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Kredit fürs Ehrenamt

Studentische Initiativen klagen über Nachwuchsmangel: Immer weniger Studenten engagieren sich neben der Lehre ehrenamtlich. Nicht zuletzt die Studienreform samt Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge soll daran Schuld sein. Die Uni Münster reagiert: Ab dem Wintersemester können Studierende ihr Engagement als Creditpoints auf ihr Studium anrechnen.

Von Nicole Albers | 10.06.2009
    "Hast du Jörn schon geschrieben? Wir hatten gefragt, ob er Filmmaterial aus Benin mitbringen kann von dem Gebäude, wo er da wohnt."

    Die Studenten Cornelius und Florian diskutieren über ein Hilfsprojekt in Westafrika. Sie engagieren sich in der Studenteninitiative Weitblick in Münster. Vor eineinhalb Jahren wurde sie gegründet. Seitdem hat die Gruppe schon viel erreicht, erzählt Cornelius Lahme:

    "Unser größtes Projekt ist im Moment in Benin, da bauen wir eine Schule, da haben wir das Geld schon zusammen, innerhalb von anderthalb Jahren, und hier in Deutschland fördern wir die Integration durch Bildungspatenschaften von Kindern mit Migrationshintergrund."

    Insgesamt 300 Mitglieder engagieren sich bei Weitblick, so dass die anfallenden Arbeiten im Grunde auf viele Schultern verteilt werden können.

    "Aber trotzdem bleibt eine Menge Arbeit auch an einzelnen Personen, vor allem an den Projektleitern hängen. Und das neben dem Studium zu wuchten, ist manchmal nicht so einfach."

    Besonders die neuen Studiengänge Bachelor und Master setzen den Ehrenamtlichen ordentlich zu. Jörg Langbein war bis vor kurzem im Asta der Uni und stellte fest, dass für viele Studium und ehrenamtliche Arbeit kaum mehr zu schaffen war.

    "Dass zu viel Prüfungsdruck herrscht, zu viele Prüfungen, Hausarbeiten, Klausuren oder ähnliches in einen zu geringen Zeitrahmen gesetzt werden und eben aufgrund dessen, dass wir gedacht haben, dass, wenn das so weitergeht, kann es so kommen, dass die guten Einrichtungen der Initiativen mehr und mehr den Bach runtergehen, und da wollten wir eben was dagegen tun."

    Eben durch eine Anrechnung der Arbeit auf das Studium. Und zwar nicht nur fachbereichsbezogen, sondern generell. Heißt, auch BWL-Studenten könnte die Teilnahme etwa beim Hochschulradio anerkannt werden. Bei der Prorektorin für studentische Angelegenheiten und Lehre Marianne Ravenstein stieß diese Idee auf offene Ohren.

    "Ich finde, dass die Uni Münster dadurch geprägt ist, dass wir sehr gute Studenteninitiativen haben, wo die Studierenden relativ viele Kompetenzen erwerben. Sei es, dass sie Projektarbeit lernen, sie organisieren eigenverantwortlich Tagungen, dass sie lernen, für die Sache das eigene Marketing zu betreiben, oder die Werbung, sei es, dass sie sich für Dinge engagieren, indem sie die auch potentiellen Geldgebern vorstellen."

    Die Fähigkeiten lassen sich zusammenfassen unter dem Begriff Schlüsselqualifikationen. Und genau diese Fähigkeiten seien es, die ohnehin in der Theorie unter dem Begriff "General Studies" bei den Bachelor-Studiengängen angeboten würden.

    " Und deshalb soll es so sein, dass ihnen das auch anerkannt mit den viel zitierten ECDS-Punkten, und es soll auch anerkannt werden, indem sie auch eine Note dafür erhalten, dass ihnen das auch angerechnet wird "

    Das soll bereits zum kommenden Wintersemester der Fall sein. Damit ist die Uni Münster deutschlandweit Vorreiter. Zwar haben Studentenvertreter an anderen Hochschulen wie etwa in Berlin und Hamburg ebenfalls das Problem erkannt, doch bislang hakt es noch bei der Umsetzung. In Münster sollen es zunächst 20 Initiativen sein, in denen die Teilnahme auch Creditpoints einbringen könnte. Ausgeschlossen davon sind religiöse wie auch politische Gruppen, wie etwa das Engagement beim Asta. Jörg Langbein hält das für richtig, denn schließlich würde ein Dozent die Arbeit beurteilen, und das dürfe nicht sein:

    "Das bedeutet, er schaut, was ich in diesem Zeitrahmen gemacht haben, und aufgrund der Basis gibt er mir die Noten. Das ist nicht Sinn der Sache, und wenn ich den Asta nehme, dann sollte es nicht Sinn sein, einen Dozenten bewerten zu lassen, ob ich jetzt gute oder schlechte politische Arbeit gemacht hat, weil das auch immer eine subjektive Entscheidung ist."

    Allerdings gibt es auch kritische Töne. So befürchten einige Studenten, dass die Punktevergabe auch die Arbeit der Initiativen verändern könnte. Etwa, dass es so ähnlich wäre wie ein Seminar, mit Vorträgen und Referaten, die dann eben für das Studium angerechnet werden. Doch nach Angaben der Univerwaltung sei das weder gewünscht noch möglich. Außerdem: Die Punktevergabe erfolgt nur auf Wunsch der Studenten, ist also nicht zwangsläufig mit der ehrenamtlichen Arbeit verknüpft.

    Insgesamt halten die Initiativen wie etwa Weitblick das neue System für sehr vorteilhaft. Denn in einigen Semestern wird es an der Uni Münster nur noch Bachelor- und Masterstudenten geben. Und ohne die angekündigte Unterstützung der Hochschule, meint Cornelius Lahme, bliebe diesen kaum mehr Zeit, sich nebenbei noch zu engagieren:

    "Was ich mir verspreche, ist, dass wir viele Leute haben, die ein bisschen motivierter an die Sache rangehen, weil durch die Möglichkeit, Creditpoints zu bekommen, kann man davon ausgehen, dass ein bisschen mehr Engagement bei den Leuten, die es sonst nicht gezeigt hätten, bekommen wird."