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Krefelder Studie
Insektensterben betrifft nicht alle Arten gleichermaßen

30 Jahre lang hat der Entomologische Verein Krefeld Millionen von Insekten gefangen und gewogen. Bei den meisten Arten sind die Bestände rückläufig - doch nicht bei allen. In einem Forschungsprojekt wird jetzt untersucht, welche Arten vom Rückgang besonders betroffen sind.

Von Joachim Budde | 08.11.2018
    Schwebfliege (Syrphidae) auf einen Kartoffelblatt
    In der Familie der Schwebfliegen gibt es allein in Deutschland 480 Arten (imago stock&people)
    Das Wahnbachtal östlich von Bonn ist ein enges Tal, gesäumt von Bäumen. Das Naturschutzgebiet im Bergischen Land ist eingebettet in Felder und Weiden. An sechs Stellen im Talgrund haben die ehrenamtlichen Forscher des Entomologischen Vereins Krefeld in den Jahren 1989 und 2014 spezielle Fallen aufgestellt und von Frühling bis Winter hunderttausende Insekte aus tausenden Gruppen mit hunderten Arten gefangen.
    Schon bei der Familie der Schwebfliegen zum Beispiel gibt es allein in Deutschland 480 Arten. Für sie ist Dr. Axel Ssymank Spezialist. Er hat herausgefunden, "dass eigentlich über alle Fallen hinweg starke Individuenverluste da sind und auch ein gewisser Artenschwund – zumindest lokal jetzt in diesem Bereich bei diesen Fallen."
    Er weise ausdrücklich darauf hin, dass bei der Tagung in Bonn lediglich Fallbeispiele präsentiert würden, sagt Martin Sorg vom Entomologischen Verein Krefeld.
    Krefelder Studie untersucht Rückgang bei einzelnen Arten
    Die Krefelder Untersuchung biete sehr detaillierte Daten, aber eben nur punktuell, für jene Stellen, an denen die Fallen standen. Außerdem haben sich die Forscher auf offene Flächen im Flachland konzentriert. Mit exakten Zahlen ist Martin Sorg deshalb sehr zurückhaltend. Noch seien das alles Rohdaten:

    "Das bedeutet eigentlich, dass man aus diesen Beispielen einzelner Standortvergleiche zwar gewisse Trends erkennen kann und sich eigentlich das Bild, was man schon aus den Daten der Biomassenvergleiche kennt, sich auch in diesen exemplarischen Beispielen für eine ganze Reihe von Insektenfamilien bestätigt, aber auf der anderen Seite wir halt auch die hohe Diversität sehen, mit der einzelne Insektenfamilien halt auch unterschiedlich reagieren."
    Während die Bestände bei den meisten bislang ausgewerteten Insektenarten und Standorten rückläufig sind, stoßen die Forscher immer wieder auf einzelne Arten, von denen sie bei der zweiten Untersuchung mehr Exemplare finden als bei der ersten. All das sind nur Zwischenergebnisse, denn das Projekt, das die Krefelder mit Mitteln des Bundesforschungsministeriums in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz durchführen, läuft noch bis 2021. Und bislang haben die Wissenschaftler gerade einmal gut 140.000 Insekten aus den zahlreichen Fängen bestimmt. Im nächsten Jahr wollen sie an einem Dutzend Standorten erneut Fallen aufstellen, um die Datenbasis für ihre Untersuchung zu verbessern.
    Schwebfliegen sind besonders betroffen
    Axel Ssymanks Auswertung für die Schwebfliegen im Wahnbachtal ist also schon deutlich weiter als für andere Standorte. Der Biologe konnte zeigen, dass bei bestimmten Arten die Verluste noch größer waren als in der Gesamtschau.

    "Was auffällig ist, dass besonders Artengruppen, die irgendwie mit Wasser zu tun haben, also feuchte Lebensraumtypen, dass die stärker betroffen sind von den Rückgängen, und das gilt auch für Artengruppen, die irgendwie mit dem Boden in Kontakt kommen. Es gibt eben Larven, die zum Beispiel in Ameisennestern von der Ameisenbrut leben. Es gibt andere, da fressen die Larven Wurzelblattläuse, und diese kommen natürlich permanent auch mit Boden in Berührung. Und wenn ich mir diese Arten anschaue, sind dort die Verluste höher als im Durchschnitt der Verluste. Das sind so erste Ergebnisse, es muss aber auch alles statistisch noch genau durchgerechnet werden."
    Auch bei seinen Daten müssen Einflüsse wie Wetterunterschiede oder Veränderungen in der Umgebung der Fallen zwischen den Jahren erst noch statistisch berücksichtigt werden. Doch die vorläufigen Ergebnisse erscheinen durchaus plausibel.

    "Man hat natürlich im Moment nur Hypothesen. Aber viele toxische Substanzen sind wasserlöslich. Das heißt, sie würden mit Oberflächenwasser ausgespült, landen dann in den kleinen Gräben – ein Wiesengraben oder so etwas reicht da schon –, und dort sind Larven von diesen aquatischen Arten drin, die dann unmittelbar betroffen sind. Das ist eine mögliche Erklärung."
    Schutz der Schutzgebiete müsste verbessert werden
    Eine andere Erklärung wäre, dass über die Jahre die Schwebfliegen aus dem Naturschutzgebiet abgewandert sind, auf intensiv bewirtschaftete Äckern und Felder, wo sie mangels Wildkräutern und Brutmöglichkeiten sterben.

    "Das heißt, dass man einfach einen Schwund hat in den Schutzgebieten, dadurch dass sie in einer lebensfeindlichen Umgebung sozusagen sich befinden."
    Der Schutz dieser Schutzgebiete müsste also verbessert werden, fordern Experten. In und an Naturschutzgebieten sollte Pestizideinsatz stark eingeschränkt oder komplett verboten werden.