Donnerstag, 28. März 2024

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Kreidefelsen auf Rügen
Zwist um den Königsstuhl

Der teilzerstörte Abstieg vom Königsstuhl zum Strand in Sassnitz auf Rügen soll nicht wieder aufgebaut werden. Tourismusverbände, Behörden und Naturschutzverbände plädieren nun für eine Hängebrücke aus Stahl. Die Entwürfe stehen bereits. Doch viele Anwohner finden sie hässlich - und zu teuer.

Von Silke Hasselmann | 04.11.2018
    Buchen sind am 23.06.2016 in den zum UNESCO-Welterbe gehörenden Buchenwäldern an den Kreidefelsen im Nationalpark Jasmund bei Sassnitz auf der Insel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) zu sehen.
    Die einmalige Landschaft auf Rügen soll gleichzeitig geschützt und für den Touristenansturm erschlossen werden - ein schwieriger Balanceakt (picture alliance / Stefan Sauer)
    Zu Gast im Nationalpark Jasmund auf der vorpommerschen Ostseeinsel Rügen, gelegen zwischen Sassnitz und Lohme. Hier befindet sich auch der Königsstuhl, Rügens höchster und berühmtester Kreidefelsen. Wer den Königsstuhl betreten will, muss in der Regel dreimal dafür zahlen: Am Parkplatz Lohme. Im Zubringerbus. Und schließlich 9,50 Euro für den Eintritt ins Nationalparkzentrum Königsstuhl, das auch Führungen anbietet.
    "Die Kreidefelsen sind entstanden vor über 70 Millionen Jahren. Da war hier das Kreidemeer, und im Kreidemeer lebten ziemlich viele von diesen Algen. Die Algen hatten so ein Kalkskelett. Und immer, wenn die gestorben sind, sind die so wie Schnee auf den Meeresboden gerieselt und haben Schichten gebildet.
    Jährlich gönnen sich rund 270.000 Besucher den Blick vom 118 Meter hohen Königsstuhl auf die Kreideküste mit ihren tiefen Schluchten und zweihundertjährigen Buchen sowie den Blick aufs offene Meer.
    Trügerische Idylle
    "118 Meter! Wenn man hier so die Segelschiffe entlangfahren sieht: Ein ganz tolles Panorama!"
    Doch die Idylle ist etwas trügerisch, denn aus zwei Gründen gibt es Zwist. Zum einen geht es um den sogenannten "Königsweg" - ein ingenieurstechnisch anspruchsvolles Bauprojekt . Die geschätzten Kosten von sieben Millionen Euro für die Stahlkonstruktion, die künftig über dem Königsstuhl schweben soll, will hauptsächlich das Land Mecklenburg-Vorpommern tragen. Zum anderen aber weigert sich das zuständige Umweltministerium in Schwerin, die Treppe vom Hochuferweg hinunter zum Fuße des Königsstuhles zu erneuern und damit eine 200 Jahre lang genutzte Route begehbar zu halten.
    Doch warum gilt die Kreide in einem Fall als zu riskanter Baugrund und im anderen Fall nicht? Welche Rolle spielt das Nationalparkzentrum Königsstuhl, das von einer gleichnamigen GmbH betrieben wird? Deren Hauptanteilseigner: die Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF).
    Diese Fragen stellt sich auch Matthias Ogilvie, Hotelier und ehrenamtlicher Bürgermeister von Lohme, dem nächstgelegenen Küstenort.
    "Hier, das ist der Weg! Wie will man da durchkommen? Da muss man drunterschleichen. Also da kann man nicht sagen: Die Treppe ist noch da. Oder?"
    Der Lohmer Bürgermeister Matthias Ogilvie bei der gesperrten Treppe am Königsstuhl
    Der Lohmer Bürgermeister Matthias Ogilvie bei der gesperrten Treppe am Königsstuhl (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
    Matthias Ogilvie steht auf dem Hochuferweg in der Nähe des Königsstuhles an jener Stelle, an der bis vor zwei Jahren jeder, der es sich zutraute, den Abstieg zum Strand beginnen konnte. Doch heute hindern oben Absperrbänder und zersägte Äste Wanderer daran, wenigstens einige der 400 Stufen zu betreten. Im unteren Drittel geht sowieso nichts mehr, denn dort liegt seit einem Frühjahrssturm von 2016 ein kleiner Abschnitt der Treppe zerstört da. Das Problem, wie es Bürgermeister Ogilvie schildert:
    "An der Treppe stand ein Baum. Der hing schon lange drüber und man hat gewartet, dass der Baum dann drauffällt um einen Grund zu haben, die Treppe zu sperren. Wissen Sie, wenn ich hier einen Baum habe, der tot ist, dann muss ich den auch fällen. Dann kann ich nicht drauf warten, bis einer da zu Schaden kommt. Ich habe auch im Nationalpark und nach dem neuen Waldgesetzt - Novellierung - die Pflicht, erkennbare Gefahren an hochfrequentierten Wegen zu beseitigen. Man hat das hier bewusst unterlassen. Das war der Grund; das ist eigentlich schäbig."
    Probleme mit der Treppe am Hang
    Ingolf Stodian vom Nationalparkamt Vorpommern verwahrt sich gegen diese Lesart der Ereignisse. Der Landesbeamte in der Außenstelle Jasmund auf Rügen zeichnet verantwortlich für den Erhalt des Jasmunder Buchenurwaldes und der Kreidefelsen, die zum UNESCO-Weltnaturerbe zählen. Ingolf Stodian erzählt die Treppen-Geschichte so:
    "Wir waren mehrere Jahre zuvor in der Prüfung der Möglichkeiten, dort einen wirklich stabilen Ersatz zu schaffen und hatten nach vielen Jahren alles so weit vorbereitet, hatten sogar das Geld. Aber die Umsetzung - zu der kam es nicht mehr. Durch diesen unglücklichen Umstand mit der Hangrutschung an der Treppe, dass der Baum uns diese zerschlagen hatte - das führte natürlich zu einer juristischen Prüfung: Was machen wir dort an dem Hang überhaupt? Diese Prüfung war dann nach längerer Zeit zu dem Ergebnis gekommen, dass man das an dieser Stelle einfach nicht mehr vertreten kann."
    Nach Kreideabbrüchen gesperrte Wanderwege am Nationalpark-Zentrum "Königsstuhl", aufgenommen am 27.05.2016 im Nationalpark Jasmund bei Sassnitz auf der Ostseeinsel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern). Das Naturparkzentrum informiert über die Entstehung der in Deutschland einmaligen Kreidefelsen vor 70 Millionen Jahren. Mit Hilfe von Land und Bund baute die Umweltschutzorganisation WWF dazu ein ehemaliges Militärobjekt für zehn Millionen Euro um. Die einmalige Landschaft auf Rügen, ein etwa 2.500 Hektar großes Waldgebiet und das ufernahe Wasser der Ostsee, wurde im Oktober 1990 zum Nationalpark erklärt.
    Gesperrt für Wanderer: Die Zuwege zur Treppe zum Stand unter dem Königsstuhl (picture alliance / Jens Büttner)
    Problem Nr. 1: Das Haushaltsrecht. Es lässt steuerfinanzierte Investitionen nur in solche Bauten oder Anlagen zu, die langfristig halten und nutzbar sind, sagt Ingolf Stodian. Davon sei jedoch bei der für zirka 400.000 Euro geplanten Erneuerung der Holztreppe neben dem Königsstuhl nicht auszugehen. Zu stark fressen Wind und Wasser die Kreidefelsen und das Strandufer an.
    "Denn dadurch, dass da das Wasser inzwischen sehr regelmäßig bis an den Cliff-Fuß heranschwappt und alles wegräumt, was sich dort irgendwie abgelagert hat, hat sich dort eine Steilwand herausgebildet. In einigen Bereichen nur drei, vier, fünf Meter hoch, aber das steigt in Richtung Königsstuhl massiv an. Will man dort etwas errichten, werden das gewaltige Bauwerke, die aber nur eine ganz geringe Lebenszeit hätten."
    Problem Nummer zwei und das größere Argument: die Sicherheit der Strandspaziergänger. Weil die Gefahr von Hangrutschungen, gar Abbrüchen lauere, wolle man die Besucherströme an dieser Stelle nicht mehr an den Strand lenken, so Ingolf Stodian.
    "Und in der Gesamtschau kam unser Ministerium zu der Einigung: An dieser Stelle ist es eben nach 200 Jahren leider zu Ende."
    Interessiert an vielen Touristen
    Doch der Strand am Königsstuhl ist nicht etwa gesperrt. Spaziergänger können dort immer noch hin, nur müssen sie einen längeren Strandmarsch in Kauf nehmen. Etwa sieben Kilometer von der einen Seite aus Sassnitz kommend, rund sechs km von der anderen Seite aus Richtung Lohme, sagt Matthias Ogilvie. Er ist nicht nur als ehrenamtlicher Bürgermeister, sondern auch als geschäftstüchtiger Betreiber des größten Hotels in Lohme interessiert an vielen und zufriedenen Touristen.
    "Dann käme man aber nicht mehr hoch, sondern frühestens am Kieler Bach, der noch mal 3,5 Kilometer weiter Richtung Sassnitz liegt. Das heißt, die Gefährdungslage ist sogar vergrößert, weil die länger wandern müssen, wenn sie denn die Kreideküste von unten sehen möchten. Und das ist ein Bedürfnis, das sehr, sehr viele Menschen haben."
    Diese Erfahrung machen auch Burkhard Rahn und Jörg Burwitz. Der alteingesessene Fliesenleger und der Gastwirt gründeten vor einigen Jahren die Bürgerinitiative "Bewahrt Lohme!". Die sieht die wirtschaftlich sinnvollste Zukunft des 450-Seelen-Ortes im naturnahen Wandertourismus. Auch damit die Gegend attraktiv für Touristen bleibt, kämpfe die Bürgerinitiative dafür, dass es im benachbarten Bereich des Königsstuhls bald wieder eine begehbare Verbindung zwischen Hochuferweg und Strand gibt, sagt Jörg Burwitz.
    Burhard Rahn (links) und Jörg Burwitz von der Bürgerinitiative "Bewahrt Lohme".
    Burhard Rahn (links) und Jörg Burwitz von der Bürgerinitiative "Bewahrt Lohme" (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
    "Wir haben nie ein gewisses Gefährdungspotential an der Steilküste infrage gestellt. Bloß man muss es auch nicht dramatisieren. Unserer Meinung nach müssen wir es dem kundigen Bürger überlassen zu entscheiden, ob er sich ein Stück weit in die Gefahr begibt, um die Natur zu erleben, oder ob er es sein lässt. Wir haben das mal recherchiert. Den letzten Todesfall, den es nach dem Szenario des Umweltministeriums geben könnte, hat es 1936 gegeben an der Steilküste: Uferabbruch, und da ist jemand verschüttet worden."
    Bei allen anderen Unfällen hätten sich die Menschen unvernünftig oder lebensmüde über konkrete Warnungen und Absperrungen hinweggesetzt, ergänzt Burkhard Rahn. Er verweist zudem auf eine Studie, die das geologische Forschungszentrum Potsdam an der gesamten baumbestandenen Kreideküste von Rügen durchgeführt hat. Der erstaunliche Befund: Der größte Teil der Abbrüche findet im Winter statt und in 80 Prozent dieser Fälle nachts.
    "Auch das ist ein Argument, dass die Gefahr am Tage weit geringer ist."
    Eintritt zahlen oder nicht?
    Die Lohmer Bürgerinitiative sieht Anhaltspunkte dafür, dass es das Umweltministerium zumindest nicht nur aus Sorge um gefährdete Spaziergänger ablehnt, die jetzige Treppe instand zu setzen oder an einer leicht versetzten Hangroute eine neue zu bauen.
    "Wir sind der Meinung, dass sämtliche kostenfreien Angebote dort zurückgefahren beziehungsweise ausgeschaltet werden sollen, um das Überleben der Nationalpark-Zentrum GmbH, sprich: der GmbH des WWF - zu 70 Prozent gehört sie nämlich dem WWF - zu garantieren."
    Tatsächlich ist im Nationalpark Jasmund nur noch das Wandern auf dem Hochuferweg kostenfrei, der auch auf den benachbarten Aussichtspunkt Victoria-Sicht führt. "Noch", fürchtet Burkhard Rahn mit Blick auf die Nationalpark-Zentrum GmbH.
    "Das kann nicht sein, dass sich maßgebliche Leute da oben aufregen, wenn Busfahrer im Bus zum Königsstuhl auf die Schönheit der Victoria-Sicht hinweisen. Das möchte man zum Beispiel nicht, und deshalb sind wir der Meinung, dass man da oben recht froh ist, dass der Abstieg, der das zweite kostenfreie Angebot war, jetzt nicht mehr da ist. Denn sie sehen auch: 500.000 Gäste besuchen den Nationalpark; 270.000 waren im Zentrum."
    Zu wenig Besucher in der Dauerausstellung
    Das ist auf ein Jahr gerechnet und zeigt: Nur ein Teil zahlt 9,50 Euro Eintritt. Der große Rest hält sich ganz in der Nähe auf, zieht aber das obulusfreie Naturerlebnis vor.
    Das Nationalpark-Zentrum "Königsstuhl", aufgenommen am 27.05.2016 im Nationalpark Jasmund bei Sassnitz auf der Ostseeinsel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern).
    Das Naturparkzentrum informiert über die Entstehung der in Deutschland einmaligen Kreidefelsen vor 70 Millionen Jahren (picture alliance / Jens Büttner)
    Schlecht für die Betreiber des 2004 eröffneten Zentrums, dessen Bau das Land Mecklenburg-Vorpommern mit sieben Millionen Euro gefördert hatte. Das moderne Gebäude beherbergt eine WWF-Dauerausstellung, eine Cafeteria und die Mitarbeiter von Nationalparkverwaltung und Betreiber-GmbH. Ansonsten gehört zu dem seinerzeit großzügig eingezäunten Areal auch die Zuwegung zum Königsstuhl.
    Der sollte für die Öffentlichkeit wie seit eh und je kostenlos zugänglich bleiben. Doch weil zu wenige Besucher die kostenpflichtige WWF-Ausstellung sehen wollten und die Refinanzierung eines Drei-Millionen-Euro-Kredites stockte, erhielt der Geschäftsführer der Nationalparkzentrum GmbH schon bald die Erlaubnis, übergangsweise auch jene Besucher zur Kasse zu bitten, die nur einen Blick vom Königsstuhl werfen wollten.
    Jörg Burwitz:
    "Es war damals angedacht, diese Kombination Königsstuhl und Ausstellung für den Zeitraum zu nutzen, wo die Baufinanzierung dieser Anlage notwendig war. Danach sollte das dann wieder entkoppelt werden. Ich denke mal, darüber müsste man auch reden, dass der Königsstuhl eben nicht instrumentalisiert wird die Ausstellung des WWF zu finanzieren."
    Burkhard Rahn:
    "Und mit dem 'Königsweg' und mit der angedachten Streckenführung dieser Brücke zementieren wir diese Geschichte auf ewig. Und das möchten wir nicht."
    Stahlkonstruktion über dem Königsstuhl
    Im Zusammenhang mit der Kreideküste ist der sogenannte Königsweg das zweite große Gesprächsthema auf der Insel Rügen. Es geht um ein Bauwerk am Königsstuhl, das deutlich größer und teurer ausfallen wird als jede Treppe zum Strand. Der inzwischen mit den Naturschutzverbänden abgestimmte Entwurf eines renommierten Berliner Planungsbüros sieht vor, eine circa 90 Meter lange Stahlseilbrücke als Rundweg in Ellipsenform über dem Königsstuhl schweben zu lassen, und zwar auf Höhe der Buchenkronen.
    Auf Informationsveranstaltungen der Stadt Sassnitz versucht auch der Geschäftsführer des Nationalparkzentrums, Mark Ehlers, die Furcht zu zerstreuen, der angebliche Monsterbau werde den Anblick des berühmten Kreidefelsens zerstören. Der schwebende Rundweg werde seitlich bis zu drei Meter über die Kante der heutigen Königsstuhl-Plattform ragen. Die Besucher würden also über tiefen Schluchten wandeln und könnten einen Seitenblick auf den Königsstuhl erhaschen. Nach vorn Richtung Meer jedoch reiche die Spitze des Rundweges bis zur Hälfte des Königsstuhls und rage keinesfalls darüber hinaus, so Mark Ehlers.
    Sieben Millionen für ein Monstrum?
    "Also es ist schon eine vergleichsweise dezente Wegeführung, und die gesamte Gründung und Aufhängung erfolgt im Hinterland, wenn man so will. Hinten mit einem Pylon, der doch recht hoch ist. Also 40 Meter immerhin und damit auch etwas höher als diese mächtigen Buchen, die hier stehen. Also ganz verstecken werden wir ihn nicht können."
    Viele Rügener stören sich an den veranschlagten Kosten von sieben Millionen Euro aus den öffentlichen Kassen für ein Bauwerk, das ihrer Meinung nach überhaupt nicht in die Kreidefelsenlandschaft passt. Mark Ehlers gibt zu bedenken, dass der Königsstuhl als solcher durch den aufgehängten Rundweg komplett entlastet würde.
    "Das ist ja immerhin ein ganz kleiner Raum nur, diese Plattform, die von vielen hunderttausend Menschen im Jahr betreten wird. Da steht im Sommer das Wasser drauf, denn jeder Gast nimmt einen kleinen Krümel mit und da fehlt schon ein halber Meter, sag ich mal. Und der Zugang ist ja nicht auf alle Zeiten sicher, und deswegen machen wir es ja nur."
    Außerdem gebe man den Kreidefelsen "als solchen der Natur zurück", sagt Mark Ehlers.
    "Der Königsstuhl als solcher wird der Natur zurückgegeben oder er kann sich frei entwickeln, so wie er will. Also die vorhandenen Einrichtungen, wie wir sie jetzt hier sehen - der Bodenbelag, die Geländer - all das wird dann zurückgebaut."
    Niemand ist zufrieden
    Auch der Dezernent des Nationalparkamtes Vorpommern, Ingolf Stodian, sieht nur eine Alternative zum Königsweg: Während die Naturkräfte weiter an der Kreideküste nagen, nichts tun, und wenn die Gefahr von Abbrüchen zu groß geworden ist, den Königsstuhl sperren. Und zwar für immer. Doch das wolle die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern nicht, sagt Ingolf Stodian, dessen Behörde für die naturschutzrechtliche Genehmigung der schwebenden Brücke zuständig ist.
    Dr. Ingolf Stodian (Nationalparkamt Vorpommern) und Marc Ehlers (Geschäftsführer der Nationalpark-Zentrum)
    Dr. Ingolf Stodian (Nationalparkamt Vorpommern) und Marc Ehlers (Geschäftsführer der Nationalpark-Zentrum) (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
    "Es wurde über viele Varianten diskutiert in den letzten sieben Jahren. Es wurden auch schon Probebohrungen gemacht und der Standort wurde noch mal verlegt. Es wurde umgeplant, um eben einen Kompromiss zu finden, der für alle tragbar ist. So, und Kompromiss heißt: Keiner ist ganz zufrieden. Aber aus Sicht des Landes und der vielen Besucher wurde festgelegt: An dieser Stelle ist der Eingriff zu rechtfertigen. Denn wir haben ja auch die Pflicht, den Besuchern und den Steuerzahlern, die diesen ja letztlich Nationalpark finanzieren, das möglich zu machen."
    Das Ostseebad Sassnitz auf Rügen
    Das Ostseebad Sassnitz auf Rügen lebt vom Tourismus - schon seit dem 19. Jahrhundert (imago / Arkivi)
    Zu Gast im Sassnitzer Rathaus bei Stefan Grunau (CDU), Mitglied im Bau- und im Finanzausschuss der Stadtvertretung. Der selbstständige Unternehmer im Fremdenverkehrsbereich ist froh, dass der im Sommer anberaumte Bürgerentscheid, der bis zum 30. Oktober laufen sollte, wegen formaler Fehler ausgefallen ist. Nicht auszudenken, so Stefan Grunau, wenn die Gegner des Königsweges mit ihrer Strategie Erfolg gehabt hätten.
    "Mit Suggestivfragen wurden die Bürger zu Unterschriften gedrängt. Im Nachgang, wenn man mit den Leuten gesprochen hat, wussten die zum Teil gar nicht, was sie da unterschrieben hatten. Da sind Fotomontagen, Bildmontagen vorgelegt worden, die in keinster Weise dem Projekt entsprachen, das das Planungsbüro hier öffentlich vorgestellt hat. Das ist eine Methode gewesen, die wir hier in Sassnitz hinlänglich kennen. So ist damals Anfang der 90er Jahre gegen die Meyer Werft agiert worden. So ist gegen die Windkraftanlagen agitiert worden, auch mit ähnlichen Fotomontagen."
    Auf den damals kursierenden Bildern überragten die Offshore-Windkraftanlagen den Königsstuhl bei Weitem, obwohl sie bis zu 20 Kilometer entfernt im Wasser standen. Heute ist der Windpark in Betrieb, und nur bei bester Sicht sind die Mühlen winzig klein am Horizont auszumachen. Was den Königsweg angeht, so zieht Stadtvertreter Grunau zwei Blätter hervor. Auf dem einen die offizielle Seitenansicht. Sie zeigt, dass die Spitze der Brücke deutlich vor der Kante des Königsstuhls enden wird. Auf dem anderen eine Fotomontage der Gegner.
    "Und hier ragt die Brücke zur Hälfte über die Kante hinaus. Also da sieht man, wie man mit Bildmanipulation natürlich Stimmung machen kann."
    Wirtschaftlich bedeutend für Sassnitz
    Dass der Baugrund aus Kreide für die massive Trägerkonstruktion nicht stabil genug sein könnte, glaubt der CDU-Stadtvertreter nicht. Grunau vertraut auf die Expertise des weltweit erfahrenen Planungsbüros, das dem Bau eine Haltbarkeit von mindestens 100 Jahren bescheinigt. Ansonsten argumentiert er aus der Sicht regionaler Tourismus- und Gewerbetreibender.
    "Ich bin so vehement dafür, weil ich der Auffassung bin, dass durch die Erosion dort am Königsstuhl die Gefahr besteht, dass der Königsstuhl in absehbarer Zeit geschlossen wird für die Öffentlichkeit. Diese Auswirkungen halte ich für Sassnitz im Besonderen, aber auch für Rügen im Allgemeinen für verheerend. Deswegen bin ich für die Lösung, die Professor Schlaich vorgestellt hat. Sie ist ein Ingenieurskunstwerk, was also zum Königsstuhl als solchen auch noch mal einen Anziehungspunkt darstellen wird."
    Auch der Chef des Landestourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern lobte den kühnen Plan mit den Wort: "Was die Amerikaner in den Schluchten ihres Grand Canyon können, können wir am Königsstuhl auch."
    Naturschutzverbände wurden von Anfang an einbezogen und erklärten sich kürzlich für das Versprechen diverser Ausgleichsmaßnahmen damit einverstanden, dass in dem streng geschützten Nationalparkareal rund um das künftige Bauwerk circa 30 junge Bäume und eine alte Buche gefällt werden müssen.
    Burkhard Rahn aus Lohme, der für einen sanften Wandertourismus und das Aufrechterhalten der letzten kostenfreien Naturerlebnisse am Königsstuhl kämpft, hat derweil einen Alternativvorschlag. Würde der realisiert, könnte man auch künftig direkt vom Königsstuhl aus auf Meer und Küste schauen.
    "Denn der Königsstuhl als Fels gilt nicht als unsicher. Der Zugang zum Königsstuhl gilt als unsicher. Der erodiert stark und ist vielleicht in 15, 20 Jahren nicht mehr begehbar. Warum kann man dann keine Brückenkonstruktion über die Schlucht parallel zum jetzigen Zugang machen, die ja weitaus billiger wäre? Und die Leute könnten auch auf den Königsstuhl gehen."
    Sonnenaufgang an der Steilküste im Nationalpark Jasmund, Rügen, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, Europa.
    Die eindrucksvolle Steilküste im Nationalpark auch einmal von unten betrachten - Wunsch vieler Touristen und Wanderer (picture alliance / Imagebroker)
    Außerdem könnte man auf die ursprüngliche Verabredung zurückkommen, dass kein Besucher Eintritt im WWF-betriebenen Nationalparkzentrum zahlen muss, der nur den Blick vom Königsstuhl genießen will. Doch das sei offenkundig ebenso wenig gewollt wie ein weiterhin kostenfreier Abstieg zum Fuße des Königsstuhls, um diesen 118 Meter hohen Kreidefelsen auch einmal von unten betrachten zu können.
    Die Nationalpark-Zentrum Königsstuhl GmbH und das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern weisen den Verdacht zurück, sie betrieben absichtlich die Ausdünnung eintrittsfreier Naturerlebnisse am Königsstuhl, um Finanzierungsquellen in eigener Sache zu erschließen. Aber, so Burkhard Rahn von der Bürgerinitiative Lohme.
    "Wie eine Sprecherin des Umweltministeriums sagte: `Wir wollen die Besucherströme kanalisieren'. Das Kanalisieren aber kann für uns nicht bedeuten, dass der Kanal so eng gefasst wird, dass er am Eingang des Nationalparkzentrums mündet."