ladungen, die das F-minus-Ion abstoßen. Die Reaktion gelingt nur mit Hilfe eines Katalysators auf Basis von Nickel, der den chemischen Charakter des Fluorids verändert.
    "Wir polen das sozusagen um. Und dieses F-plus kann dann sehr einfach in einen Aromaten eingeführt werden, was früher undenkbar war, vor zwei Jahren noch ein Riesenproblem war, das ist jetzt gelöst und bisher war das alles nur so mehr ein theoretisches Spielchen."
    Der Katalysator ermöglicht es, die Reaktion unter milden Bedingungen in nur zwei Schritten durchzuführen, die beide im selben Reaktionsgefäß stattfinden können. Eine Ein-Topf-Reaktion nennen das die Chemiker. Mit diesem Verfahren lassen sich die PET-Tracer nun deutlich schneller herstellen als zuvor. Die Verluste durch den Zerfall werden so minimiert.
    "Heißt, dass wir mehr Patienten mittels einer Synthese untersuchen können, also bis zu acht Patienten. Und wir sind natürlich auch in der Lage, das Radiopharmakon auf die Straße zu bringen und im Satellitenkonzept an andere Unikliniken oder andere Praxen zu vertreiben."
    Neben dem L-DOPA haben die Kölner Forscher nun noch weitere Radiopharmaka in der Entwicklung, die sich ebenfalls mit Hilfe von Metall-Katalysatoren unkompliziert herstellen lassen, so zum Beispiel eine markierte Aminosäure, die Gehirntumore sichtbar machen soll.