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Krebsforschung
Menschliche Mäuse

Die Immuntherapie gilt zur Zeit als vielsprechende Therapie in der Krebsforschung. Forscher versuchen, das Immunsystem der Patienten gegen die Tumorzellen in Stellung zu bringen. Dazu übertragen Forscher in Madrid menschliche Immunzellen in Mäuse.

Von Katrin Zöfel | 14.08.2015
    Labormäuse eignen sich nur bedingt, um die Effekte menschlicher Immunzellen zu verstehen
    Labormäuse eignen sich nur bedingt, um die Effekte menschlicher Immunzellen zu verstehen (dpa/picture alliance/Ferdinand Ostrop)
    Die Krebsambulanz im Centro Integral de Oncología Clara Campal, einem modernen Krankenhaus im Norden von Madrid. Einige der Patienten, die hier täglich zur Therapie kommen, nehmen an einer besonderen Studie teil: Proben ihrer Tumoren werden in Mäuse implantiert und wachsen dort weiter. Forscher testen dann am Tumor in der Maus, welche Medikamente wirken und welche nicht.
    Alberto de Frutos Nunez ist einer dieser Patienten, er lebt in der Nähe von Madrid. Der 50-Jährige hat Bauchspeicheldrüsenkrebs, seine Prognose ist düster. Jetzt hofft er, dass die Mausexperimente seine Überlebenschancen verbessern.
    "Die Ärzte können an den Mäusen ausprobieren, was gegen meinen Tumor wirken könnte, ohne dass ich das alles an mir ausgetestet werden müsste."
    Forscher hoffen auf vielversprechende Ergebnisse bei Mausexperimenten
    Die Onkologen in Madrid haben mit dieser Methode schon mehrfach Therapieregime gefunden, die in keiner Behandlungsleitlinie stehen, und trotzdem gewirkt haben. Oft hilft der Mausversuch auch schlicht, aus fünf verschiedenen möglichen Therapien die Beste auszuwählen. Doch für viele der Patienten, die eine Diagnose wie Alberto de Frutos haben, gibt es trotzdem kaum Hoffnung. Eine neue Möglichkeit könnten Immuntherapien sein, sagt der Leiter der Mausstudie, Manuel Hidalgo.
    "Die neuen Immuntherapien liefern wirklich sehr aufregende Ergebnisse. In den letzten drei, vier Jahren hat sich gezeigt, dass sie sehr potent sind, vor allem die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. Sie können bestimmte Immunzellen, die Lymphozyten, so aktivieren, dass sie Krebszellen angreifen und töten."
    Für Bauchspeichelkrebs gibt es bisher noch keine Immuntherapie, doch das Wirkprinzip müsste sich eigentlich übertragen lassen.
    "Es ist nicht klar, warum das bisher nicht geklappt hat. Wir müssen jetzt die Mechanismen verstehen, warum bei Pankreaskrebs nicht funktioniert, was bei so vielen anderen Krebsarten so gute Ergebnisse bringt."
    An den Mäusen, mit denen Manuel Hidalgo normalerweise arbeitet, kann er die Immuntherapien aber nicht testen. Denn die Tiere haben kein eigenes Immunsystem, sonst könnte man ihnen die Tumorproben der Patienten gar nicht implantieren, sie würden das fremde Gewebe sofort abstoßen. Er und seine Kollegen versuchen deshalb nicht nur den Tumor, sondern auch die Immunzellen des Patienten in die Mäuse zu übertragen. Dazu entnehmen sie den Patienten Blutstammzellen, aus denen sich dann in der Maus funktionierende Immunzellen bilden. Das lässt sich machen, ist aber gar nicht so leicht.
    Immunzellen des Patienten werden in die Mäuse übertragen
    "Die Immunzellen des Patienten erkennen das Gewebe der Maus als fremd und greifen es an. Deshalb kann es einem leicht passieren, dass man beim Versuch, solche humanisierten Mäuse herzustellen, am Ende ganz ohne Mäuse dasteht."
    Die Forscher suchen deshalb nach Mausvarianten, deren Gewebe von menschlichen Immunzellen nicht als fremd eingestuft wird. Das hat auch schon geklappt, doch bisher nur in Einzelfällen, ein zuverlässig funktionierendes Modell ist noch nicht gefunden.
    "Wir stehen da wirklich noch am Anfang und wir sind nicht die Einzigen, die das versuchen. Weltweit arbeiten viele Gruppen daran. Wenn es gelingt, wird das ein entscheidender Schritt nach vorn sein."