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Krieg und Frieden als Lebensthema

Eigentlich hatte die Familie des Offizierssohnes eine militärische Karriere für ihn vorgesehen, doch er wurde Autorennfahrer und ein wichtiger Werbeträger der Nationalsozialisten. Während des Krieges jedoch wandelte sich Manfred von Brauchitsch zum Pazifisten. Nach dem Krieg begeisterte er sich für die DDR, wohin er nach seiner Anklage wegen Hochverrats schließlich floh.

Von Martin Hartwig | 15.08.2005
    "Also wir waren irgendwelche Figuren, denen es gilt nachzueifern. Sie haben uns bewundert. Die Helden waren insofern für die Jugend geschaffen, weil eben für die Zukunft, was man vorhatte. Man hatte ja den nächsten Krieg schon wieder vor. Da brauchte man natürlich Helden, die sich opfern und die Mut zeigen."

    Krieg und Frieden waren das Lebensthema von Manfred von Brauchitsch - zumindest in seinen öffentlichen Äußerungen - und zumindest in der zweiten Hälfte seines langen Lebens.

    "Ich selbst möchte eine Verpflichtung eingehen. Ich möchte immer da stehen, wo der Frieden verteidigt wird, wo ich meine ganze Kraft für den Sport in Frieden einsetzen kann."

    Eigentlich war er für den Krieg vorgesehen. Zumindest seitens der Familie, in die er am 15. August 1905 in Hamburg geboren wurde. Manfred von Brauchitsch war der Sohn eines preußischen Offiziers und er sollte, wie so viele aus seiner weitverzweigten Familie, ebenfalls zum Militär gehen. Zunächst verlief alles wie geplant. Er trat einem der erzreaktionären Freikorps bei, wurde Rekrut und brachte es bis zum Fähnrich. 1928 schied er nach einem Motorradunfall aus dem Armeedienst aus und begann die Karriere, die ihn berühmt machen sollte.

    Ein autobegeisterter Vetter brachte ihn mit dem Rennsport in Kontakt und stellte ihm seine Wagen zur Verfügung. Von Brauchitsch zeigte Talent. 1929 gewann er mit einem Mercedes seines Vetters sein erstes Rennen. Den endgültigen Durchbruch schaffte er drei Jahre später auf der Berliner Avus.

    Reporter:
    "Die Spannung im Publikum ist auf dem Höhepunkt. Alles ist aufgestanden. Von Brauchitsch führt vor Caraciola: das ist eine Überraschung meine Damen und Herren. Eben kommen sie an. Eben kommt der silberne Pfeil, der schwere wuchtige des Manfred von Brauchitsch. Da schwingt er in die letzte Kurve hinein mit Vollgas, jetzt kommt schon der Kompressor."

    In der letzten Runde überholte von Brauchitsch den favorisierten Rudolf Caracciola und gewann das Rennen. Mercedes Benz verpflichtete den wegen seiner draufgängerischen Fahrweise sehr populären Piloten daraufhin als Werksfahrer. 1934 gewann von Brauchitsch in einem silbernen Mercedes das legendäre Eifelrennen und begründete damit die Ära der Silberpfeile. Deren Ruhm wurde auch von den gerade an die Macht gekommenen Nationalsozialisten genutzt. Bei der Eröffnung der Berliner Automobilausstellung 1936 zollte Manfred von Brauchitsch den neuen Machthabern Tribut.

    "Mein Führer, als Vertreter der deutschen Rennfahrer danke ich ihnen, mein Führer für alles das, was sie uns gegeben haben. Wenn in den letzten Jahren die Deutschen Rennwagen von Sieg zu Sieg geeilt, wenn wir im Kraftfahrsport heute an der Spitze aller Nationen stehen, so ist das nicht so sehr unser Verdienst oder das Verdienst der Industrie, sondern in erster Linie Ihr Werk."

    Obwohl nie Mitglied der NSDAP, war der populäre Rennfahrer ein wichtiger Werbeträger für die Nationalsozialisten. Als der Krieg begann, war Schluss mit Autorennen. Von Brauchitsch musste aber nicht an die Front. Er bekam eine Verwaltungsaufgabe in der Kriegswirtschaft zugewiesen. Hier wurde er, wie er später oft erzählte, vom Saulus zum Paulus.

    "Nachher während des Krieges als ich Referent war bei einem Großindustriellen, bevor ich zu der Panzerkommission kam in Berlin, da habe ich gesehen und immer wieder neu erkannt, wer überhaupt ein Interesse an diesem Krieg hat."

    In den ersten Nachkriegsjahren war an Rennsport in beiden Teilen Deutschlands nicht zu denken. Von Brauchitsch, der das beste Alter für Autorennen jetzt schon hinter sich hatte, ging nach Argentinien, fasste dort aber nicht Fuß. Er selbst schrieb in seiner Autobiographie, dass er wegen der vielen geflohenen Nazis wieder wegging. Kritische Zeitzeugen sagen, dass er Argentinien wieder verließ, weil er dort kein konkurrenzfähiges Auto bekam. Zumindest war er 1950 wieder in der Bundesrepublik und begann sich verstärkt für Politik zu interessieren.

    "Die Förderung des Sportes in Westdeutschland ist gleich null. Der Sport kann nur im Frieden gedeihen und wenn man eben andere Sachen im Kopf hat dann kann man sich eben auch für den Sport nicht interessieren."

    Geradezu überschwänglich lobte von Brauchitsch hingegen die Sportpolitik der DDR und vor allem deren gesamtdeutsche Friedenspolitik. 1952 wurde er Präsident des "Komitees für Einheit und Freiheit des deutschen Sportes". Diese Organisation galt in der Bundesrepublik als kommunistische Tarnorganisation. Von Brauchitsch wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat festgenommen und verbrachte acht Monate in Untersuchungshaft. Nachdem er wieder frei gekommen war, floh er, noch bevor ihm der Prozess gemacht wurde, in die DDR, wo er als bekehrter Sünder mit offenen Armen empfangen wurde. Er machte Karriere als Sportfunktionär und gehörte somit zu den Ersten, die Walter Ulbricht zu seinem 70sten Geburtstag gratulierten.

    von Brauchitsch:
    "Ich bin sehr stolz, dass ich unter dieser roten Fahne mitmarschiere als ehemaliger bürgerlichen adeliger Militaristensohn und heute stolz drauf bin, dass ich zu dieser roten Fahne gehöre."

    Ulbricht:
    "Sie zeigen doch nur, dass wir alle Kräfte vereinigt haben. So eine breite Bewegung sind wir geworden. Von den Arbeitern bis zu den bürgerlichen Kreisen."

    Von Brauchitsch zahlte einen hohen Preis für seine Flucht in die DDR. Seine Frau Gisela blieb im Westen zurück und beging 1957 Selbstmord. Er heiratete erneut und lebte mit seiner Frau relativ zurückgezogen im thüringischen Gräfenwarth, wo er am 5. Februar 2003 starb.